Green Deal der EU: Welche Folgen hat die Europawahl 2024?

    Interview

    Weber und Reintke zum EU-Projekt:"Europa kann stolz auf den Green Deal sein"

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    Der Green Deal ist das größte Transformationsprojekt der EU - und steht stark in der Kritik. Worauf es bei der Europawahl für die Zukunft des Projekts ankommen könnte.

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    ZDFheute: Ist der Klima-Notstand, den das Europaparlament 2019 ausgerufen hat, schon vorbei?
    Terry Reintke (Grüne): Absolut nicht. Er ist immer noch da und deshalb müssen wir alles tun, um der Klimakrise zu begegnen. Und das bedeutet auf jeden Fall, den Green Deal weiterzuführen.

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    Manfred Weber (CSU): Ich bin 51 Jahre alt und ich habe selbst Umwelttechnologie studiert. Für mich ist das ein Herzensthema. Und es ist die Christdemokratin, die diesen Green Deal vorgeschlagen hat. Das war Ursula von der Leyen. Meine Fraktion hat bei 45 von 50 Klimaschutzgesetzen im Rahmen des Green Deals zugestimmt und diesen maßgeblich geprägt. Und wir streiten in der Sache. Beim Verbrenner sage ich Ihnen, Sie können heute in München mit dem Diesel 100 Prozent klimaneutral tanken, indem Sie Fette und Öle tanken.
    Reintke: Ich halte das nicht für klug, weil es am Ende des Tages auch darum geht, Investitionssicherheit zu schaffen. Und wenn Automobilhersteller jetzt sagen, sie müssen mehr in Batterie-Produktion investieren, große Milliardeninvestitionen, und dann wieder Unklarheit schaffen, ob das jetzt eigentlich die Richtung ist, ob es mit dem Verbrenner doch weiter geht, dann ist das einfach nicht klug. Weil wir jetzt die wirtschaftspolitischen Weichen stellen müssen.
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    ZDFheute: Ist denn noch genug Geld da für all diese Vorhaben?
    Reintke: Niemand möchte alles aus staatlichen Investitionen, was die grüne Transformation angeht, investieren. Wir sehen aber, wir brauchen einige staatliche Investitionen, zum Beispiel den Ausbau von Infrastrukturen und Unterstützung von Unternehmen, wenn es um die grüne Transformation geht. Um das anzustoßen. Wir wollen ja nicht, dass es eine langfristige Subventionierung von grünen Industrien in Europa braucht.
    Weber: Ich bleibe beim Prinzip, dass der Staat mit dem Geld auskommen muss, das er einnimmt. Wenn die Grünen jetzt einen 120-Milliarden-Fonds vorschlagen, fast den gesamten EU-Haushalt noch mal obendrauf legen wollen, neue Schulden, dann ist das nicht nachhaltig.

    Wie die USA es machen, das ist der Weg, marktwirtschaftlich. Wir müssen endlich ein business case, ein Wirtschaftsmodell draus machen.

    Warum gehen denn die Investitionen nach Amerika? Weil Europa nicht attraktiv genug ist.

    Europa soll bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden - mit dem Green Deal. Einem Feuerwerk aus Gesetzen, die seit 2019 größtenteils schon beschlossen wurden. Etwa zum Ausbau erneuerbarer Energien. Oder dem Handel mit CO2-Zertifikaten, durch den sich schrittweise die Nutzung von Öl, Gas und Kohle verteuern. Das fordert neue Konzepte überall. Im Gebäudesektor, Stichwort Wärmepumpe, oder im Verkehrssektor, Stichwort E-Mobilität. Deshalb fördert die EU grüne Technologien bis 2030 erstmal mit einer Billion Euro. Eine Art Klimageld soll soziale Härten abfedern. Auch die nachhaltige Landwirtschaft und Schutz der Ökosysteme gehören zum Green Deal.

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    ZDFheute: Was sagen Sie denen, die einfach nicht bereit sind, den Weg mitzugehen, denen der Green Deal zu schnell geht und zu viel kostet?
    Weber: Wir dürfen die soziale Dimension nicht vergessen. Weil sich nicht jeder diese neuen Technologien sofort wird leisten können. Und wir brauchen Verlässlichkeit bei unseren Maßnahmen, weil die größten Einbrüche beim Absatz von Elektroautos beispielsweise die Kürzung der Förderung auf Berliner Ebene gebracht hat. Oder auch die Tatsache, dass kaum mehr Wärmepumpen eingebaut werden. Das ist natürlich das Ergebnis der Heizungsgesetz-Diskussionen vom letzten Sommer, in Berlin, nicht Brüssel.
    Reintke: Also Manfred, du sagst, wir brauchen Verlässlichkeit, und gleichzeitig produziert ihr doch einen Zickzackkurs, wenn du sagst, wir sollen jetzt wieder aus dem Verbrenner-Aus raus. Wir haben das beschlossen und ihr wollt das jetzt wieder zurücknehmen. Und bei anderen Sachen wollt ihr die Dynamik rausnehmen.

    Wenn es einen massiven Rechtsruck gibt und wenn es andere Mehrheiten im Europäischen Parlament geben sollte, könnte das bedeuten, dass der Green Deal zurückgebaut wird.

    Und das wäre dramatisch für den gesamten Kontinent, aber auch für die gesamte Welt. Und da hat sich die EVP nicht klar distanziert.
    Weber: Ich kann klarstellen für die EVP, die größte Fraktion im Parlament: Die Rückabwicklung des Green Deals kommt für uns nicht infrage. Der Green Deal ist eine historische Aufgabe, vor der wir stehen. Das heißt, die Ambitionen sind klar, aber wir streiten in der Sache, wie man die Ziele erreicht. Und das ist lebendige Demokratie.
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    Reintke: Wenn die Europawahl gut ausgeht, ein Rechtsruck ausbleibt, dann werden wir weiterhin guten Klimaschutz auf den Weg bringen.
    Das Gespräch führte ZDF-Umweltreporter Andreas Stamm.

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