Grünen-Chefin im Sommerinterview: Haben "Denkzettel" bekommen

    Interview

    Grünen-Chefin im Sommerinterview:Lang: Haben "Denkzettel" bekommen

    von Stefanie Reulmann
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    Grünen-Chefin Ricarda Lang bezeichnet das "sehr schlechte Ergebnis" bei der Europawahl als "Denkzettel". Die Partei müsse nun zeigen, dass sie das verstanden habe, sagt sie im ZDF.

    Ricarda Lang und Diana Zimmermann
    Die Parteichefin der Grünen hat im ZDF-Sommerinterview darüber gesprochen, dass es nun darum gehe, Vertrauen zurückzugewinnen. In Bezug auf die Europawahl räumt sie Versäumnisse ein. 21.07.2024 | 1:45 min
    "Ich glaube, das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass die Menschen einem einen Denkzettel verpassen und dann auch noch das Gefühl haben, die haben das nicht einmal mitbekommen", sagt die Grünen-Vorsitzende im ZDF-Sommerinterview.

    Entfremdung zwischen Parteien und Bürgern

    Deshalb müsse das desaströse Ergebnis der Europawahl nun ausgewertet werden, um zu schauen, "wo müssen wir besser werden, wo können wir aus Fehlern lernen, um diesen Anspruch, eine führende Orientierungspartei, für das ganze Land Politik zu machen, in Zukunft noch besser auszufüllen", so Lang.
    Es gebe "eine immer größere Entfremdung vom großen Teil des Parteiensystems und den Bürgerinnen und Bürgern", und das treffe alle Parteien, nicht nur die Grünen.

    Ganz viele Menschen fühlen sich von der Politik nicht mehr gehört, und wenn man ehrlich ist, werden sie es auch viel zu wenig.

    Ricarda Lang, Parteivorsitzende der Grünen

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    Lang fordert mehr Integration

    Das gilt vor allem beim Thema Migration, wo sich die Stimmung in der Gesellschaft in den letzten Jahren deutlich aufgeheizt hat. Statt immer mehr Flüchtlinge aufzunehmen, befürworten viele Menschen mittlerweile eine Begrenzung der Migration. Dass der Sinkflug ihrer Partei auch damit zu tun haben könnte, wie sich die Grünen in der Migrationspolitik positionieren, glaubt Lang aber nicht.
    Sie will Vertrauen gewinnen und plädiert dafür, Kommunen mehr Geld für Wohnungen und Kita-Plätze für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, sowie Arbeitsverbote aufzuheben. "Integration ist Grundvoraussetzung für gesellschaftlichen Frieden und für die Arbeitsaufnahme", betont die Grünen-Chefin, und kritisiert, dass im neuen Haushalt Einsparungen bei Integrationskursen vorgesehen seien.

    Lang warnt vor "Abschleifen von Rechtsstaatlichkeit"

    Mehr Geld für Integration? Wollen das die Bürgerinnen und Bürger? Oder wollen sie vielmehr, dass weniger Migration stattfindet? Dieser Frage weicht Lang im Sommerinterview mehrfach aus. Sie betont:

    Was wir nicht tun werden, das ist, uns in einen Wettbewerb zu begeben oder eine Debatte, die so tut, als ob das Abschleifen von Rechtsstaatlichkeit, als ob die Entmenschlichung von Menschen, als ob das die Antwort sein könnte.

    Ricarda Lang, Parteivorsitzende der Grünen

    Immer wieder betont sie, dass sie verstanden haben, aus Fehlern lernen wollten und als Grüne bereit seien, ihren Anteil dafür zu leisten, "diese Kluft endlich wieder zu schließen", zwischen Parteien und Bürgerinnen und Bürgern. Dazu gehöre, mehr zuzuhören und sich den Sorgen der Menschen anzunehmen.
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    Auf EU-Ebene hätten die Grünen auch schwierige Entscheidungen in der Migrationspolitik mitgetragen, "aber nicht, weil eine gesellschaftliche Stimmung das verlangt, sondern weil die Realität es verlangt", sagt Lang.

    Grüne dürfen Grundsätze "nicht aufgeben"

    In der Migrationspolitik dürfe man sich nicht von der AfD treiben lassen, sagt sie. Die Grünen stünden "zu einer menschenrechtlichen Verantwortung", die dürfe man "nicht aufgeben, weil es gerade opportun erscheint".
    Lang betont, sie sei "stolz", dass Deutschland die Herausforderung angenommen hat, so viele Flüchtlinge aufzunehmen, und die Mehrheit der Menschen im Land zu der Verantwortung stünden. "Die Leute fliehen nicht, weil es hier Bürgergeld gibt, oder weil es so nett ist in Deutschland, sondern weil es einen Krieg in der Ukraine gibt."

    Lang kritisiert Merz wegen "Leihstimmen-Kampagne"

    Auch bei den im Herbst anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen wird das Thema Migration eine entscheidende Rolle spielen. Dort besteht die Möglichkeit, dass die AfD stärkste Kraft wird. Um das zu vermeiden hatte CDU-Chef Friedrich Merz vor ein paar Wochen im ZDF-Sommerinterview Wählerinnen und Wähler im Osten dazu aufgefordert, statt SPD, Grüne oder FDP der CDU ihre Stimme zu geben. Nur so könne eine AfD-Regierung verhindert werden, sagte Merz damals.
    Bundesvorsitzender der CDU, Friedrich Merz, beim ZDF Sommerinterview.
    CDU-Chef Friedrich Merz fordert alle Wähler im Osten auf, "jetzt in dieser Situation die CDU zu wählen". Nur so könne ein AfD-Sieg verhindert werden, sagt er im Sommerinterview.23.06.2024 | 1:12 min
    Diese "Leihstimmen-Kampagne" sei "zutiefst gefährlich", sagt die Grünen-Vorsitzende im aktuellen Sommerinterview. Man spiele mit dem Feuer, denn am Ende könnte es bewirken, dass in den Parlamenten im Osten nur noch BSW, AfD und CDU sitzen würden. Das könne sich niemand wünschen, sagt sie.

    Wir werben um jede einzelne Stimme für die Grünen.

    Ricarda Lang, Parteivorsitzende der Grünen

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    Quelle: ZDF

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