Wohnungsnot in Deutschland: Was die Baubranche fordert
Wohnraum-Mangel:Neue Regierung: Was die Baubranche fordert
von Stefan Schlösser
|
Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit. So haben es in der Vergangenheit zumindest zahlreiche Politiker gesagt. Doch es werden seit Jahren viel zu wenige neue Wohnungen gebaut.
Die schlechten Nachrichten aus der Bauwirtschaft sind auch im vergangenen Jahr nicht abgerissen. Doch mittlerweile ist die Inflation gesunken: Die Bauwirtschaft könnte wieder loslegen. Bringt 2025 die lang ersehnte Verbesserung?02.01.2025 | 2:00 min
Die Ampel-Regierung wollte mit einem eigenen Bauministerium dagegenhalten. Die zuständige Ministerin Klara Geywitz (SPD) sollte das ehrgeizige Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr umsetzen. Und ist krachend gescheitert. Mit gerade mal 250.000 Einheiten ist 2024 zu rechnen, noch weniger als in den Vorjahren, Tendenz weiter sinkend.
Genehmigungsverfahren sollten beschleunigt werden, mehr Digitalisierung, serielles Bauen, weniger Bürokratie. Fazit nach drei Jahren: "Realisiert von den vielen Ideen wurde nichts", bringt es Thomas Reimann auf den Punkt. Er leitet ein Bauunternehmen in Frankfurt mit 100 Mitarbeitern und ist zugleich Präsident des Verbandes baugewerblicher Unternehmer. "Es wurde chaotisch kommuniziert. Das sorgte für Verunsicherung, da sprangen uns Investoren ab. Das hat Wohnraum gekostet."
Der Wohnungsbau in Deutschland stagniert weiter. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der neu gebauten Wohnungen im Vergleich zum Vorjahr 0,3 Prozent gesunken. 23.05.2024 | 1:23 min
Bürokratie: 16 verschiedene Landesbauordnungen
Förderprogramme wurden über Nacht eingestampft. Für eine Branche, die über Jahre plant, ein massiver Schlag. Längst sind es nicht nur die hohen Baukosten und die rasant gestiegenen Bauzinsen. Vieles ist hausgemacht. Es gibt allein 16 verschiedene Landesbauordnungen, ein Wust an Vorschriften. In Hessen darf eine Garage drei Meter hoch sein. Im angrenzenden Rheinland-Pfalz 3,20 Meter.
Die Anzahl der Autostellplätze ist meist von den Kommunen vorgegeben. Ein Tiefgaragenplatz kostet bis zu 50.000 Euro. Das allein macht eine durchschnittliche Wohnung im Ballungsraum zehn Prozent teurer. Viele Plätze bleiben ungenutzt, weil etliche Mieter in der Stadt auf ein Auto verzichten.
Gefeiert von der Politik, sollte die Mietpreisbremse dafür sorgen, dass vor allem in Großstädten die Mieten nicht mehr so schnell steigen. Doch vielerorts verfehlt sie ihr Ziel.08.10.2024 | 8:07 min
Anforderungen in Deutschland machen Bauen enorm teuer
Die Anforderungen an Brandschutz, Schallschutz, an Energieeffizienz - in Deutschland wird der Goldstandard verbaut. Kann man machen, macht das Bauen aber enorm viel teurer:
"Wir sprechen seit dreieinhalb Jahren über Deregulierung. Aber wir setzen sie nicht um. Die Auflagen, die wir heute in der Bauwirtschaft haben, machen den Wohnungsbau teuer", sagt Thomas Reimann. Hier könnte man schnell und unkompliziert ansetzen.
Die von der Ampel geplante Verlängerung der Mietpreisbremse liegt jetzt auf Eis. Und die größten Immobilienkonzerne erklären, dass sie von steigenden Mieten ausgehen.28.11.2024 | 1:34 min
Mieterbund: Problem in der Mitte der Gesellschaft
Wohnen ist eine soziale Frage. Steigende Mieten und Nebenkosten treiben immer mehr Menschen in die Armut. "Sie zahlen 40 oder sogar 50 Prozent ihres Nettohaushaltseinkommens für die Miete. Und das ist natürlich viel zu viel", warnt Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes. Und es treffe nicht nur die Ärmsten.
Besserung nicht in Sicht, für 2025 rechnet die Branche mit deutlich weniger als 200.000 Wohnungen. Noch weiter steigende Mieten, wenn das so weitergehe, befürchtet Siebenkotten, "dass wir bis hin zu sozialen Unruhen eine immer stärkere Spannung erleben müssen. Das kann richtig explodieren."
Der Traum vom Eigenheim, vielleicht mit Garten: Wer kann sich das noch leisten? Oder die Stadtwohnung für die Familie ohne Kompromisse. Ganz normal wohnen – warum geht das für viele nicht mehr?15.08.2024 | 43:05 min
Düstere Aussichten. Eine neue Regierung hat also beim Thema Wohnen eine große Aufgabe vor sich. Die Bauwirtschaft könnte ohne Probleme 400.000 Wohnungen pro Jahr bauen, die Kapazitäten sind vorhanden. Dafür brauche es aber stabile politische Rahmenbedingungen.
"Wir rechnen 2025 mit einem weiteren Krisenjahr", sagt Peter Jökel. Zusammen mit seinem Bruder leitet er seit über 20 Jahren das gleichnamige Bauunternehmen im hessischen Schlüchtern. 160 Mitarbeiter finden hier Arbeit, alles modern aufgestellt. Im abgelaufenen Jahr ist der Umsatz um 30 Prozent eingebrochen. "Wir brauchen eine Politik, die Förderprogramme verlässlich, auskömmlich und planbar gestaltet und Maßnahmen einleitet, dass wir nicht noch weitere Baukostensteigerungen bekommen."
Es werden noch Monate vergehen, bis eine neue Regierung überhaupt die Arbeit aufnimmt. Und fraglich ist, ob der Wohnungsbau dann die Priorität bekommt, die er eigentlich verdient.
Stefan Schlösser arbeitet im ZDF-Landesstudio Hessen.
Quelle: ZDF
Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.