Volker Wissing, der Überzeugungstäter

    Analyse

    Minister verlässt FDP:Volker Wissing, der Überzeugungstäter

    Nicole Diekmann
    von Nicole Diekmann
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    Eigentlich gehört Volker Wissing nicht zu den Lauten in der Bundesregierung. Doch nun tritt er aus der FDP aus und bleibt Minister. Was hat ihn dazu bewogen?

    Nach dem Bruch der Ampel-Koalition
    Nach dem Aus der Ampel-Koalition tritt Volker Wissing aus der FDP aus und bleibt Verkehrsminister. Das ganze Statement im Video.07.11.2024 | 7:02 min
    Beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, in diesen Tagen für Breaking News zu sorgen: Donald Trump geht als klarer Sieger aus der US-Wahl hervor; der Kanzler schmeißt Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner raus und tritt in einer beispiellosen Wutrede nach; Lindner revanchiert sich postwendend - die Latte für Aufmerksamkeit liegt hoch in diesen Chaostagen. Volker Wissing aber ist es gelungen: Er hat sie gerissen. Dabei gehört der Verkehrs- und nun auch Justizminister, der gleichzeitig scheidendes FDP-Mitglied ist, nicht zu den Lauten.

    Wissing nicht an Krawall interessiert

    Wissing gilt als pragmatisch, umgänglich und gradlinig. Wer ihn in den vergangenen drei Jahren traf, erlebte einen an Krawall und markiger Außenwirkung maximal uninteressierten Minister, der im Zweifel aber auch gegen Widerstände aus den eigenen Reihen für seine Überzeugungen eintrat. Und einen Minister, dessen Aufgabenbereich es ihm dabei nicht einfach machte.
    Neuwahlen
    Nach dem Scheitern der Ampel-Koalition kündigte Bundeskanzler Scholz für Januar die Vertrauensfrage im Bundestag an. Somit will er den Weg für vorgezogene Neuwahlen ebnen.07.11.2024 | 1:58 min
    Das leidige und die komplette Republik (zu Recht) erzürnende Thema "Deutsche Bahn". Präziser: die in weiten Teilen dysfunktionale, unzuverlässige, verlachte bis gehasste Deutsche Bahn, in die gleichzeitig unter Klimaschutzaspekten sehr viel mehr Hoffnungen investiert werden statt bitter nötigen Geldes.

    Sorgenkind Digitalisierung

    Und als wäre das nicht schon genug, fällt auch das Sorgenkind namens "Digitales" in Wissings Aufgabenbereich. Seine FDP hatte schon lange vor und noch im Wahlkampf ein eigenständiges Digitalministerium gefordert. Daraus wurde bekanntlich nichts.
    Die Grafik zeigt den Weg von der Vertrauensfrage zu Neuwahlen: Scheitert der Kanzler mit der Vertrauensfrage im Bundestag, kann der Präsident innerhalb von 21 Tagen das Parlament auflösen. Innerhalb von 60 Tagen müssen dann Neuwahlen stattfinden.
    Und die Begründung steht symptomatisch für den jahrzehntelangen Umgang sämtlicher Regierungen seit Helmut Kohl mit der Digitalisierung: Man finde kein geeignetes Gebäude für ein Ministerium im Berliner Regierungsviertel, lautete die sehr analoge und entlarvende Begründung dafür, dass diese Pläne nach der Wahl schnell wieder Makulatur waren.
    korte
    Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ist nach knapp drei Jahren im Amt gescheitert. Das Ende der Ampel war "die logische Konsequenz", so Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte.07.11.2024 | 5:07 min

