Wenige Software-Projekte des Bundes sind Open Source

    Exklusiv

    Kaum Open-Source-Projekte:FDP-Minister reißen eigenes Digital-Ziel

    Dominik Rzepka
    von Dominik Rzepka
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    Wenn der Bund neue Software in Auftrag gibt, soll sie eigentlich für alle offen sein. Die Ampel hat sogenannte Open-Source-Projekte versprochen. Doch die Realität sieht anders aus.

    Christian Lindner und Volker Wissing
    Digitalminister Volker Wissing und Finanzminister Christian Lindner (beide FDP): Softwareprojekte der FDP-geführten Ministerien sind nur ganz selten Open Source.

    "Digital first, Bedenken second": Es war ein großes Versprechen, mit dem die FDP 2017 in den Bundestagswahlkampf zog. Die Freien Demokraten wollten die Digitalisierung des Landes nach vorne bringen. Parteichef Christian Lindner posierte für das Wahlplakat in Schwarz-Weiß lässig mit iPhone-Kopfhörern.
    Seit 2021 ist die FDP nun Teil der Ampel-Koalition und stellt sogar den Digitalminister. Das Versprechen der Ampel seither: Wann immer der Bund neue IT-Projekte in Auftrag gibt, sollten diese für jede und jeden öffentlich einsehbar sein. SPD, Grüne und FDP schrieben "offene Standards" fest:

    Entwicklungsaufträge werden in der Regel als Open Source beauftragt, die entsprechende Software wird grundsätzlich öffentlich gemacht.

    Koalitionsvertrag der Ampel

    Damit ist gemeint, dass die Software transparent programmiert ist, der sogenannte Quellcode kann von Dritten oft auch bearbeitet werden. Prominentes Beispiel dafür war im Jahr 2020 die offen entwickelte Corona-Warn-App.
    Eine Hand tippt auf einer Tatstaur eines Laptops.
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    Ampel verfehlt eigenes Versprechen

    Doch ihr digitalpolitisches Versprechen hat die Ampel auch knapp drei Jahre nach Inkrafttreten des Koalitionsvertrags kaum umgesetzt. Und das liegt vor allem an den FDP-geführten Ministerien.
    So hat etwa das Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) seit Ende 2021 59 Software-Entwicklungsaufträge vergeben, davon aber nur drei als Open Source. Eine vollständige Open Source-Umsetzung ist laut einem Sprecher Lindners nicht immer möglich. "Hintergrund sind hier neben sicherheitsrelevanten Aspekten auch Softwarelizenz-Thematiken", so der Sprecher.
    Von den sechs Aufträgen des Forschungsministeriums von Bettina Stark-Watzinger (FDP) war kein einziger Open Source. Und das Digitalministerium von Volker Wissing (FDP) hat 542 Aufträge erteilt. Davon hatten aber nur drei offene Standards - also nur etwa ein halbes Prozent aller erteilten Aufträge.
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    Kritik vor allem an Digitalminister Wissing

    Das geht aus einer Kleinen Anfrage der Linken-Abgeordneten Anke Domscheit-Berg hervor, die ZDFheute vorliegt. Domscheit-Berg kritisiert:

    Erneut offenbart die Bundesregierung, dass ihr Versprechen im Koalitionsvertrag, Software im Regelfall als Open Source entwickeln zu lassen, mit der Praxis nichts zu tun hat.

    Anke Domscheit-Berg, Linke

    Der Programmiercode der vom Bund beauftragten Software sei insgesamt nur in drei Prozent der Fälle offen. So aber könne Deutschland nicht unabhängig werden von großen Softwarekonzernen wie Microsoft oder Oracle, für deren Software der Bund mehrere Milliarden Euro zahle, so Domscheit-Berg.
    Vor allem die Open-Source-Bilanz des Digitalministers sei mies: "Ob das an allgemeinem Desinteresse am Gemeinwohl, an einer Verachtung bestimmter Ziele des Koalitionsvertrages oder schlicht an grober Inkompetenz liegt, bleibt wohl Volker Wissings Geheimnis", sagt Domscheit-Berg.
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    Bundesregierung weist Kritik zurück

    Besser sehen die Zahlen im Gesundheitsministerium sowie im Innenministerium aus. Bei Letztgenanntem waren 57 von 369 erteilten Aufträgen offen. Und im Auswärtigen Amt wurden von 71 Aufträgen 19 als Open Source vergeben, also etwas mehr als jeder vierte. Das Landwirtschaftsministerium meldet sogar eine Open-Source-Quote von über 80 Prozent.
    Das zuständige Innenministerium weist vor diesem Hintergrund die Kritik zurück, den Koalitionsvertrag gebrochen zu haben:

    Die Bundesregierung fördert den Einsatz offener Standards und Open-Source-Software.

    Bundesinnenministerium

    Außerdem sei Open Source "lediglich ein Teil der Strategie zur Erreichung der Digitalen Souveränität", heißt es.
    Blick an langen Aktenregalen entlang, im Hintergrund, zwischen zwei Reihen, läuft eine Frau mit einem Aktenwagen.
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    Wissing verweist auf "Herausforderungen"

    Auch das Digitalministerium teilt mit, man setze sich grundsätzlich für Open-Source-Software ein. In der Praxis gebe es dabei aber "durchaus Herausforderungen".
    So stelle zum Beispiel Software im Bereich kritischer Infrastrukturen wie Flugverkehr "sehr hohe Anforderungen an die IT-Sicherheit, die nicht von allen Open-Source-Lösungen erfüllt werden", sagt ein Sprecher ZDFheute.
    Von den 542 Softwareaufträgen entfielen außerdem mehr als 500 auf den Deutschen Wetterdienst. "Hier gibt es sehr spezielle Anforderungen auch mit Blick auf die internationale Kompatibilität", heißt es aus Wissings Ministerium weiter.

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