Klimaziel der EU-Kommission für 2040: Messlatte erreicht?

    Neue Pläne der EU-Kommission:EU-Klimaziel für 2040: Messlatte erreicht?

    Mark Hugo
    von Mark Hugo
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    90 Prozent weniger Treibhausgas bis 2040. Die neue Klimaziel-Empfehlung der EU-Kommission klingt ambitioniert. Warum es trotzdem Kritik gibt.

    Dampf steigt aus dem Kohlekraftwerk Niederaußem in Deutschland
    Auf dem Weg zur Klimaneutralität will die EU-Kommission bereits bis 2040 einen Großteil der Treibhausgasemissionen in der EU reduzieren.
    Quelle: AP

    Einen "starken Polarstern" auf dem Kurs zu Klimaneutralität nennt Stientje van Veldhoven von der Denkfabrik World Resources Institute (WIR) die Empfehlung der EU-Kommission.
    Die schlägt für die Verringerung des Treibhausgasausstosses bis 2040 immerhin die Marke von 90 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Der ganz große Wurf, den sich viele erhofft hatten, ist die neue Empfehlung aber nicht.
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    Die EU-Kommission hat ein neues Klimaziel vorgeschlagen: Abbau des Treibhausgases um 90 Prozent im Vergleich zu 1990. Was bedeutet diese Emissions-Empfehlung? Wir sprechen mit Felix Schenuit.06.02.2024 | 4:25 min

    Klimakommissar Hoekstra hat Bedenken

    Das Zwischenziel soll, so die EU-Kommission heute, "wichtige Signale" senden - solche, die Mitgliedstaaten und Unternehmen dazu bringen, ihre Klimaambitionen hochzuschrauben.
    "Wir haben eben erst das wärmste je gemessene Jahr erlebt", gibt Klimakommissar Wopke Hoekstra zu Bedenken. "Die Sache des Klimaschutzes steht außer Zweifel."

    Bisher gilt in der EU das festgeschriebene Ziel, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Erwartet wird, dass es erreicht oder sogar übererfüllt werden wird. Bis 2050 will die EU darüber hinaus klimaneutral sein. Gemeint ist damit, dass die 27 Länder genauso viele Emissionen einsparen wie sie ausstoßen. Dafür soll vor allem das Gesetzespaket "Fit for 55" unter dem Dach des sogenannten Green Deal sorgen. Die Strategie umfasst Maßnahmen in verschiedenen Bereichen wie Energie, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft. Ein Zwischenziel für 2040 gibt es bislang nicht.

    Anders formuliert: Das 2040-Ziel soll Dampf im Kessel machen, damit es mit der bereits beschlossenen Klimaneutralität bis 2050 auch klappt. "Um dieses Ziel zu erreichen, muss jedes EU-Land seinen eigenen Klimaplan stärken und daran arbeiten, ihn schnell umzusetzen. Im Moment machen das noch nicht alle", kritisiert Stientje van Veldhoven.

    Edenhofer: Klimaschutz ein "Umsetzungsproblem" in der EU

    Die Betonung liegt dabei auf "umsetzen", denn: "Wir haben in der EU primär kein Ziel-Problem, sondern ein Umsetzungsproblem", sagte auch der Vorsitzende des EU-Klimabeirates, Professor Ottmar Edenhofer, schon im Januar dem ZDF.
    Der Klimabeirat, ein Gremium aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, das die EU berät, hatte die Messlatte mit seiner Empfehlung bereits im letzten Jahr gelegt: 2040 müsse das Niveau der Treibhausgasemissionen um 90 bis 95 Prozent unter dem von 1990 liegen.
    Fossile Energienutzung statt Verbraucher:innen belasten!
    Bis 2050 will die EU klimaneutral werden. Der EU-Klimabeirat warnt nun, dass die Mitgliedsstaaten die Klimaziele verfehlen.18.01.2024 | 1:59 min
    Zwar habe die EU Fortschritte im Klimaschutz gemacht. Das Tempo der Reduktionen müsse aber "signifikant" steigen. Edenhofer sprach sich etwa für mehr Klimaschutz im Gebäudebereich und im Verkehrssektor aus.
    Klimaschädliche Subventionen müssten in der EU abgebaut und ein CO2-Preissystem ausgeweitet werden, in das unter anderem auch die Landwirtschaft integriert sei.

    Germanwatch: EU-Ziel ein "konservativer Vorschlag"

    Der Empfehlung der Klimabeirats ist die Kommission mit dem 90-Prozent-Ziel gefolgt - gerade so. Aber: "Dieser konservative Vorschlag für das 2040-Klimaziel ist nur das absolute Minimum dessen, was nötig ist", kritisiert Lutz Weischer von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.

    Ein 95-Prozent-Klimaziel wäre die deutlich bessere Wahl - auch für eine technologische Führungsrolle und Energiesouveränität der EU.

    Lutz Weischer, Germanwatch

    Aus seiner Sicht wäre mehr zu schaffen gewesen.

    CO2-Speichermethode CCS ist umstritten

    Klar eingepreist in die Vorschläge der Kommission ist der Einsatz von CCS, also von Technik, mit der Kohlendioxid abgeschieden und gespeichert werden kann.
    Ohne solche Lösungen könne Klimaneutralität etwa in der Chemie- oder Zementindustrie nicht erreicht werden, so die EU-Kommission - eine Einschätzung, die viele Klimaforschende teilen.
    Wolken formen CO2
    Die Speicherung oder Nutzung von Kohlendioxid (CCS) ist technisch möglich, aber kompliziert. Macht dieses Verfahren Sinn? Gregor Steinbrenner hat in Dubai den Physiker Niklas Höhne befragt.04.12.2023 | 3:36 min

    Kein Ausstieg aus fossilen Energieträgern im EU-Ziel

    CCS dürfe allerdings nicht dazu führen, in anderen Bereichen den Umstieg weg von fossiler Energie zu bremsen. Und es dürfe auch kein "ungedeckter Scheck" sein, warnt etwa Germanwatch. Denn noch sei gar nicht klar, wie viel CO2 damit überhaupt eingefangen werden könne.
    Harsche Kritik gibt es an etwas, das gerade eben nicht in der Empfehlung steht: Ein klares Ausstiegsszenario für Kohle, Gas und Öl.

    Mit diesen Klimazielen gibt die EU ihre Vorreiterrolle beim internationalen Klimaschutz auf und folgt den Interessen der Öl- und Gaskonzerne zu Lasten der Gesellschaft.

    Olaf Bandt, BUND

    Und auch Lutz Weischer ist enttäuscht: "Mit einem Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen bis 2040 würde die EU zeigen, dass sie die wegweisenden Beschlüsse des Weltklimagipfels von Dubai ernst nimmt."
    Die COP28 hatte die Abkehr von den Fossilen beschlossen, konnte sich aber nicht zu einem festgelegten Ausstiegsszenario durchringen.

    Gesetzentwurf zu Klimazielen erst nach Europawahl

    Mindestens in diesem Punkt hat es die EU-Kommission diesmal verpasst, ihrer Rolle eines wegweisenden "Polarsterns" im internationalen Klimaschutz gerecht zu werden.
    Allerdings: Die Vorschläge sind erstmal nur eine Diskussionsgrundlage. Denn ein Gesetzentwurf kommt frühestens nach der Europawahl. Und bis Anfang 2025 hat die EU Zeit, neue, nachgebesserte Klimaziele im Rahmen des Klimaabkommens von Paris vorzulegen.

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