    Wissing nicht bester Freund der Grünen

    Digitales, Bahn und Verkehr - drei Brocken, mit denen sich kaum etwas gewinnen lässt. Zum Beispiel Herzen. Zumal in einer gemeinsamen Regierung mit den Grünen; aber auch, wenn man wie Wissing die Sache im Zweifel auch über die eigene Partei stellt. Wissings Ressort riss die sogenannten Sektorziele.
    Die Sektorziele gehören zum Klimaschutzfahrplan Deutschlands, wonach einzelne definierte Ressorts bestimmte Grenzwerte einhalten müssen. Beim Verkehr gelang das nicht. Tempolimits aber waren mit den Liberalen nicht zu machen, Wissing blieb stur, und so wurden letztendlich die Bedingungen für die Sektorziele geändert. Um es freundlich zu formulieren: Zum besten Freund der Grünen wurde Wissing dadurch nicht. Titulierungen als "Klimaschutzverhinderungsminister" zeugen davon.
    thorsten-frei
    Nach dem Ende der Ampel-Koalition fordert die Union zügige Neuwahlen. "Die Vertrauensfrage kann man gleich nächste Woche stellen", so CDU-Politiker Thorsten Frei. 07.11.2024 | 3:58 min
    Auch der Tankrabatt brachte den Koalitionspartner gegen die FDP und ihren zuständigen Minister auf: die Steuererleichterung für Sprit und Diesel nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine 2022. Gleichzeitig aber kämpfte Wissing für das Deutschlandticket, und konnte dabei nicht eben auf große Unterstützung aus der eigenen Partei zählen - freundlich formuliert. Da rundet es das Bild von Wissing nur ab, dass er zum großen Ärger der Ampelpartner das Verbrennerverbot kippte.

    Regieren als Dienstleistung

    Wissing, der Überzeugungstäter, der nicht unbequem wird um des bloßen Unbequem-Sein-Wollens, diesem Image blieb er bis zum Aus der Ampel und auch konkret in dieser Frage treu: Anfang November veröffentlichte er in der FAZ einen Gastbeitrag. Die Überschrift: nüchtern und glasklar - "Ein Rückzug aus der Koalition wäre respektlos vor dem Souverän".
    torsten-herbst
    Die Ampel-Koalition ist nach knapp drei Jahren im Amt gescheitert. "Wenn es gemeinsam in der Koalition nicht mehr geht, ist es besser, sich dem Wählervotum zu stellen", so der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Torsten Herbst.07.11.2024 | 3:29 min
    Darin nennt Wissing das Regieren eine "Dienstleistung" und schreibt: "Der Auftrag, den die Wählerinnen und Wähler uns erteilt haben, lautet nicht, hundert Prozent der jeweils eigenen Vorstellung umzusetzen. Er lautet viel mehr: Beteiligt euch, bringt euch mit euren Werten ein und seid ein konstruktiver Teil der Regierung, die insgesamt ein Mandat erhalten hat."

    Jetzt kann man sich über die Wähler ärgern, weil sie auch andere legitimiert haben. Man kann sich zurückziehen und sagen: Da mache ich nicht mehr mit. Doch das wäre respektlos.

    Volker Wissing in FAZ-Gastbeitrag

    Nach 26 Jahren verlässt Wissing die FDP

    Eine Nachricht, in dieser Phase der Ampel schon direkt an seine eigene Partei gerichtet: Da ließ die FDP und allen voran ihr Vorsitzender Christian Lindner kaum noch eine Gelegenheit aus, fast schon spielerisch ein mögliches Ausscheren aus der Ampel anzudeuten, ohne konkret zu werden.
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    Nach dem Bruch der Ampel-Regierung fordert die AfD-Fraktionschefin Alice Weidel einen schnellen und grundlegenden Neuanfang. "Wir sind perfekt vorbereitet. Wir haben uns auf dieses Szenario vorbereitet", so Weidel.07.11.2024 | 4:52 min
    Nun ist er also da, der Bruch - wenn auch anders, als gedacht. Und er ist immer noch da: Volker Wissing bleibt Minister, verlässt statt der Koalition lieber nach 26 Jahren seine FDP. Ausgerechnet Wissing, der die Euphorie dieser gescheiterten Koalition in einem Bild festhielt: Das berühmte Selfie, das Wissing, Lindner, Annalena Baerbock und Robert Habeck zeigt, hat Wissing geschossen. Er hat den Arm ausgestreckt - mit dem Handy in der Hand für das Foto, das sehr schlecht gealtert ist.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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