EU-Migrationspolitik: Geht mehr Tempo bei der EU-Asylreform
EU-Migrationspolitik:Lässt sich die EU-Asylreform beschleunigen?
von Jan Henrich und Alexandra Tadey
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Berlin legt bei der Umsetzung der EU-Asylreform vor, gleichzeitig kommen neue Vorschläge aus Brüssel. Experten sind skeptisch, ob sich in der Asylpolitik so Tempo machen lässt.
Die Staats- und Regierungschefs der EU treffen sich zu Beratungen über die Migration.17.10.2024 | 2:33 min
Nach acht langen Jahren kam im Mai 2024 endlich eine Einigung für das neue Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) zustande. Sie zu finden, war alles andere als einfach. Nun befindet sich das Reformpaket in der Umsetzungsphase und soll im Juni 2026 in Kraft treten.
Deutschland macht Druck beim Tempo, gleichzeitig kommen aus Brüssel neue Vorschläge. Entscheidend für den Erfolg der Reform sind laut Experten jedoch in erster Linie andere Faktoren.
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Deutscher Gesetzentwurf kommt früher als gefordert
Eigentlich ist vorgesehen, dass die Mitgliedsstaaten bis Dezember der EU-Kommission zunächst einen Zeitplan vorlegen, wie sie das GEAS umsetzen wollen. Vergangene Woche veröffentlichte das Bundesinnenministerium jedoch bereits einen Referentenentwurf für entsprechende Gesetze in Deutschland - früher als gefordert.
Konkret geht es um neue Fristen bei sogenannten Flughafenverfahren und Regeln zu einer möglichen AsylverfahrensChaft. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte es ein "wichtiges Signal in Europa, dass Deutschland das neue Recht schnell und umfassend umsetzt".
Quelle: dpa
GEAS besteht aus zehn Rechtsakten. Kern des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist zum einen, dass alle Schutzsuchenden noch an den Außengrenzen der EU ein "Screening"-Verfahren durchlaufen, in dem innerhalb von fünf Tagen entschieden werden muss, ob es mit einem Asylverfahren oder einer Rückführung weitergeht.
Über den Asylantrag selbst muss dann innerhalb von zwölf Wochen entscheiden werden. Zum anderen soll bei bestimmten Asylsuchenden ein Asylverfahren an der Grenze innerhalb einer Transitzone stattfinden. Dies betrifft solche Asylsuchenden, die aus Drittstaaten mit einer Anerkennungsquote von weniger als 20 Prozent kommen, bei denen eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder Ordnung vermutet wird oder die über ihre Identität getäuscht haben.
Im Rahmen eines neu geschaffenen Solidaritätsmechanismus sollen zudem die Länder mit einer hohen Zahl an Schutzsuchenden entlastet werden. Die Mitgliedsstaaten, die keine Geflüchteten aufnehmen, müssen finanzielle oder alternative Beiträge leisten. Daneben wurden zum Beispiel noch der Ausbau einer Datenbank oder einheitliche Mindeststandards in den Ländern festgelegt.
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Beschleunigung der EU-Asylreform "unwahrscheinlich"
Der Schritt dürfte auch in erster Linie als Signal zu verstehen sein. Denn es sind eher kleinere Teilbereiche der Asylreform, die Mitgliedsstaaten ohne EU-Außengrenze wie Deutschland bereits jetzt umsetzen können.
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Damit das GEAS aber seine Wirkung entfalten kann, braucht es die Umsetzung in allen EU-Ländern. Dass sich das beschleunigen ließe, hält Asylrechtsexperte Constantin Hruschka allerdings für unwahrscheinlich. Denn dafür bräuchte es einen neuen Gesetzgebungsprozess auf EU-Ebene, um die Fristen in den Verordnungen anzupassen. Es sei schon schwierig genug gewesen, überhaupt erst diese Einigung zu finden.
Mehrere Mitgliedsstaaten scheren aus
Die Idee, dass Europa im Asylrecht an einem Strang zieht, scheint aktuell in weiter Ferne. Immer mehr Mitgliedsstaaten gehen Sonderwege und bewegen sich dabei an der Grenze zum Rechtsbruch oder gehen darüber hinaus.
Aufgrund der illegalen Einreisen an Polens Grenze zu Belarus hat die Regierung in Warschau eine zumindest vorläufige Aussetzung des Rechts auf Asyl angekündigt.12.10.2024 | 1:47 min
Erst vor wenigen Tagen hatte Polens Regierungschef Donald Tusk angekündigt, das Recht auf Asyl zumindest vorübergehend aussetzen zu wollen. Italien und Finnland weichen bereits jetzt - mehr oder weniger offen - von europäischen Vorgaben ab und berufen sich dabei auf eine Notlage.
Der Erfolg des GEAS hänge dementsprechend auch maßgeblich davon ab, wie diszipliniert sich die Mitgliedsstaaten daran halten, so Hruschka. Dafür zu sorgen, sei insbesondere Aufgabe der EU-Kommission.
Trotz dem einjährigen Jubiläum der Grenzkontrollen in Sachsen laufen nach wie vor heftige Diskussionen über deren Sinnhaftigkeit. Die Behörden jedoch verweisen auf positive Resultate.15.10.2024 | 2:06 min
In den letzten Jahren habe Brüssel aufgrund der Verhandlungen weitestgehend auf Vertragsverletzungsverfahren verzichtet, erklärt der Asylrechtsexperte. Würde der Druck erhöht, seien nationale Alleingänge nicht mehr so einfach möglich.
Kommt die Reform der Reform?
Druck scheint es in Brüssel aber eher dahingehend zu geben, bereits das nächste Projekt anzustoßen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen legte am Montagabend in einem Brief an die Mitgliedsstaaten einen neuen Plan für den Umgang mit Migration vor. Das Thema steht auch am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel auf der Agenda. Konkret ist damit auch die Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Rahmen von Abschiebezentren außerhalb der EU gemeint.
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Damit bewegt sich die EU-Kommission noch im Rahmen des GEAS, denn dort ist explizit festgehalten, das Konzept des sicheren Drittstaats zu überprüfen. Grundsätzlich warnt Asylrechtsexperte Hruschka allerdings davor, sich überhastet in ein weitere Maßnahmenpakete zu stürzen.
Die Verwaltungen der Länder bräuchten Zeit, um die bestehenden neuen Regelungen bestmöglich umzusetzen.
Jan Henrich und Alexandra Tadey sind Redakteure in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.