Entwicklungspolitik unter Druck: Frau Schulze gegen alle
Entwicklungspolitik unter Druck:Frau Schulze gegen alle
von Andreas Kynast, Islamabad
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Die Regierung lässt das Entwicklungsministerium im Stich. Die FDP fordert die Abschaffung, die Ampel-Chefs stutzen den Haushalt und die Grünen kritisieren das Liefergesetz.
Entwicklungsministerin Svenja Schulze zu Besuch in Pakistan
Quelle: Imago
Zum Schluss auch noch die Grünen: Wenn sie gewettet hätten im Entwicklungsministerium, wer ihnen noch alles in den Rücken fällt, nie wären sie auf die Grünen gekommen.
Aber an einem Freitag im Juni sitzt Wirtschaftsminister Robert Habeck auf einem Unternehmer-Podium und greift völlig unerwartet das wichtigste Projekt an, das das SPD-geführte Ministerium vorantreibt: das Lieferkettengesetz. Ministerin Svenja Schulze, so erzählen es Mitarbeiter noch zwölf Wochen später, sei geschockt gewesen.
"Mehr Geld wäre schöner!", so Entwicklungsministerin Svenja Schulze. Dennoch bleibe man handlungsfähig. Wichtig sei, mit den Menschen vor Ort zusammenzuarbeiten, um Hilfe zur Selbsthilfe leisten zu können.25.07.2024 | 4:39 min
Ministerin verteidigt Lieferkettengesetz
"Die Beschäftigten in Pakistan haben ein Recht auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen", sagt Schulze und der Saal applaudiert. Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung steht in Islamabad vor einer Tafel, auf der "Responsible Business Helpdesk" steht. Gerade hat Deutschland ein Büro eröffnet, das lokalen Zulieferbetrieben helfen soll, die Sozial- und Umweltstandards zu erfüllen, die das Lieferkettengesetz vorschreibt.
Schulze wirbt für das Gesetz, das vor allem im wichtigsten pakistanischen Wirtschaftszweig, der Textilindustrie, zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen beitragen soll. Das aber in Deutschland zu einem Hauptangriffsziel im Wahlkampf geworden ist.
Vor einem Monat hat das EU-Parlament das europäische Lieferkettengesetz beschlossen. Jetzt haben auch die EU-Staaten endgültig dafür gestimmt. ZDF-Experte Frank Bethmann berichtet.24.05.2024 | 1:27 min
CDU und FDP wollen Liefergesetz aussetzen
Ein "bürokratisches Monster" nennt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) das Gesetz. Es sei furchtbar, sagt Kretschmer dem ZDF, dass mittelständische Unternehmen jetzt "bis in die kleinste Verästelung" Zettel und Belege ausfüllen müssten.
Kretschmer verlangt, das Gesetz auszusetzen - dieselbe Forderung, mit der auch die Ampelparteien FDP und Grüne das Herzensthema der Entwicklungsministerin angegriffen haben.
Wer will, könne es ja freiwillig machen, hatte Wirtschaftsminister Habeck gesagt, alle anderen sollten pausieren dürfen.
"Pausieren heißt: Keine Verpflichtung?", fragte ungläubig der Moderator. "Genau."
Die Regierungskoalition scheint im Haushaltsstreit endlich einen Kompromiss gefunden zu haben. Allerdings geht dieser aktuell vor allem zu Lasten der Hilfe für die Ukraine.19.08.2024 | 2:34 min
Entwicklungspolitik unter Druck
Ministerin Schulze hat in der Bundesregierung einen schweren Stand. Als die drei mächtigen Ampel-Männer Scholz, Habeck und Lindner die Kürzungsliste für den Haushalt vorstellten, standen Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe ganz oben. Im nächsten Jahr muss Schulzes Ministerium mit einer Milliarde Euro weniger auskommen.
Kurz vor Schulzes Abreise nach Pakistan brachte die FDP obendrein die Abschaffung ihres Hauses ins Gespräch. Wieder einmal.
Entwicklungszusammenarbeit solle als Instrument der Außenpolitik verstanden werden, heißt es in einer "Argumentationshilfe" der FDP-Fraktion. Schulzes Haus sollte konsequenterweise ins Auswärtige Amt eingegliedert werden.
Schulze: Eigenes Ministerium nötig
In Islamabad sitzt Ministerin Schulze vor den Journalisten und muss sich zu Habeck, zur FDP und zum Wunsch nach ihrer Abschaffung äußern. "Ja, es braucht auf jeden Fall ein eigenes Ministerium", sagt Schulze. "Wir haben das in Großbritannien gesehen: Als die ihr Entwicklungsministerium abgeschafft haben, waren sie auf vielen Bühnen nicht mehr präsent."
Drei Tage lang sucht Entwicklungsministerin Schulze Partner in Pakistan. Dabei bräuchte sie dringend welche zu Hause. Zumindest die Grünen versuchen, den Eindruck, den Wirtschaftsminister Habeck erweckt hat, zu zerstreuen. Das Lieferkettengesetz sei in Kraft und werde nicht ausgesetzt, beteuern Abgeordnete. Bis die EU eine europaweite Richtlinie umsetzt, könne sich Ministerin Schulze auf die Unterstützung für ihr Gesetz verlassen. Es solle aber so wenig bürokratisch wie möglich sein.