Bundeswehr und Finanzpaket: Was die Truppe jetzt braucht

    Interview

    Sicherheitsexperte Schweppe:Was die Bundeswehr jetzt braucht

    |

    Die neuen Finanzierungsmöglichkeiten der Bundeswehr sind laut Sicherheitsexperte Christian Schweppe ein "großer Schritt zu mehr Sicherheit". Doch Herausforderungen blieben.

    Eine Gruppe von Soldaten der Deutschen Bundeswehr in Tarnuniformen stehen in Formation
    "Die Fehler beim ersten Sondervermögen waren exorbitant", sagt Sicherheitsexperte Schweppe (Symbolfoto).
    Quelle: Imago

    ZDFheute: Kann die Ermächtigung im Grundgesetz für einen potenziell unbegrenzten Wehretat die Ukraine retten?
    Christian Schweppe: Die neuen Verteidigungsausgaben werden zunächst einmal Deutschland und das Nato-Bündnis sicherer machen. Inwiefern auch mehr Ukraine-Hilfe möglich sein wird, muss die neue Bundesregierung beantworten. Zuletzt wurde hart um ein Hilfspaket von über drei Milliarden Euro gerungen, die zumindest sind nun freigegeben.
    ZDFheute: Es gab bereits seit 2022 ein sogenanntes Sondervermögen, das in Wahrheit Sonderschulden von 100 Milliarden Euro bis 2028 sind. Wo lagen da die Fehler?
    Schweppe: Die Fehler beim ersten Sondervermögen waren exorbitant. Munition durfte damit nicht gekauft werden, am Ende wurden damit etwa neue Waschmaschinen in Kasernen gekauft, was uns kein Stück verteidigungsfähiger macht. Plötzlich begann die Ampel-Koalition, den Betrieb und Alltagskosten der Bundeswehr mit dem Sondervermögen zu zahlen - das war schlicht dreist.

    Die Verwendung des neuen Sondervermögens muss deutlich transparenter werden.

    Christian Schweppe, Sicherheitsexperte

     Berlin: Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, spricht bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundesrat am Rednerpult. Die Länderkammer beschäftigt sich in ihrer Sitzung unter anderem mit der vom Bundestag beschlossenen Reform der Schuldenbremse als Voraussetzung für das geplante milliardenschwere Finanzpaket der zukünftigen Bundesregierung für Verteidigung, Infrastruktur, und Klimaschutzmaßnahmen. Berlin: Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie und stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, spricht bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundesrat am Rednerpult. Die Länderkammer beschäftigt sich in ihrer Sitzung unter anderem mit der vom Bundestag beschlossenen Reform der Schuldenbremse als Voraussetzung für das geplante milliardenschwere Finanzpaket der zukünftigen Bundesregierung für Verteidigung, Infrastruktur, und Klimaschutzmaßnahmen.
    Das milliardenschwere Paket für Verteidigung und Infrastruktur ist vom Bundesrat gebilligt worden. Den wohl künftigen Kanzler Friedrich Merz hat es politischen Kredit gekostet.21.03.2025 | 3:12 min
    ZDFheute: Ist dieses künftige kreditfinanzierte Sondervermögen jetzt die echte Zeitenwende?
    Schweppe: Die neue Zahlungskraft ist ein großer Schritt zu mehr Sicherheit, zur echten Zeitenwende. Ein Selbstläufer allerdings wird's nicht. Es braucht Schubumkehr in allen Bereichen, von allen Teilstreitkräften der Bundeswehr.

    Neue Geldquellen ersetzen jedenfalls nicht eine professionelle Sicherheitspolitik.

    Christian Schweppe, Sicherheitsexperte

    Christian Schweppe, aufgenomme am 02.12.2024
    Quelle: Imago

    ... ist Kenner der deutschen Sicherheitspolitik. Er hat die Zeitenwende kritisch beschrieben in seinem Buch "Zeiten ohne Wende" (C.H. Beck). Seit der richtungsweisenden Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz Ende Februar 2022 hat Schweppe zwei Jahre lang recherchiert, was der darin gesetzte Begriff "Zeitenwende" für konkrete Folgen hatte.

