80 Jahre nach der Zerstörung Dresdens: Ein Zeitzeugenbericht
80 Jahre Zerstörung Dresdens:Warum der Schmerz nie nachgelassen hat
von Cornelia Schiemenz
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Irene Bäger und ihre Schwester überlebten den Zweiten Weltkrieg in Dresden. Ihre Mutter kommt bei der Bombardierung um. Ein Zeitzeugenbericht zum 80. Jahrestag der Zerstörung.
Am 13. Februar 1945 bombardierte die britische und amerikanische Luftwaffe Dresden. Zum 80. Jahrestag erinnern sich Überlebende an die traumatischen Erlebnisse dieser Nacht.12.02.2025 | 2:49 min
Am 13. Februar 1945 endete die glückliche Kindheit von Irene Bäger. Es ist der Todestag der geliebten Mutter und der Geburtstag der engen Schwester. Ein Trauma, dass auch nach 80 Jahren nicht vergangen ist.
Irene Bäger hat ihr ganzes Leben in Dresden verbracht. Vor ihr liegen zwei Fotos, die sie als Fünfjährige mit ihrer geliebten Mutter zeigen. Es sind die einzigen Fotos, die sie von ihrer Mutter hat. "Ich war bis 1945 ein Einzelkind, von allen geliebt, von allen beschützt. Aber, was dann passierte - davor konnte uns niemand schützen", sagt die ehemalige Buchhalterin und kämpft mit den Tränen.
Irene Bäger (l.) mit ihrer Mutter (1944).
Quelle: Privat
Nacht des Schreckens in Dresden
Es war kurz vor 22 Uhr am Abend des 13. Februar 1945, als in ganz Dresden die Sirenen heulten. Britische Kampfflugzeuge warfen tonnenweise Brand- und Streubomben auf die bis dato unzerstörte Stadt. Zwei Angriffswellen - dann lag das barocke Elbflorenz in Schutt und Asche.
Die Altstadt von Dresden fast komplett zerstört. Dem von Hitler-Deutschland angezettelten Zweiten Weltkrieg fielen Millionen Zivilisten zum Opfer. In Dresden waren es in dieser Nacht rund 25.000.
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Eines der Opfer: die Mutter von Irene Bäger. Es war Faschingsdienstag. Irene Bäger war verkleidet als Rotkäppchen. Mit den anderen Kindern improvisierten sie eine Faschingsfeier auf den Straßen der Stadt. "Es war so ein schöner Tag. Niemand konnte ahnen, dass er so enden würde, sagt Irene Bäger, die seitdem nie wieder Fasching gefeiert hat.
Eine Bombe trifft die Frauenklinik
Mit Wehen kam die Mutter in die Frauenklinik Dresden. Eine bewusste Entscheidung für das Städtische Klinikum, weil ein rotes Kreuz auf dem Dach die Hoffnung nährte, kein Bombenziel zu werden. Die Hoffnung trog. Eine Bombe traf den Mütterkeller.
200 Mütter, Hebammen und Krankenschwestern starben in der Flammenhölle. 74 Babys wurden evakuiert, auf Pferdekarren aus der Stadt gebracht. Eines der Babys war Helga, die Schwester von Irene Bäger, geboren am 13. Februar 1945.
Am nächsten Morgen eilten die Großeltern mit Irene Richtung Frauenklinik, auf der verzweifelten Suche nach Tochter und Enkelkind. Die Klinik stand in Flammen.
Ich habe nur in die Augen meiner Großeltern gesehen. Ich selbst habe ja mit fünf Jahren nicht verstanden, warum die so entsetzt geschaut haben. Wir sind dann nur noch gelaufen. Kilometerweit.
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Irene Bäger
"Ich hatte dann ganz blaue Hände, weil sie mich so festgehalten hatten, damit ich nicht auch noch verloren gehe," so Irene Bäger, der es sichtlich schwerfällt, über das Erlebte zu sprechen.
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Schwester Helga überlebt
Die kleine Schwester Helga fanden sie irgendwann in Kreischa in einem behelfsmäßigen Lazarett. Da lagen 74 kleine Körper auf langen Tragen. Jedes Baby mit einem Bändchen um die Hand. Sie nahmen Helga mit. Froh, dass das Neugeborene das Inferno überlebt hatte.
Irene Bäger und ihre Schwester Helga stehen sich sehr nahe - auch, wenn sie Hunderte Kilometer trennen. Helga musste irgendwann mit dem kriegsversehrten Vater und der Stiefmutter nach Westdeutschland gehen, Irene wollte nie aus Dresden weg.
Sie hat versucht, ihr Trauma mit Hilfe von Ärzten aufzuarbeiten, aber jedes Jahr im Februar - wenn der Todestag der Mutter und der Geburtstag der Schwester auf einen Tag fallen - dann bricht alles wieder auf. "Das ist das Schlimme. Ich kann kaum mit meiner Schwester Geburtstag feiern. Ich kann an diesem Tag einfach keine Freude empfinden. Deshalb feiern wir immer nach. Denn ich kann leider nicht die Bilder löschen, die in mir drin sind," so Irene Bäger.
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Mahnung an die Gesellschaft von heute
Irene Bäger gibt dieses Interview unter Tränen. Sie möchte noch einmal darüber reden, weil sie die Generationen von heute wachrütteln will. Die politische Entwicklung mache ihr "unheimliche Angst", die Parallelen von damals und heute seien groß. "So viele Menschen jagen einem Trugbild nach und haben das alles nicht erlebt, was wir durchmachen mussten," so Bäger.
Irene Bäger schaut sich alte Fotos ihrer Familie an.
Quelle: Lucienne Hohm
"Ich höre noch immer diese aufputschenden Stimmen aus dem Radio von damals - und das ist jetzt manchmal wieder", sagt die 85-Jährige.
Ich habe Angst und möchte allen sagen, die jetzt glauben, es nicht ernstnehmen zu müssen: Hinterfragt es!
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Irene Bäger
Sie möchte nicht, dass ihre Kinder, Enkel und Urenkel das erleben müssen, womit sie ein ganzes Leben lang zu tun hat.
Jedes Jahr legt Irene Bäger mit anderen überlebenden Kindern Blumen nieder an einer Gedenktafel der ehemaligen Frauenklinik. "Als Dankeschön an die Muttis, die dort umgekommen sind."
Die sächsische Elbestadt Dresden ist im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört worden. Die alliierten Streitkräfte flogen zwischen dem 13. und 15. Februar 1945 vier Angriffe aus der Luft. Etwa 25.000 Menschen starben. Die erste Welle traf die Stadt am 13. Februar, kurz nach 22 Uhr. Bis zum 15. Februar folgten drei weitere Luftangriffe.
Wahrzeichen wie der barocke Zwinger und die Frauenkirche, das Residenzschloss und die Semperoper fielen in Schutt und Asche. Die Ruine der Frauenkirche blieb in der DDR-Zeit als Mahnmal stehen. Erst in den 1990er Jahren erfolgte der Wiederaufbau. Der Zerstörung Dresdens waren Bombenangriffe der Nationalsozialisten etwa auf Coventry und London mit mehreren Zehntausend Toten vorausgegangen. Quelle: epd
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