In Deutschland heißt der Sieger der
Europawahl wie immer seit 1979
CDU/
CSU.
Die Grünen haben nach ihrem Rekordergebnis von 2019 heftige Verluste. Die
SPD bleibt schwach und die
AfD legt zu. Neben
Linken,
FDP und
BSW erzielen bei einer Wahl ganz ohne Sperrklausel auch mehrere kleinere Parteien Mandate.
Wahlmotive: Viel Europa, aber Bund bleibt Faktor
Quelle: ZDF/Forschungsgruppe Wahlen
Gestützt auf viel Zuspruch aus der älteren Generation, basiert der Unionswahlsieg nur bedingt auf eigener Stärke. Zwar punktet die CDU/CSU mit Parteiansehen und Sachkompetenz, trifft in der politischen Mitte aber auch auf schwache
Ampel-Parteien. AfD und partiell das BSW profitieren - neben viel Regierungskritik und wenig Alternativvertrauen in die CDU/CSU - von aktuellen Ereignissen und anti-europäischen Stimmungen.
Unter allen Befragten wird die EU-Mitgliedschaft
Deutschlands aber grundsätzlich positiv bewertet; gerade im aktuellen Krisenumfeld gilt die
EU als hochrelevante Institution.
EU-Bedeutung: Wirtschaft, Sicherheit, globales Standing
Quelle: ZDF/Forschungsgruppe Wahlen
Überlagert von vielen, vor allem auch transnational wichtigen Themen wie Sicherheitspolitik, Migration,
Klimawandel oder (Rechts-)Populismus war bei der Wahl für 46 Prozent der Befragten die Politik in Europa ausschlaggebend, für 49 Prozent aber die Bundespolitik.
Nach 69 bzw. 55 Prozent 2014 bzw. 2019 sind zwar noch immer 55 Prozent eher unzufrieden damit, wie in Europa Politik gemacht wird. Dennoch hat die EU für 85 Prozent der Befragten hohe Bedeutung "für die deutsche Wirtschaft", für 81 Prozent "für Verteidigung und Sicherheit" sowie für 85 Prozent, "um uns gegenüber den
USA,
Russland oder
China behaupten zu können".
Kompetenzen: SPD und Scholz mit Defiziten
Bei den für die Bürger wichtigsten Themen "Verteidigung/ Sicherheit" und "Flüchtlinge/Asyl" wird der CDU/CSU mehr zugetraut als der SPD, die auch im Politikfeld "Europa" das Nachsehen hat. Nur 29 Prozent meinen, dass es Bundeskanzler
Olaf Scholz (SPD) gut gelingt, deutsche Interessen in der EU durchzusetzen (nicht gut: 69 Prozent).
Bei "Klimaschutz" führen die Grünen weit weniger souverän als 2019; beim Thema "Flüchtlinge/Asyl", das zuletzt an Bedeutung zugelegt hat, bekommt die AfD viel Zuspruch. 65 Prozent fordern eine schärfere EU-Migrationspolitik, darunter mit 88 bzw. 86 Prozent besonders viele AfD- bzw. BSW-Wählerinnen und -Wähler.
Bund: Schlechte Regierung und schwache Alternative
Quelle: ZDF/Forschungsgruppe Wahlen
Bei der europawahltypischen Präsenz von viel Bundespolitik schadet den Ampel-Parteien ihre schlechte Performance im Bund: 66 Prozent sind mit der Bundesregierung unzufrieden (zufrieden: 29 Prozent).
Dass die CDU/CSU - würde sie regieren - ihre Sache besser machen würde, meinen allerdings nur 30 Prozent (schlechter: 19 Prozent; kein Unterschied: 48 Prozent), zumal die Union auch personell nicht überzeugt: Weder
Friedrich Merz (+5/-5-Skala: minus 0,3) noch
Markus Söder (minus 0,2) können sich beim Ansehen klar von einem schwachen Bundeskanzler Olaf Scholz (minus 0,7) absetzen.
Parteien: Imageeinbruch der Grünen
Quelle: ZDF/Forschungsgruppe Wahlen
Beim Parteiansehen liegt die CDU/CSU (+5/-5-Skala: 0,8; 2019: 1,2) klar vor der SPD (0,0; 2019: 0,8). Die Grünen, vor fünf Jahren mit der CDU/CSU noch auf Augenhöhe, brechen massiv ein (minus 0,8; 2019: 1,2). Die Linke (minus 1,7 2019: minus 0,4), FDP (minus 0,6; 2019: 0,2) und BSW (minus 1,1) werden mehr oder weniger negativ bewertet, das AfD-Image (minus 2,8; 2019: minus 3,1) bleibt extrem schlecht. 74 Prozent sehen in der AfD zudem eine Gefahr für die Demokratie.
(Rechts-)Populismus: Problem für EU-Zukunft
Quelle: ZDF/Forschungsgruppe Wahlen
Konträr zur Gesamtheit fordern sowohl AfD- als auch BSW-Wählerinnen und -Wähler für die Nationalstaaten in der EU mehr Autonomie und sind für ein Rückfahren des westlichen Ukraine-Supports. Nur jeweils 19 Prozent im AfD- und BSW-Lager, aber 65 Prozent aller Befragten glauben, dass Russland der EU mit einer Unterstützung europäischer (Rechts-)Populisten schaden will.
Dabei sieht mit 76 Prozent eine deutliche Mehrheit ein großes Problem für die Zukunft der EU, wenn (rechts-)populistische und europa-kritische Kräfte bei dieser Wahl gut abschneiden.
Jung- und Erstwähler: Kein klarer Favorit
Quelle: ZDF/Forschungsgruppe Wahlen
Für den Wahlsieger bleiben die älteren, beteiligungsstarken Wähler die mit Abstand wichtigste Stütze: Bei den ab 60-Jährigen holt die CDU/CSU 39 Prozent. Bei allen unter 60-Jährigen liegt die CDU/CSU mit 25 Prozent genau wie die SPD mit zehn Prozent deutlich unter ihrem Gesamtergebnis, die AfD holt bei allen unter 60-Jährigen 19 Prozent.
Die Grünen brechen bei allen unter 30-Jährigen massiv ein; bei den 16- bis 24-jährigen Jung- und Erstwählern kommen die Grünen nur auf zehn Prozent. CDU/CSU und AfD liegen in der Gruppe U-25 gleichauf (jeweils 17 Prozent); die SPD erreicht bei den 16- bis 24-Jährigen nur neun Prozent, Volt kommt hier ebenfalls auf neun Prozent.
Europawahl: Keine kleine Bundestagswahl
Als Gradmesser für den Bund taugt die Europawahl nur bedingt: Auch wenn die Kritik an der Ampel-Regierung klar zum Ausdruck kommt, bleibt das Wahlverhalten bei den eigenen Regeln und Rahmenbedingungen dieser Wahl oft spezifisch, zumal im Europaparlament echte Regierungsoptionen fehlen. Dennoch unterstreichen viel Interesse und Beteiligung die Relevanz einer Gemeinschaft, die in einem krisengeplagten Umfeld von den meisten Menschen in Deutschland wertgeschätzt wird.
Die Zahlen basieren auf einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.232 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Deutschland in der Woche vor der Wahl (telefonisch/online) sowie auf der Befragung von 46.437 Wählerinnen und Wählern am Wahltag.
Die Ergebnisse der EU-Wahl zeigen: In Deutschland gewinnt die Union, die AfD ist zweitstärkste Kraft. In Frankreich und Italien liegen rechte Parteien vorn. Alles zur Wahl im Blog.
Quelle: Forschungsgruppe Wahlen