Geywitz legt Aktionsplan vor:Ohne mehr Geld zu weniger Wohnungslosen
von Kristina Hofmann
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Bis 2030 soll die Obdach- und Wohnungslosigkeit verschwinden. Mit einem Aktionsplan soll das gelingen. Doch das wird schwer: Die Zahl Wohnungsloser hat sich mehr als verdoppelt.
Die Bundesregierung möchte bis 2030 mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und dafür sorgen, dass jeder Wohnungslose eine Wohnung bekommt. Wie das aber gelingen soll, bleibt unklar. 24.04.2024 | 1:42 min
Wer könnte da widersprechen: "Die Überwindung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit ist eine der größten gesellschaftlichen Aufgaben unserer Zeit." Das sagt Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), die an diesem Mittwoch einen Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung gegen Wohnungslosigkeit vorstellt. Bis 2030 soll das gelingen, also in fünfeinhalb Jahren.
Der Plan sei "ein Anfang für den Bund". Die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit sei "sehr komplex" und die Ursachen "so vielfältig, wie es Wohnungslose gibt", so Geywitz. Es müssten deswegen weitere jährliche Aktionspläne folgen.
Kein zusätzliches Geld für Wohnungsbau
Zusätzliches Geld ist jedoch erst einmal nicht vorgesehen. Das Ziel soll durch diese, zum Teil bereits begonnenen Maßnahmen erreicht werden:
- Mehr bezahlbarer Wohnraum durch mehr Sozialwohnungen - dafür gibt der Bund zwischen 2022 und 2027 18,15 Milliarden Euro aus.
- Ein eigenes Wohnungsbauprogramm soll es für Auszubildende und Studierende geben - 2024 und 2025 fördert das der Bund mit jeweils 500 Millionen Euro.
- Eine Reform des Wohngeldes ist geplant, um Menschen bei Mietkosten zu entlasten und Mietschulden zu vermeiden.
- Für die Unterbringung in Notunterkünften soll es Standards geben.
- Der Aufbau einer Bundeskompetenzstelle ist vorgesehen, um Initiativen besser zu vernetzen und Informationen zu bündeln.
- Das Prinzip Housing-first, wonach Wohnungslosen eine Unterkunft plus begleitende Hilfen zur Verfügung gestellt wird, soll gestärkt werden.
- Frauenhäuser sollen stärker gefördert werden.
- Der Bund gibt 790 Millionen Euro für Städtebauförderung, um "das gute Miteinander zu stärken".
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Seit dem Frühjahr 2023 haben sich mehrere Ministerien des Bundes, die Bau- sowie Sozialminister der Länder, kommunale Verbände und Initiativen für Wohnungslose zusammengeschlossen und an dem Plan geschrieben. Er wird, so heißt es in dem Papier, "nur zum Ziel führen, wenn sich möglichst viele Akteure gemeinsam auf den Weg zu dessen Realisierung begeben".
Zahl der Wohnungslosen mehr als verdoppelt
Und noch etwas dürfte die Umsetzung des Planes erheblich erschweren: Auf den Markt der ohnehin zu wenigen bezahlbaren Wohnungen drängen mehr Menschen. Die Zahl der Wohnungs- und Obdachlosen hat sich zwischen 2022 und 2023 mehr als verdoppelt. Waren laut dem Aktionsplan mit Quelle Statistischem Bundesamt 178.100 Menschen wohnungs- und obdachlos, waren es zum Stichtag Anfang 2023 bereits 380.000 Menschen.
Darunter fallen alle Menschen, die sich nicht selbst eine Wohnung leisten können oder keinen eigenen Mietvertrag haben. Sie sind zum Beispiel in Notunterkünften untergebracht, sind bei Verwandten oder Bekannten untergekommen oder leben dauerhaft auf der Straße.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe geht von weit höheren Zahlen aus. Sie schätzt, dass derzeit etwa 600.000 Menschen wohnungslos sind, etwa 50.000 von ihnen leben demnach auf der Straße.
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So oder so: Warum die Zahl der Menschen ohne eigene Wohnung sich massiv erhöht hat, liegt laut Aktionsplan zum einen daran, dass die Datenmeldung generell besser geworden sei, es gebe eine bessere "Statistikdurchführung", heißt es. Allerdings spielt auch die Migration eine Rolle: Die Zahl der Zugewanderten ist gestiegen. Knapp ein Drittel der wohnungslosen Menschen im Jahr 2023 stammen aus der Ukraine. Und damit sind diejenigen, die bei Privatleuten untergekommen sind, noch nicht erfasst.
Kritik von allen Seiten: Wichtiger Schritt, aber ...
Die Euphorie über den Plan ist verhalten. Viele Kritiker erkennen an, dass es diesen Plan und das Ziel, die Wohnungslosigkeit zu bekämpfen, gibt. Allerdings könne das nur der erste Schritt sein. Michael Groß, Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtsverbände, fordert "eine konsequente und schnelle Umsetzung". Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, mahnt die Koalition, nun auch die dafür nötigen Maßnahmen im Miet-, Boden- und Bauplanungsrecht "endlich umzusetzen".
Von einem "politischen Meilenstein" spricht Timo Weishaupt, Soziologe an der Georg-August-Universität in Göttingen. Um Wohnungslosigkeit bis 2030 abzuschaffen, brauche es aber "eine weitere Konkretisierung der Verantwortlichkeiten für die Umsetzung", sagte er zu ZDFheute. So etwa die im Koalitionsvertrag vereinbarte Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau und "eine auskömmliche Finanzierung".
Grüne bestehen auf Koalitionsvertrag
Auch innerhalb der Ampel-Koalition ist der Plan nicht unumstritten. "Dieser Nationale Aktionsplan ist ein wichtiger Schritt, aber nur der erste", so Hanna Steinmüller, baupolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen müsste abgesenkt werden, "wie im Koalitionsvertrag vereinbart", fordert Steinmüller im ZDF. Eigentlich hatte man sich auf eine Begrenzung von elf Prozent in drei Jahren geeinigt.
Außerdem, so Steinmüller, solle die Schonfristzahlung neu geregelt und mehr Geld in bezahlbares Wohnen und Housing-first-Projekte gesteckt werden.
Hauptproblem bei allem dürfte jedoch sein: das Thema Geld. Die Haushaltsberatungen innerhalb der Bundesregierung haben gerade erst begonnen. Mehr Geld für Sozialausgaben dürfte laut dem von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ausgegebenen Sparkurs für Sozialausgaben kaum zu erwarten sein. Und schon jetzt fehlen laut dem Bauforschungsinstitut Arge 800.000 - bezahlbare - Wohnungen.
Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner sagt es am Mittwoch so: "Der Bundesregierung ist klar, dass ein Aktionsplan nicht ausreicht." Weitere Anstrengungen seien "auf allen Ebenen" nötig.
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