Niederlande: Stimmungstest für Ausgang der Europawahl
Analyse
Dammbruch nach rechtsaußen?:Niederlande: Stimmungstest für die Europawahl
von Gunnar Krüger
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Die Niederlande wählen heute - und geben Hinweise auf den Wahl-Ausgang. Mit dem Thema Migration will Rechtspopulist Wilders seinen Wahlerfolg wiederholen - und die EU verändern.
Den Stimmzettel wirft er in die Mülltonne. Das Bild von Geert Wilders am Morgen in Den Haag mag irritieren, doch in den Niederlanden gehört die Tonne als Wahlurne zur Tradition - genau wie rote Stummel-Bleistifte, um das Kreuzchen zu machen. Der Rechtspopulist muss sich jetzt nur umdrehen. Hinterm Mülleimer: die Kameras.
"Wenn Sie die Asylpolitik ändern wollen, dann haben Sie mit dem Einfluss der Europäischen Union zu tun, mit allen Richtlinien, an die wir gebunden sind", sagt Wilders. "Und wenn man das ändern will, muss man auch eine starke Präsenz im Europäischen Parlament haben, um sicherzustellen, dass wir in der Lage sind, die europäischen Richtlinien zu ändern."
Sein Statement gibt eine Ahnung, was auf die EU zukommt. Mit einer größeren, womöglich sogar geeinten, Zahl von rechtspopulistischen Abgeordneten im Europa-Parlament. Und: mit einer niederländischen Regierung von Wilders Gnaden im Rat der Mitgliedstaaten. Nach der ersten Prognose am Donnerstagabend läuft es auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem rot-grünen Wahlbündnis und der Wilders-Partei hinaus.
Tom Theuns ist Professor für Politische Theorie an der Uni Leiden und sieht auch in Wilders' Ansage eine niederländische Tradition. Er erklärt:
Unsere Politiker stellen die europäische Politik gerne als etwas dar, was von außen kommt, was aufgezwungen wird, wogegen man sich wehren und kämpfen kann. Das ist natürlich eine völlig absurde Sichtweise.
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Tom Theuns, Professor für Politik, Universität Leiden
In neun der 27 Mitgliedssaaten könnten sich europaskeptische bis EU-feindliche Parteien durchsetzen. Unter anderem in Frankreich und Österreich.07.06.2024 | 4:37 min
Wilders gegen Verteilung von Flüchtlingen
Die neue gemeinsame Asylpolitik der EU haben die Niederlande mit beschlossen und vorangetrieben. Doch Wilders will den Kompromiss der Vorgänger aufkündigen, keine Verteilung von Flüchtlingen, stattdessen Zurückweisung an den Grenzen im Krisen-Fall. Die künftige Regierung will Brüssel dafür um "Opt-Outs" bitten, um niederländische Ausnahmen.
Im November hatte Wilders überraschend die Parlamentswahl gewonnen. Er wird nun mit drei weiteren rechten Parteien eine Koalition bilden. Wilders hatte seine Forderung nach einem Nexit, dem Austritt der Niederlande aus der EU, auch aus dem Programm gestrichen. Stattdessen wolle er gemeinsam mit anderen radikal-rechten Parteien "die EU von innen heraus aushöhlen", sagte er im April.
Nach den Umfragen wird die radikal-rechte Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders die stärkste Kraft werden, gefolgt von dem Bündnis der sozialdemokratischen Partei der Arbeit und der grünen Partei GroenLinks. Die europafeindliche Anti-Islampartei von Wilders hatte vor fünf Jahren nur einen Sitz bekommen. Auf die Niederlande entfallen 31 der 720 Sitze im Europäischen Parlament.
"Wunschdenken" und "heiße Luft" sei das, so Politologe Theuns. Und bekräftigt:
Wähler, die aufmerksam sind, sind sich dieser Einschränkungen durchaus bewusst. Aber natürlich verstehen auch viele Wähler nicht, wie europäische Politik funktioniert.
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Tom Theuns, Professor für Politik, Universität Leiden
Stattdessen erwarte er, "dass die Position der Niederlande, beispielsweise im Europäischen Rat, schwächer sein wird."
Bei der Wahl geht es um die künftige Zusammensetzung des Europäischen Parlaments, die einzige direkt gewählte transnationale Versammlung der Welt.07.06.2024 | 2:13 min
Timmermans ist Wilders' Gegenspieler
Zufallsbegegnung vor dem niederländischen Parlament: Der Herr mit weißem Vollbart und knallgrüner Regenjacke zögert zuerst: "Sorry, aber in diesem Outfit…" Dann lässt er sich doch zum Interview mit ZDFheute überreden. Frans Timmermans war Klima-Kommissar in Brüssel. In Den Haag führt er die Fraktion von Grünen und Sozialdemokraten an.
Sein Bündnis liege "Kopf an Kopf" mit der PVV. "Wir müssen als Mitte-Links-Partei dafür sorgen, dass wir groß genug werden, damit die rechte Mitte wieder auf uns schaut und nicht in Versuchung kommt, mit der radikalen Rechten in Europa zu regieren." In Mitgliedstaaten wie Italien, Schweden oder Finnland sei das schon der Fall.
Sie denken, sie könnten die radikale Rechte einkapseln, aber sie werden von der radikalen Rechten übernommen.
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Frans Timmermans, Fraktionschef SPD und Grüne
Timmermans spielt auf den Flirt der Konservativen im Europäischen Parlament mit der "postfaschistischen" Partei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni an. EVP-Chef Manfred Weber (CSU) und Kommission-Präsidentin Ursula von der Leyen (CDU) schließen eine Zusammenarbeit mit Melonis Abgeordneten nach der Wahl nicht aus. Das sei ein "sehr, sehr riskantes Manöver der Konservativen", so Timmermans.
Im niederländischen Wahlkampf geht es vor allem um ein Thema: Geert Wilders und seine neue Koalition wollen das Land für Flüchtlinge so unattraktiv wie möglich machen.05.06.2024 | 6:05 min
Dirk Gotink lobt Giorgia Meloni
Einer, der an dem Manöver mitgewirkt hat, sitzt in diesem Moment im Parlamentsgebäude. Dirk Gotink ist zu Gast im Studio eines Nachrichtensenders. Er war der Sprecher von Manfred Weber. Er ist Europa-Spitzenkandidat einer neuen Mitte-Rechts-Partei, die mit Wilders koaliert. In der Werbepause lobt er Meloni: "Sie hat mit dafür gesorgt, dass wir den Migrationspakt haben. Das ist ein Gesetz, auf das wir zehn Jahre gewartet haben."
Dass seine, die neue Koalition, von eben diesem Gesetz Ausnahmen will, erwähnt er nicht. "Ausgangspunkt sollte sein, inwieweit die Parteien bereit sind, europäische Lösungen für einige unserer Probleme zu finden." So definiert er Giorgia Meloni raus aus der rechtspopulistischen Ecke. Wilders dagegen habe man in Den Haag Wasser in den Wein geschüttet. In Brüssel sei er isoliert.
Die Ergebnisse der EU-Wahl zeigen: In Deutschland gewinnt die Union, die AfD ist zweitstärkste Kraft. In Frankreich und Italien liegen rechte Parteien vorn. Alles zur Wahl im Blog.
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