Wie der Mannheim-Angreifer im Netz gefeiert wird

    Hassvideos nach Messerattacke:"Mein Vorbild": Mannheim-Täter im Netz gefeiert

    Ninve Ermagan
    von Ninve Ermagan
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    Nach dem Angriff auf einen rechten Islamkritiker in Mannheim schlagen Gewalt-Videos im Netz hohe Wellen. Darin wird die Tat gefeiert - und zu weiteren Angriffen aufgerufen.

    Mannheim: Trauer um bei Messerattentat getöteten Polizisten
    Ein toter Polizist und bundesweites Entsetzen. Die Messerattacke von Mannheim beschäftigt auch das politische Berlin. Einige fordern Abschiebungen nach Afghanistan zu erlauben.03.06.2024 | 2:49 min
    "Endlich gute Nachricht", beginnt ein Video eines jungen Mannes bei TikTok, der sich darüber freut, dass der rechte Islamkritiker Michael Stürzenberger zur Zielscheibe einer Messerattacke wurde. Er hofft, dass der Täter "die höchste Stufe im Paradies" bekommt.
    "Ich schwöre bei Allah, ich schicke dir Geld mein Freund, ich schicke dir Essen, ich schick dir alles", lobt er den Täter und ruft zum Mord an allen auf, "die den Islam kritisieren". Er ruft zur Jagd nach Ex-Muslimen auf - und nennt in diesem Zusammenhang sogar konkrete Namen.

    Hassvideos rufen zu weiterer Gewalt auf

    "Dieser Junge ist mein Vorbild", stellt der User klar und feiert am Ende des Videos den mutmaßlichen Täter von Mannheim auch für den Angriff auf den Polizisten, der am Sonntag seinen Verletzungen erlegen ist.
    Eren Guevercin: Messerangriff in Mannheim
    Probleme, wie Islamismus, müssten im gemeinsamen Diskurs gelöst werden, so Islamismus-Experte Güvercin. Das funktioniere nicht, wenn die gesellschaftliche Spaltung voranschreitet.03.06.2024 | 13:13 min
    Nach der Messerattacke in Mannheim vergangenen Freitag, die sich offenbar gegen Mitglieder der islamfeindlichen Bürgerbewegung Pax Europa und dessen umstrittenes Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger richtete, hagelt es im Netz solche Hassvideos und Gewaltaufrufe, die die Tat gutheißen und zu weiteren Attacken auf Islamkritiker und Ex-Muslime aufrufen.

    "Erwartet er von mir Mitleid?"

    Ein weiteres Video bei TikTok zeigt einen jungen Moslem, der den Messerangriff offenbar als gerechtfertigt ansieht: "Der beleidigt meinen Propheten, beleidigt meine Geschwister, beleidigt meine Kopftuchgeschwister, beleidigt jeden einzelnen Muslim, und dann erwartet er von mir Mitleid?" Seine Antwort darauf ist klar: "Gar nichts. Überhaupt nichts kriegt er von mir."
    Der junge Mann macht deutlich, dass er "keine Angst" vor den Konsequenzen hat, solch gewaltverherrlichende Worte auszusprechen. "Inshallah stirbt er" (so Gott will) - und hofft auf den Tod von Stürzenberger.
    Baden-Württemberg, Mannheim: Zahlreiche Personen, darunter Polizisten, stehen in unmittelbarer Nähe des Tatorts vor niedergelegten Kerzen und Blumen.
    Bundespräsident Steinmeier erklärte, er sei tief erschüttert über den Tod des Polizisten aus Mannheim.03.06.2024 | 2:33 min

    Faeser kündigt Konsequenzen an

    Das TikTok-Video, das aktiv zum Mord aufruft, löst auch auf politischer Ebene Kritik aus. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) veurteilte es scharf und kündigte in der "Bild am Sonntag" Konsequenzen an:

    Den mörderischen Messerangriff zu verherrlichen, ist widerwärtig und menschenverachtend.

    Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin

    Wer so etwas tue, müsse "mit aller Härte des Strafrechts verfolgt werden", betonte sie.
    Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) kündigte ebenfalls ein hartes Vorgehen der Sicherheitsbehörden an.

    Bei uns werden Verbrechen - ganz besonders Mordstraftaten - mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft und nicht gefeiert.

    Thomas Strobl (CDU), Baden-Württembergs Innenminister

    Islamkritiker und Ex-Muslime in Angst

    Diese Szenen in Mannheim und die darauffolgenden gewaltverherrlichenden Reaktionen schaffen besonders bei Ex-Muslimen und Menschen, die sich kritisch mit dem politischen Islam und Islamismus auseinandersetzen, ein Klima der Angst. "Ich mache mir Sorgen, dass eine Gewaltwelle gegenüber Islamkritikern ausgelöst wird", sagt Zeinab Elhad, Mitglied des Vereins "Zentralrat der Ex-Muslime" zu ZDFheute.
    Die 24-jährige Libanesin, die Mitglied der FDP ist, beschloss mit 18 Jahren, den Islam zu verlassen. Seitdem klärt sie im Netz über Missstände in muslimischen Communitys auf und beklagt das Kopftuchgebot für Frauen. Dafür wird sie besonders von islamistischen Influencern auf TikTok immer wieder bedroht.

    Aktuell würde ich nicht in Städte und Orte mit einem hohen Migrationsanteil gehen. Mir hat schon eine Person auf Social-Media geschrieben, dass er wissen würde, wo ich wohne.

    Zeinab Elhad, Frauenrechtlerin und Mitglied im Zentralrat der Ex-Muslime

    Abdul Kader Chahin bei Maybrit Illner
    Abdul Kader Chahin bei "maybrit illner"18.04.2024 | 1:21 min

    Zunehmende Radikalisierung durch TikTok

    "Islamistische Tiktoker bauen ihre Identität und ihren Lebenssinn auf die Ideologie des politischen Islams. Wer den Islam kritisiert, soll laut dieser Interpretation sterben", führt die Frauenrechtlerin weiter aus.

    Sie sind der Meinung, dass sie in einem islamhassenden, moralisch verkommenem Westen leben, der Muslime als die wahren Opfer systematisch unterjocht und diskriminiert.

    Zeinab Elhad, Frauenrechtlerin und Mitglied im Zentralrat der Ex-Muslime

    Auch der Islam-Experte Eren Güvercin warnt vor der immer größer werdenden Reichweite radikaler Influencer und beobachtet eine zunehmende Radikalisierung durch Onlinedienste wie TikTok. Die Reaktionen auf den Messerangriff in Mannheim zeigen laut Güvercin: "Islamistische Akteure im Netz verhehlen nicht ihre Sympathien für den Attentäter".

    Sie heißen seine Tat gut, und sehen in diesem Messerangriff eine 'gerechte Strafe' gegen einen Islamfeind.

    Eren Güvercin, Gründungsmitglied Alhambra-Gesellschaft

    Imam-Ausbildung: "Erster zaghafter Schritt"
    "Ich würde es als ersten zaghaften Schritt in die richtige Richtung bezeichnen", so Eren Güvercin, Mitbegründer der Alhambra Gesellschaft, zur Ankündigung von mehr Imam-Ausbildungen in Deutschland.15.12.2023 | 5:18 min

    Appell an die muslimische Community

    Er appelliert als säkularer Moslem an die muslimische Community und Verbände, "das Tatmotiv klar zu benennen".
    Neben der Auseinandersetzung mit islamistischen Ideologien brauche es "eine offene Auseinandersetzung mit Überlegenheitsvorstellungen in der muslimischen Community: die ihren Glauben als Festung verstehen, die es zu verteidigen gilt".

    Das schürt Ressentiments gegen sowohl muslimische wie nichtmuslimische Andersdenkende, und ist die Grundlage für eine Radikalisierung, die sich am Ende in solche Taten manifestieren kann.

    Eren Güvercin, stellvertretender Bundesvorsitzender "Liberale Vielfalt"

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