Antisemitismus: Überlebende von Auschwitz haben Angst
80 Jahre Befreiung von Auschwitz:"Angst, wie unsere Enkelkinder leben werden"
von Beate Frenkel und Michael Haselrieder
|
80 Jahre nach Auschwitz gibt es nur noch wenige Zeitzeugen. Drei Überlebende des Konzentrationslagers beunruhigt der zunehmende Judenhass seit dem Hamas-Angriff am 7. Oktober.
Seit dem 7. Oktober 2023, dem Angriff der Hamas auf Israel, hat sich die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland verdoppelt. Wie gehen Holocaust-Überlebende damit um?23.01.2025 | 43:30 min
Es ist eine kostbare Freundschaft. Erst vor wenigen Jahren haben sie voneinander erfahren. Eva Szepesi, Eva Umlauf und Naftali Fürst waren zusammen im letzten Zug nach Auschwitz. Kurz vor ihrer Ankunft Anfang November 1944 hatten die Nationalsozialisten den Betrieb der Gaskammern eingestellt, weil die Rote Armee immer näher rückte. Das rettete ihr Leben.
Über Auschwitz zu sprechen als Lebensaufgabe
Damals waren sie Kinder. Heute gehören sie zu den wenigen Zeitzeugen, die das Vernichtungslager überlebt haben, und noch berichten können. "Es ist meine Lebensaufgabe, darüber zu sprechen. Denn meine liebe Mama und mein kleiner Bruder sind stumm gemacht worden, die können nicht mehr sprechen", sagt Eva Szepesi in der ZDF frontal-Dokumentation "Judenhass in Deutschland - 80 Jahre nach Auschwitz". Ihre Mutter und ihr Bruder waren in Auschwitz ermordet worden.
Eva Szepesi (92) und Eva Umlauf (82) sprechen regelmäßig an Schulen.
Es ist wie ein Auftrag. Niemand hat uns den Auftrag gegeben, aber es ist ein Auftrag.
„
Eva Umlauf, Auschwitz-Überlebende
Die Befreiung von Auschwitz jährt sich heute zum 80. Mal. In der Gedenkstätte Auschwitz erinnerten internationale Politiker und Überlebende an die dort verübten Gräueltaten.27.01.2025 | 2:14 min
Die Tätowierungen auf ihren Unterarmen sind noch deutlich sichtbar. Die Nummern liegen nur 83 Zahlen auseinander.
Auch Naftali Fürst war im letzten Transport vom slowakischen Lager Sered nach Auschwitz: "Damals haben wir gedacht, wir gehen in den sicheren Tod", erinnert sich der 92-Jährige. Zusammen mit seinem Bruder und vielen anderen Häftlingen trieben die Nazis den damals Zwölfjährigen auf einen Todesmarsch von Auschwitz ins Konzentrationslager Buchenwald. Dort wurde er am 11. April 1945 befreit.
Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz. Der Ort gilt heute als Synonym für den Holocaust. Rund um den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus widmet sich das ZDF den Themen Judenhass, NS-Diktatur und Erinnerungskultur.
Nach der Befreiung ging Fürst nach Israel, weil er darauf vertraute, dort in Sicherheit leben zu können. Dieses Vertrauen ist seit dem 7. Oktober 2023 schwer erschüttert, sagt er. Der Angriff der Hamas sei für ihn der schlimmste Tag seit dem Holocaust gewesen.
Seine Enkelin Mika lebte im Kibbuz Kfar Aza in unmittelbarer Nähe des Gazastreifens. 64 Bewohner wurden dort von den Terroristen ermordet, darunter Mikas Schwiegereltern. Die Nachricht, dass Mika mit ihrem Ehemann und dem zweijährigen Urenkel das Massaker in einem Schutzraum knapp überlebt hat, erreichte Naftali Fürst erst viele Stunden später: "Es war einer der glücklichsten Momente meines Lebens."
Laut einer Studie schwindet das Wissen über den Holocaust. Gerade deshalb gehen Überlebende wie Eva Szepesi in Schulen und erzählen von den Gräueltaten.27.01.2025 | 1:39 min
Ich habe die Schoa überstanden. Und noch einmal eine Tragödie dieser Art zu erleben, das werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen.
„
Naftali Fürst, Auschwitz-Überlebender
Seit dem 7. Oktober fragen sie sich, wie es weitergehen soll. Seine Enkelin ist mit ihrer Familie vorübergehend in einem anderen Kibbuz untergekommen. In einem aber ist sich Fürst sicher: "Der Ort für die Juden, für meine Familie, ist nur Israel", sagt er. Der wachsende Antisemitismus in ganz Europa, in der ganzen Welt lasse ihnen keine Wahl.