    Schweppe wertete geheime Papiere aus, spürte nach in Munitionsdepots der Bundeswehr und den Vorstandsetagen der Rüstungsindustrie. "Zweieinhalb Jahre später wird klar", so das Resümee im Buch: "Die Welt mag in einer neuen Zeit aufgewacht sein, die Bundeswehr ist es nicht."

    ZDFheute: Wo sollten die Waffen gekauft werden, damit auch Deutschland was davon hat?
    Schweppe: Neues Rüstungsmaterial sollte zuvorderst in Deutschland beschafft werden. Noch immer arbeitet die nationale Industrie aber im Manufakturmodus - während Russland allein 2024 etwa 1.500 Kampfpanzer produziert hat. Nur durch mehr Bestellungen der Bundeswehr können die notwendigen Serienproduktionen entstehen. Auch europäische Gemeinschaftsbestellungen helfen, unabhängiger zu werden.
    SGS Kubilius
    EU-Verteidigungskommissar Kubilius hat davor gewarnt, Geheimdienst-Warnungen nicht ernst zu nehmen. "Unsere Verantwortung ist es, uns um unsere eigene Verteidigung zu kümmern!" 19.03.2025 | 5:14 min
    ZDFheute: Welche Waffen sollten angeschafft werden?
    Schweppe: Rüstungsfirmen preisen jeweils ihre Produkte an. Nüchtern betrachtet ist es so: Es muss das gekauft werden, was die Bundeswehr in die Lage versetzt, dieses Land und das Bündnis wieder verteidigen zu können. Für Deutschland geht es vor allem um mehr Luftverteidigung und Drohnenabwehr - bislang gibt es sie nicht. Die Bundeswehr hat aktuell genau null bewaffnete Kampfdrohnen.
    ZDFheute: Was bringt das Sondervermögen, wenn es zu einem Friedensdeal käme?
    Schweppe: Viel. Auch ein Waffenstillstandsabkommen wird am imperialen Kurs Putins nichts ändern. Die Zeitenwende wird zur Generationenaufgabe und das Sicherheitsthema wird unser Leben noch viele Jahre prägen, leider.

    Deal hin oder her. Better safe than sorry.

    Christian Schweppe, Sicherheitsexperte

    ZDFheute: Wird Deutschland den Wiederaufbau der Ukraine mitfinanzieren müssen?
    Schweppe: Deutsche Hilfsorganisationen, Vereine, selbst kleine Gemeinden haben in der Ukraine seit Kriegsbeginn Bemerkenswertes geleistet, Feuerwehrautos gespendet oder für Schulen kindgerechte Bomb-Shelter gebaut. Der Wiederaufbau wird irgendwann auch in Berlin ein Thema werden. Natürlich besteht die Gefahr, dass man sich dabei übernimmt, dennoch hat Deutschland eine gewisse Verantwortung.
    Ein Kolonne mit Fahrzeugen der Bundeswehr und schwer bewaffneten Soldaten fährt über eine Straße im Norden von Hannover.
    Die Bundeswehr sucht dringend Personal und setzt auf zivile Reservisten. Eine neue Division soll bei Krisen oder Naturkatastrophen helfen.22.03.2025 | 1:34 min
    ZDFheute: Wird die Ukraine es in die Nato schaffen?
    Schweppe: Vorerst sehr unwahrscheinlich. Die USA waren zuletzt immer klar dagegen, schon unter Präsident Biden. Genauso Deutschland unter Kanzler Scholz. Bei meinem letzten Besuch im Nato-Hauptquartier wurde sehr klar, dass dies derzeit nicht zur Debatte steht. Formal ist es so, dass eine aktive Kriegspartei per se nicht dem Bündnis beitreten kann.
    ZDFheute: Und in die EU?
    Schweppe: Schon wahrscheinlicher, die EU bekräftigt bei jeder Gelegenheit, wie eng sie an der Seite von Präsident Selenskyj steht. Aber wenn das Land in die EU will, muss die Korruption beendet werden. Jeder, der Informationen über Korruptionsfälle hat, sollte die melden oder öffentlich machen. Um die Ukraine zu stärken.
    Das Interview führte Jasmin Astaki-Bardeh.

    Icon von whatsapp
    Quelle: dpa

    Sie wollen auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie beim ZDFheute-WhatsApp-Channel richtig. Hier erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Zur Anmeldung: ZDFheute-WhatsApp-Channel.

    Mehr zur europäischen Verteidigung