Das EU-Parlament in Straßburg (Archivfoto) hat ein neues Schulden-Regelwerk beschlossen.
Quelle: dpa
Nach monatelangen Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten hat das
Europaparlament die Reform der Schuldenregeln für den Staatshaushalt der
Europäischen Union beschlossen.
Die Abgeordneten stimmten an diesem Dienstag in Straßburg für ein Reformpaket, das hochverschuldeten Ländern mehr Spielraum für Investitionen geben soll. Zugleich sollen die neuen Regeln die Staaten allerdings dazu zwingen, hohe Schulden schneller abzubauen.
Deutschland und Frankreich haben nach langen Verhandlungen einen Durchbruch bei der Reform von EU-Schuldenregeln verkündet. 20.12.2023 | 1:36 min
Vertreter des Europaparlaments und der Regierungen der Mitgliedstaaten hatten sich Anfang Februar nach langer Debatte auf den Kompromiss verständigt. Nach der Abstimmung im Parlamentsplenum müssen auch noch die EU-Staaten die neuen Regeln bestätigen.
Was künftig gelten soll
Grundsätzlich soll in der EU weiterhin gelten, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Zudem gilt es, das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit - also die vor allem durch Kredite zu deckende Lücke zwischen den Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Haushalts - unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu halten.
Darüber hinaus sind Schutzmaßnahmen geplant: Hoch verschuldete Länder (Schuldenstand von über 90 Prozent) sollen ihre Schuldenquote jährlich um einen Prozentpunkt senken müssen, Länder mit Schuldenständen zwischen 60 und 90 Prozent um 0,5 Prozentpunkte. Auf diese Bedingung hatte vor allem Deutschland gepocht.
So verschuldet ist Deutschland
ZDFheute Infografik
Ein Klick für den Datenschutz
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den
Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Mit der Reform bekommen die Länderregierungen nun mehr Spielraum und sollen etwa selbst Pläne vorlegen, wie sie ihre Schulden in den kommenden Jahren abbauen wollen. Dafür bekommen sie bis zu sieben Jahre Zeit, deutlich mehr als bislang. Davon könnten mehrheitlich hochverschuldete Länder wie
Griechenland,
Italien,
Spanien und
Frankreich profitieren.
Warum die geplanten Regeln umstritten sind
Die Meinungen zum erzielten Kompromiss gehen auseinander. So hatte etwa die
belgische EU-Ratspräsidentschaft mitgeteilt, die neuen Regeln würden dazu beitragen, ausgewogene und auf Dauer tragfähige öffentliche Finanzen zu erreichen. Auch aus der Sicht des CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber überwiegen die positiven Aspekte.
Kritiker hingegen betonten, dass die Regeln Investitionen - etwa in Klimaschutz oder im sozialen Bereich - die Luft abschnürten. Eine Analyse vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) und der New Economics Foundation (NEF) war Anfang April etwa zu dem Ergebnis gekommen, dass bei Einhaltung der geplanten Regeln ab 2027 nur noch
Dänemark,
Schweden und Irland in der Lage seien, sich notwendige Ausgaben zu leisten.
Ebenso stehen die Grünen im Europaparlament dem Kompromiss kritisch gegenüber und nennen die geplante Reform eine "verpasste Chance".
Was die Folgen sind
Beim Übertreten der Obergrenzen können Schulden-Strafverfahren, sogenannte Defizitverfahren, eingeleitet werden. Dann muss ein Land Gegenmaßnahmen einleiten, um Verschuldung und Defizit zu senken. Das soll vor allem die Stabilität der Eurozone sichern.
Die EU hatte während der Pandemie ihre Schuldenregeln ausgesetzt. 20.12.2023 | 1:16 min
Zuletzt waren die Strafverfahren wegen der
Corona-Krise sowie der Folgen des
russischen Angriffs auf die Ukraine ausgesetzt. Vor allem 2020 lagen die Defizite in fast allen EU-Ländern deutlich über der Drei-Prozent-Marke. Ab diesem Frühjahr sollen die Defizitverfahren wieder eröffnet werden können.
Grundlage der nun getroffenen Einigung für die Reform der aus den 1990er Jahren stammenden Regeln waren Vorschläge der EU-Kommission. Vor allem die
Bundesregierung hatte sie kritisiert, weil sie den sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakt zu stark aufweiche.
Das Image des Europäischen Parlaments ist besser denn je - doch die Unterschiede zwischen den Ländern sind groß. Ein Blick darauf, welche Themen kurz vor der Wahl wichtig sind.
von Luisa Billmayer
Quelle: dpa, AFP