Die Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz durch sowjetische Truppen jährt sich heute zum 80. Mal. "Die Gedenkveranstaltung steht im Zeichen der Überlebenden", so ZDF-Korrespondentin Natalie Steger.27.01.2025 | 2:59 min
Mehr antisemitische Vorfälle
Eva Szepesi und Eva Umlauf leben in Deutschland. Auch sie beobachten, dass der Antisemitismus seit dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober und dem anschließenden Gaza-Krieg zugenommen hat. Bei Lesungen brauchten sie zeitweise Polizeischutz. "Das ist erschreckend und traurig", sagt Eva Szepesi.
Szepesis Enkelin, Celina Schwarz, ist nach Israel gezogen. Sie hat den Terrorangriff und den Krieg miterlebt. Trotzdem fühle sie sich dort sicherer als in Frankfurt, wo sie aufgewachsen ist, berichtet Schwarz. In Deutschland würde sie vermeiden, sich als Jüdin zu erkennen zu geben. Für ihre Großmutter, die versucht hatte, unter falschem Namen vor den Nazis zu fliehen, sei das sehr schwer zu ertragen.
Laut dem Jahresbericht 2023 der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) gab es in Deutschland vor dem 7. Oktober 2023 durchschnittlich sieben antisemitische Vorfälle pro Tag. Danach stieg die Zahl auf 32 Vorfälle pro Tag.
Seit dem 7. Oktober 2023 ist Antisemitismus ein offen diskutiertes Problem in Deutschland. Die Dokumentation "Warum Judenhass?" zeigt, dass der Nährboden dafür schon viel länger existiert.27.01.2024 | 43:39 min
Sorgen über Antisemitismus bei Auschwitz-Überlebenden
Vor allem der Antisemitismus von islamistischer und propalästinensischer Seite habe seit dem 7. Oktober zugenommen, sagt Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung: "Das ist eine Entwicklung, die in dieser Dramatik so noch nie existiert hat, seit dem Bestehen der Bundesrepublik Deutschland."
Der zunehmende Antisemitismus und das Erstarken rechter Parteien machen den drei Auschwitz-Überlebenden Sorgen. "Wir haben einen Rechtsruck in ganz Europa und in Amerika. Das sind gefährliche Zeiten", sagt Eva Umlauf. "Das macht mir Angst."
Es ist keine Angst, dass ich mit Herzklopfen aufwache. Aber es ist die Angst, wie unsere Kinder und Enkelkinder leben werden.
Antisemitische Einstellungen sind unter Studierenden nicht häufiger vertreten als in der Gesamtbevölkerung. Weshalb Hochschulen trotzdem im Fokus stehen.
Um dir eine optimale Website der ZDFmediathek, ZDFheute und ZDFtivi präsentieren zu können, setzen wir Cookies und vergleichbare Techniken ein. Einige der eingesetzten Techniken sind unbedingt erforderlich für unser Angebot. Mit deiner Zustimmung dürfen wir und unsere Dienstleister darüber hinaus Informationen auf deinem Gerät speichern und/oder abrufen. Dabei geben wir deine Daten ohne deine Einwilligung nicht an Dritte weiter, die nicht unsere direkten Dienstleister sind. Wir verwenden deine Daten auch nicht zu kommerziellen Zwecken.
Zustimmungspflichtige Datenverarbeitung • Personalisierung: Die Speicherung von bestimmten Interaktionen ermöglicht uns, dein Erlebnis im Angebot des ZDF an dich anzupassen und Personalisierungsfunktionen anzubieten. Dabei personalisieren wir ausschließlich auf Basis deiner Nutzung der ZDFmediathek, der ZDFheute und ZDFtivi. Daten von Dritten werden von uns nicht verwendet. • Social Media und externe Drittsysteme: Wir nutzen Social-Media-Tools und Dienste von anderen Anbietern. Unter anderem um das Teilen von Inhalten zu ermöglichen.
Du kannst entscheiden, für welche Zwecke wir deine Daten speichern und verarbeiten dürfen. Dies betrifft nur dein aktuell genutztes Gerät. Mit "Zustimmen" erklärst du deine Zustimmung zu unserer Datenverarbeitung, für die wir deine Einwilligung benötigen. Oder du legst unter "Einstellungen/Ablehnen" fest, welchen Zwecken du deine Zustimmung gibst und welchen nicht. Deine Datenschutzeinstellungen kannst du jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in deinen Einstellungen widerrufen oder ändern.