Interview
Generationenfrage Wohnen:Zerplatzt der Wohntraum junger Deutscher?
von J. Bergmann, S. Schröder, K. Liesenfeld und E. Schulz
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Die Traumwohnung, das Traumhaus - für viele junge Erwachsene eine Illusion. Wer kann sich das heute noch leisten? Warum das Thema Wohnen Deutschlands Dauerbaustelle ist.
Ob kleines Häuschen oder schicke Stadtwohnung - wie auch immer das Wohnglück nun genau aussehen soll: Von den jungen Deutschen unter 25 Jahren träumen 74 Prozent davon, in den eigenen vier Wänden zu leben.
Doch wer kann heute noch so wohnen wie er will? Andrea und Martin Höllein aus dem bayerischen Coburg "haben wirklich lange gesucht - über vier, fünf Jahre".
Und haben uns dann dazu entschlossen, so eine Art Brandbrief an unseren Bürgermeister zu schreiben, ob es nicht die Möglichkeit gäbe, ein Neubaugebiet zu erschließen. Wir waren wirklich verzweifelt.
Andrea und Martin Höllein, Hausbauer
Hausbauer: Kredite inzwischen nicht mehr "hinterher geschmissen"
Ihre Beharrlichkeit hat sich letztlich ausgezahlt: Zwei Jahre nach der Protestaktion hat die Stadt neue Bauplätze angeboten - und die Hölleins bekamen eines der begehrten Grundstücke. Noch ist einiges zu tun und vieles müssen die beiden selbst machen, um Geld zu sparen.
Bis vor eineinhalb Jahren hast du ja einen Kredit hinterher geschmissen bekommen. Und genau als wir das Geld gebraucht haben, hat sich das gedreht.
Andrea und Martin Höllein, Hausbauer
Ist es heute tatsächlich schwerer, sich den Traum von den eigenen vier Wänden zu erfüllen? Vor knapp 50 Jahren haben Andreas Eltern nur wenige Kilometer entfernt ebenfalls ein Haus gebaut.
Vater Theo erinnert sich: "In meiner Generation haben sehr viele gebaut. Heute muss man Bodenproben machen, da muss eine Statik her. Das ist alles mit Kosten verbunden. Ich denke mal, heute ist es fast schwieriger."
Ist Wohneigentum heute teurer als früher?
Auf der einen Seite ist es wirklich schwieriger. Die Nebenkosten sind mit rund 12 Prozent heute deutlich höher. Außerdem liegt der von Banken geforderte Eigenkapitalanteil gegenwärtig zwischen 20 und 30 Prozent. In der Vergangenheit war hier der Ermessensspielraum größer.
Auch die Bauanforderungen waren früher weniger umfangreich und Kosten für entsprechende Materialien niedriger. So hat sich etwa der Preis für Baukies allein in den letzten zehn Jahren verdoppelt.
Auf der anderen Seite sind einige Kosten auch geringer als früher - etwa die Zinsen auf Immobilienkredite. Die liegen heute bei drei bis vier Prozent, beliefen sich Ende der 80er Jahre auf etwa neun Prozent. Und auch der Reallohn ist seit Anfang der 90er Jahre deutlich gestiegen.
Unter dem Strich kommt das Institut der deutschen Wirtschaft zu dem Schluss: Wohneigentum ist heute deutlich günstiger als früher.
Traum vom Eigenheim oft nicht realisierbar
Trotzdem ist das Eigenheim mittlerweile für weniger Menschen realisierbar. Fertighaus-Verkäufer Falk Stiefenhofer sagt: "Die letzten Jahre hat der Zinssatz das Bauen relativ einfach gemacht." Nun würden seine Baufamilien mehr aufs Geld schauen müssen.
Heute kann sich nicht mehr jeder den Traum erfüllen.
Falk Stiefenhofer, Fertighaus-Verkäufer
Und wenn, dann müsse deutlich kompakter gebaut werden als früher: "Nicht mehr 50, 60 Quadratmeter Wohnzimmer, sondern 20 Quadratmeter funktionell aufgebaut. Wenn ich fünf Quadratmeter sparen kann an jedem Raum, macht das in der Gesamtheit sehr, sehr viel Geld aus", erklärt Stiefenhofer.
Hilft der neue Gebäudetyp E?
Hohe Baukosten und viele Vorgaben - dass das ein Problem ist, hat die Politik erkannt: "In Deutschland ist das Eigentum sehr teuer geworden, dass es mit einem normalen Einkommen enorm schwierig geworden ist, über viele Jahrzehnte eine Wohnung abzubezahlen, und deswegen muss der Bau günstiger werden", sagt etwa Finanzminister Christian Lindner (FDP) gegenüber dem ZDF.
Mit dem neuen Gebäudetyp E will die Bundesregierung die Bau-Vorgaben so weit herunterschrauben, dass zwar alle Sicherheitsstandards eingehalten werden, der Hausbau aber trotzdem deutlich vereinfacht wird: weniger Steckdosen, dünnere Zwischendecken oder keine Keller und Balkone - so soll günstiger und mehr gebaut werden können. In Bayern laufen schon Pilotprojekte zum Gebäudetyp E, 15 weitere Bundesländer müssen noch folgen.
Klar ist: Bauen ist in Deutschland aktuell noch viel zu bürokratisch, zu teuer, zu langwierig. "Einfach nur wohnen" - das klingt so simpel, ist aber für viele der jungen Generation aktuell unheimlich schwierig.
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