CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble ist tot

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    Langjähriger CDU-Abgeordneter:Wolfgang Schäuble mit 81 Jahren gestorben

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    Niemand war so lange Mitglied des Bundestags. Er hat oft angeeckt, nicht nur politisch. "Nicht ganz pflegeleicht", sagte er von sich selbst. Nun ist Wolfgang Schäuble gestorben.

    Wolfgang Schäuble am 23.06.2021 in Berlin
    Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist im Alter von 81 verstorben.27.12.2023 | 14:28 min
    Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist tot. Der CDU-Politiker starb nach langer schwerer Krankheit, die ihn aber nicht davon abhielt, noch bis vor Weihnachten in die Sitzungen des Bundestags zu kommen. Er sei im Kreise seiner Familie zu Hause am Dienstagabend gegen 20 Uhr friedlich eingeschlafen, teilte die Familie mit.
    Vergangenes Jahr wurde er für fünf Jahrzehnte Parlamentszugehörigkeit vom Bundestag geehrt. Doch zu viel Gewese um seine Person war dem Christdemokraten eher suspekt. Er wusste, dass er mit seiner Persönlichkeit und seiner Politik oft angeeckt hatte. "Nicht ganz pflegeleicht" sei er, das sagte Schäuble von sich selbst.
    Schäuble zählte Jahrzehnte lang mit Tatkraft und Lust an der intellektuellen Debatte zu den prägenden Gestalten der deutschen Politik. Vergangenes Jahr zog er sich schließlich aus der ersten Reihe zurück.
    A condolence book and a portrait photo showing former German Parliament Bundestag president Wolfgang Schaeuble, next to a bouquet of flowers and a candle, are set up at the Konrad Adenauer Haus, the headquarters of the Christian Democratic Union (CDU) party, on the occasion of the announcement of Schaeuble's death in Berlin, Germany, 27 December 2023.
    Der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Er war CDU-Parteichef, Minister, Bundestagspräsident und prägte über Jahrzehnte die deutsche Bundespolitik.27.12.2023 | 3:07 min

    Schäubles Vermächtnis: Forderung nach effizienter und bürgerfreundlicher Politik

    "Mit ungebetenen Ratschlägen will ich mich wirklich zurückhalten, so habe ich es mir in meiner durch Alters- und Mandatszeit begründeten Sonderrolle vorgenommen", sagte Schäuble in einer seiner selten gewordenen Plenarreden - um dann in Schäuble-typischer Manier doch noch einen Ratschlag hinterherzuschieben.
    Der deutsche Staat sei "fast schon handlungsunfähig" geworden und gleiche dem "gefesselten Riesen Gulliver", sagte Schäuble.
    Nicht weniger als eine "grundlegende Neuordnung" der Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Kommunen schlug der 81-Jährige vor, um die politische Arbeit effizienter und bürgerfreundlicher zu machen - das Vermächtnis eines Parlamentsveteranen, der zum Ende seiner politischen Karriere wieder einfacher Abgeordneter des Bundestags war.

    14 Mal das Direktmandat für Schäuble

    Wolfgang Schäuble war der mit Abstand am längsten dienende Parlamentarier der Bundestagsgeschichte. 14 Mal hat er seinen badischen Wahlkreis Offenburg direkt gewonnen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), die in dem Amt auf ihn folgte, sagte bei seiner Ehrung vergangenes Jahr:

    Das ist einmalig in der gesamten Geschichte des deutschen Parlamentarismus, das ist eine Ära.

    Bundestagspräsidentin Bärbel Bas

    Bei seinem Bundestagsdebüt im Jahr 1972 wäre es noch völlig undenkbar gewesen, als Mann ohne Krawatte im Plenum aufzutauchen, erinnerte sich Schäuble damals. Die Niederlage seiner CDU bei der Bundestagswahl 2021 durchkreuzte seinen Plan, eine weitere Amtszeit als Bundestagspräsident zu absolvieren.
    Vivian Perkovic
    Wolfang Schäubles Buch "Grenzerfahrungen": Ein Buch der Gespräche über Grenzen des Wachstums, Generationengerechtigkeit und Identitätspolitik - Tipp von Vivian Perkovic.01.06.2021 | 1:39 min

    Kaum ein Posten, den Schäuble nicht bekleidet hat

    Die Umstände seines Abschieds aus der ersten Reihe waren schmerzhaft: Das Debakel mit dem CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet hatte auch Schäubles Ruf in der Partei beschädigt. Manch ein Christdemokrat lastete ihm an, dass er als graue Eminenz der CDU den glücklosen Laschet zu einer aussichtslosen Kanzlerkandidatur gedrängt habe.
    Dass Schäuble nicht selbst auch Bundeskanzler oder Bundespräsident wurde, zählt zu den enttäuschenden Momenten im Leben des gelernten Juristen. Stattdessen musste Schäuble mit ansehen, wie die von ihm geförderte Angela Merkel an ihm vorbeizog und schließlich Bundeskanzlerin wurde.
    Ansonsten gab es aber kaum einen wichtigen Posten, den Schäuble in seiner langen Karriere nicht bekleidet hat: Er war Chef des Bundeskanzleramts, Innenminister, Fraktionschef, CDU-Vorsitzender, Finanzminister und schließlich Parlamentspräsident.

    Prägendes Ereignis: das Attentat 1990

    Bei den großen Themen der vergangenen Jahrzehnte - Wiedervereinigung, Euro-Krise, Polarisierung in der Corona-Pandemie - wirkte Schäuble an prägender Stelle mit. Eines der großen Themen dieser Tage, den Ukraine-Krieg, kommentierte der überzeugte Europäer Schäuble nur mehr von der Seitenlinie - mit spürbarer Besorgnis.
    Das prägendste Ereignis für Schäuble war wohl das Attentat auf den damaligen Bundesinnenminister im Oktober 1990. Wenige Tage nach der Wiedervereinigung wird Schäuble von einem geistig verwirrten Mann angeschossen - seither ist er auf den Rollstuhl angewiesen. Ein Einschnitt, der seine Karriere aber nicht beendet. Überliefert ist, dass Schäuble sich noch im Krankenbett Akten von seiner Frau Ingeborg vorlesen lässt.
    Dass ihn seine hohen Ämter haben einsam werden lassen, nahm Schäuble nach eigenem Bekunden in Kauf. "Ich habe mir ein mürrisches Gesicht angewöhnt", sagte er 2021 der ARD.

    Wenn ich ein mürrisches Gesicht aufsetze, dann erspart mir das 90 Prozent aller Gespräche.

    Wolfgang Schäuble (CDU), Bundestagspräsident von 2017 bis 2021

    Quelle: dpa, AFP
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