Trumps Nato-Drohung: Wie realistisch ist eine Atommacht EU?

    Interview

    Experte zu Trumps Nato-Drohung:Wie realistisch ist eine Atommacht EU?

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    Könnte Europa unter Trump den Schutz der Atommacht USA verlieren? Experte Liviu Horovitz hält das für unwahrscheinlich. Wie er die Diskussion um EU-Atomwaffen einschätzt.

    Kampfjet von Dassault Rafale mit einem französischen atomaren luftgestützten Marschflugkörper ASMPA (Mittelstrecken-Luft-Boden-Rakete).
    Kampfjet mit einem französischen, atomaren, luftgestützten Marschflugkörper: Frankreich besitzt als einziger EU-Staat Atomwaffen.
    Quelle: Imago

    Kann sich Europa nach den jüngsten Drohungen Donald Trumps in Richtung Nato auch künftig auf den Schutz durch US-Atomwaffen verlassen? Daran hat Katarina Barley, SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Zweifel. Darauf angesprochen, ob die EU eigene Atombomben brauche, erklärte sie im Berliner "Tagesspiegel": Auf dem Weg zu einer europäischen Armee könne "das ein Thema werden".
    Doch was heißt das konkret? Fragen an den Sicherheits- und Atomwaffenexperten Dr. Liviu Horovitz.
    ZDFheute: Herr Horovitz, wie realistisch wäre es denn, dass Europa in einer zweiten Amtszeit Donald Trumps atomar auf sich alleine gestellt ist?
    Liviu Horovitz: In der Theorie ist natürlich alles möglich. Im US-System hat der Präsident, was Außenpolitik angeht, unglaublich großen Spielraum. Es macht aber auch für eine Trump-Administration sehr wenig Sinn, die nukleare Abschreckung für Europa aufzugeben. Trump geht es ja darum, Geld zu sparen. Und das lässt sich viel mehr im konventionellen Bereich machen als im atomaren.

    Dr. Liviu Horovitz, Forschungsgruppe: Sicherheitspolitik Wissenschaftler
    Quelle: swp-berlin.org

    ... promovierte als Politikwissenschaftler an der ETH Zürich und ist Experte für internationale Beziehungen, Sicherheitspolitik und nukleare Abschreckung bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

    Und in diesem Sinne wird er - eher als die Biden-Administration - Europa klarmachen: "Wenn es einen Konflikt am Rande der Nato gibt, dann müsst ihr das selbst regeln. Ihr müsst mehr in eure konventionellen Verteidigungsmaßnahmen investieren - abseits einer atomaren Aufrüstung. Ihr müsst selbst gucken, was ihr mit der Ukraine macht." Das wird eher im Mittelpunkt stehen und weniger die Notwendigkeit einer europäischen Atombombe.
    ZDFheute: Was, wenn die USA doch als schützende Atommacht für Europa ausfallen? Würden die Atomwaffen im EU-Land Frankreich als Abschreckung ausreichen?
    Horovitz: Nein. Paris hat ein sehr kleines Arsenal, das darauf ausgerichtet ist, dem Feind schnell massiven Schaden zuzufügen - um somit einen Angriff auf Frankreich abzuschrecken. Auch sieht Frankreich seine Rolle eher als Ergänzung zu dem, was die USA innerhalb der Nato anbieten, und nicht als alleinstehender Faktor.
    Auf der Infografik sind die weltweiten Atomwaffen-Arsenale dargestellt. Dabei wird deutlich: Russland und die USA haben mit über 5.000 Sprengköpfen den größten Bestand - gefolgt von China und Frankreich.

    ZDFheute: Und was ist mit dem britischen Arsenal?
    Horovitz: Frankreich könnte auch zusammen mit Großbritannien technisch nicht die Rolle der Amerikaner als Atommacht ausfüllen. Natürlich könnten die beiden sich hypothetisch dazu entschließen, ihr Arsenal auszubauen - auch mit europäischer Unterstützung. Das würde aber Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern. Und es würde viel Geld kosten.

    Wenn man dann nicht zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sondern das Zwei- oder Dreifache in die Verteidigung investieren muss, dann fehlt jede Menge Geld woanders.

    Liviu Horovitz, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Aber die Geldfrage ist nicht ist bei Weitem nicht die problematischste.
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    ZDFheute: Sondern?
    Horovitz: Die nach der politischen Neuordnung und Kräfteverschiebung innerhalb Europas. Wenn Frankreich - und ich betone erneut das Wort "hypothetisch" - einen atomaren Schutz für die EU anbieten würde, dann würde Paris sagen: "Wir machen das nur unter der Bedingung eines Europa, wie wir es uns vorstellen. Nur dann wären wir überhaupt bereit, diese Kosten und Risiken, die damit einhergehen, einzugehen."

    Die sich daraus ergebende Verschiebung der politischen Kräfteverhältnisse innerhalb Europas müsste berücksichtigt werden.

    Liviu Horovitz, Stiftung Wissenschaft und Politik

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    ZDFheute: Und was, wenn die ganze EU sich das zur Aufgabe machen würden?
    Horovitz: Es ist derzeit nur schwer vorstellbar, dass eine Art europäische Zentralregierung diese Aufgabe übernimmt. Dafür haben die Staaten innerhalb der EU zu unterschiedliche Interessen. Die Meetings der europäischen Regierungschefs dauern zurzeit zwei, drei Tage, damit sie sich überhaupt auf ein paar Milliarden Euro Finanzhilfen einigen können. Da ist man weit entfernt von einer gemeinsamen Nuklearwaffenstrategie, die im Ernstfall sehr schnelles, gemeinsames Handeln erfordern würde.
    Zudem dürfen wir nicht vergessen: Wenn man eine europäische Nuklear-Streitkraft auf die Beine stellen will, dann muss man schon lange vorher eine konventionelle, europäische Streitmacht auf die Beine gestellt haben, die übrigens viel teurer als eine Nuklear-Streitmacht wäre. Auch davon ist Europa noch weit entfernt.
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    Aber es ist leichter über die Bombe zu reden, als darüber, wie wir tatsächlich unser Militärpotenzial jetzt aufstocken. Das eine ist eine vage, entfernte Zukunft, die extrem unangenehm ist. Das andere etwas, wo man jetzt schon Geld ausgeben müsste.

    Und entscheiden ist natürlich problematischer als diskutieren.

    Liviu Horovitz, Stiftung Wissenschaft und Politik

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    ZDFheute: Wie zuversichtlich sind sie, dass Europa das Warnsignal, das durch Trump ausgeht, gehört und verstanden hat? Und aktiv wird?
    Horovitz: Da bin ich nicht sehr zuversichtlich. Aber ich lasse mich gerne überraschen.

    Es gab auch früher Warnsignale und wir haben sie nicht gehört. Also frage ich mich, warum wir das jetzt besser machen sollen.

    Liviu Horovitz, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Trump hat schon mal die Wahl gewonnen, war Präsident. Und jedes Mal haben viele in Europa gesagt, es wäre Zeit zu handeln. Und am Ende wurde wenig bis nichts gemacht und stattdessen gehofft, dass doch alles einigermaßen gut wird.
    Das Interview führte Katja Belousova.

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