EU-Bericht:Europa bereitet sich kaum auf Klimakrise vor
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Vor allem Hitze und Dürre sind laut EU-Umweltagentur künftig die für den Menschen gefährlichsten Faktoren der Klimakrise. Doch Europa trifft kaum Maßnahmen dagegen.
Europa bereitet sich einer EU-Behörde zufolge unzureichend auf die Auswirkungen der zunehmenden Klimaerwärmung vor. Die europäischen Strategien und Anpassungsmaßnahmen hielten nicht mit den sich rasant verschärfenden Risiken Schritt, teilte die Europäische Umweltagentur (EEA) zu ihrem ersten Bericht zur Bewertung des Klimarisikos für Europa (EUCRA) mit.
"Um die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaften sicherzustellen, müssen die europäischen und nationalen politischen Verantwortlichen jetzt handeln, damit die Klimarisiken sowohl durch rasche Emissionssenkungen als auch durch entschlossene Anpassungsstrategien und -maßnahmen verringert werden", sagte EEA-Exekutivdirektorin Leena Ylä-Mononen laut Mitteilung.
Ein letzter Weckruf der Forschenden?
"Unsere neue Analyse zeigt, dass Europa mit dringenden Klimarisiken konfrontiert ist, die sich schneller entwickeln als unsere gesellschaftliche Vorsorge", so Ylä-Mononen weiter. "Dies ist also die neue Normalität. Und es sollte ein Weckruf sein, der letzte Weckruf."
Auch für Andreas Stamm aus der ZDF-Umweltredaktion ist der EEA-Bericht nicht der erste Weckruf dieser Art: "Der wissenschaftliche Diskurs, die Datenlage, die immer besseren Klimamodelle - wir bewegen uns auf eine ungemütliche Situation zu, mit rasanter Geschwindigkeit."
Dabei gilt ein einfacher Merksatz: Je länger nichts getan wird, desto teurer wird es langfristig.
Andreas Stamm, ZDF-Umweltredaktion
Das gilt laut Stamm für die wirtschaftlichen Schäden, aber auch was die Gefahren für Leib und Leben angehe. Ebenfalls mittlerweile wissenschaftlicher Konsens sei in Sachen Klimawandel neben der Vermeidung von CO2-Emmissionen die ebenso wichtige Klimafolgenanpassung bei der Krisenbewältigung.
Mehr als 30 Risiken identifiziert
Laut EAA ist Europa der sich am schnellsten erwärmende Kontinent. Seit den 1980er Jahren war die Erwärmung auf dem europäischen Festland demnach etwa doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt.
Forscherinnen und Forscher benennen in dem Bericht 36 große Klimarisiken - von Auswirkungen der Dürre und Hitze, Überschwemmungen, über Brände bis hin zu finanziellen Folgen.
Insgesamt gebe es fünf große Bereiche, in denen die Klimaentwicklungen existenzielle Bedrohungen darstellen:
- Ökosysteme
- Ernährung
- Gesundheit
- Infrastruktur
- Wirtschaft und Finanzen
So beträfen die Risiken, die durch Hitze und Dürre für den Nutzpflanzenanbau entstehen, nicht nur den Süden, sondern auch die Länder Mitteleuropas.
Insbesondere anhaltende und weiträumige Dürren stellen eine erhebliche Bedrohung für die Erträge, die Ernährungssicherheit und die Trinkwasserversorgung dar.
Aus dem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA)
Hitze ist das dringendste Klimarisiko
Hitze sei das größte und dringendste Klimarisiko für die menschliche Gesundheit, schreiben die Forschenden. Besonders gefährdet sind demnach Menschen, die im Freien arbeiten, ältere Menschen und Personen, die in schlecht isolierten Wohnungen oder in städtischen Gebieten mit starkem Wärmeinseleffekt leben. In Südeuropa entstehe durch Hitze und Dürren zudem ein erhebliches Risiko für die Energieerzeugung und -übertragung.
Katastrophale Folgen befürchtet
Viele der identifizierten Klimarisiken in Europa haben laut der Auswertung bereits ein "kritisches Niveau" erreicht. Bei mehr als der Hälfte (21 von 36) benötige es unverzüglich mehr Engagement und Handlungstempo - acht der Risiken seien sogar "besonders dringlich".
"Wenn jetzt nicht entschieden gehandelt wird, könnten die meisten der festgestellten Klimarisiken bis zum Ende dieses Jahrhunderts ein kritisches oder katastrophales Ausmaß erreichen", hieß es im Bericht. Und weiter: "Hunderttausende von Menschen würden durch Hitzewellen sterben, und allein die wirtschaftlichen Verluste durch Überschwemmungen an den Küsten könnten mehr als eine Billion Euro pro Jahr betragen."
Süden besonders gefährdet
Zu den Hotspots der von Klimarisiken gefährdeten Regionen zählt laut dem Bericht Südeuropa. Länder im Süden sind besonders durch Waldbrände, Hitze und Wasserknappheit betroffen. Neben den Auswirkungen auf die Landwirtschaft und allgemein hoher Brandgefahr sei die Gesundheit der Menschen eminent gefährdet.
Doch auch tief liegende Küstenregionen einschließlich vieler dicht besiedelter Städte seien Brennpunkte für Klimarisiken. Der Meeresspiegel an Europas Küsten steigt jedes Jahr mit zunehmender Geschwindigkeit an. Das erhöhe die Gefahr von Überschwemmungen und Sturmfluten, so die EEA.
ZDF-Umweltredakteur Stamm befürchtet, dass dieser erneute Weckruf der EEA im "politischen Klima Europas verhallen" wird: "Die ambitionierte EU-Klimapolitik in den vergangenen Jahren wird mehr und mehr in Frage gestellt. Zu schnell, zu teuer, zu viel auf einmal. Dazu knappe Kassen allerorts, ein Rechtsruck in vielen EU-Hauptstädten."
Politisch scheint weniger Klimaschutz, gerade im Vorfeld der Europawahl im Juni eine Forderung, mit der sich besser Wahlkampf zu machen scheint.
Andreas Stamm, ZDF-Umweltredaktion
Quelle: dpa, ZDF
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