Weidel-Forderung: Windräder wieder abbauen? - Die Folgen
Forderung von Alice Weidel:Windräder wieder abbauen? Das sind die Folgen
von Nils Metzger, Florian Neuhann
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Alice Weidel wettert gegen Windkraft und fordert einen Rückbau von Windrädern. Das hätte massive Folgen für Verbraucher und den Energiemarkt. Die Branche warnt vor Enteignungen.
Windräder sind inzwischen die wichtigste Stromquelle in Deutschland. Ein Windrad in Bayern. (Symbolbild)
Quelle: dpa
Dass die AfD kein Fan von Windkraftanlagen ist, ist keine neue Erkenntnis. Dennoch schlagen Aussagen der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel gerade Wellen. Auf dem Parteitag in Riesa hatte sie am Wochenende gefordert:
Fordert Weidel damit eine komplette Abkehr von der Windenergie in Deutschland? Sie machte 2024 ein Drittel der Stromerzeugung aus und war damit die wichtigste Stromquelle.
Das Wort „Remigration“ werde „von außen verschwurbelt“, sagt AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel. Das Parteiprogramm sei ein „gutes Fundament für unser Land“.12.01.2025 | 10:10 min
Welche Windräder meint Weidel?
Nach heftiger Kritik wollte Weidel ihre Forderung nur auf den Reinhardswald in Hessen bezogen wissen, wo aktuell 18 neue Windräder gebaut werden. "Schauen Sie ins CDU-regierte Hessen, wo der wunderschöne Reinhardswald mit Baumbeständen von über 200 Jahren einfach abgeholzt wird. Ein wunderschöner alter Wald für Windkraftwerke", sagte Weidel im ZDF heute journal am Sonntag.
Dem Sender ntv sagte sie am Samstag: "Wenn wir in der Regierungsverantwortung sind, dann wird dort jede Windkraftanlage einer Prüfung unterzogen, welche ist effizient, welche ist nicht effizient." Dem Zeit-Journalisten Tilmann Steffen antwortete Weidel hingegen auf X ohne örtliche Einschränkung: "Ich sage es in fast jeder Rede, dass wir diese Dinger endlich niederreißen sollten. Weg damit!"
Und auch von AfD-Thüringen-Chef Björn Höcke kam auf dem Parteitag Unterstützung für eine umfassende Kehrtwende: "Alice hat es in ihrer Rede wunderbar zum Ausdruck gebracht: Wenn wir die Regierungsverantwortung in Deutschland haben, dann werden wir die Windindustrieanlagen in Deutschland zurückbauen und zwar rechtsstaatskonform, aber komplett."
An Land: 28.667 Onshore-Windenergieanlagen in Betrieb (Stand Ende 2023)
Auf See: 1.602 Offshore-Windenergieanlagen in Betrieb (Stand Juni 2024)
Quelle: Bundesverband Windenergie
Schleswig-Holstein geht voran beim Ausbau der Windkraft. Windräder dürfen jetzt höher werden und außerdem mehr Fläche bebaut werden.23.01.2024 | 2:03 min
In dem in Riesa beschlossenen AfD-Leitantrag für die Bundestagswahl heißt es:
Die AfD-Forderungen reichen also deutlich über den Reinhardswald hinaus.
Welche Folgen hätte ein Rückbau der Windkraft?
Die Windenergiebranche reagierte am Montag entrüstet auf Weidels Forderungen. Sie seien "irrational", so Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie, zu ZDFheute.
Würde Deutschland tatsächlich aus der Windkraft aussteigen, käme das für Verbraucher sehr teuer. Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin, sagt ZDFheute: "Den Ausbau der Windenergie zu stoppen oder gar bestehende Anlagen zurückzubauen, würde sofort den Strompreis für private Haushalte und Unternehmen in die Höhe treiben." Stromimporte nach Deutschland würden in Folge steigen und -exporte zurückgehen.
Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch
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Auch rechtlich wäre so ein staatlich vorgeschriebener Rückbau problematisch: "Windräder gehören ja jemanden und sind mit staatlichen Genehmigungen errichtet", so Hirth.
Auch der Bundesverband Windenergie warnt: "Die Forderung von Frau Weidel käme einer Enteignung gleich."
Seit Dezember steht Brandenburgs erster Windpark in Schünow unter Denkmalschutz. Die 32 Jahre alten Windräder sind nicht mehr in Betrieb. Anwohner sind verärgert, dass sie nicht abgerissen werden dürfen.17.06.2024 | 1:58 min
Wie teuer wäre der Rückbau der Windkraftanlagen?
Ein Zwangsrückbau hätte teure Entschädigungszahlungen aus Steuergeldern zur Folge - an die Betreiber der Anlagen, aber auch an die Verpächter des Grund, auf dem die Anlagen errichtet wurden. Pachteinnahmen sind inzwischen eine wichtige Einnahmequelle für Landwirte und Forstbesitzer. Ein Ausstieg aus der Windkraft dürfte auch darum auf Widerstand stoßen.
Die Höhe solcher Entschädigungszahlungen könne nicht abgeschätzt werden, teilt der Bundesverband Windenergie ZDFheute mit. Die Entschädigung von Kraftwerksbetreibern beim Atomausstieg etwa kostete den Staat Milliardensummen. Eine Berechnung durch den europäischen Verband WindEurope für ZDFheute ergibt Kosten von grob geschätzten 6 Milliarden Euro allein für die Stilllegung der rund 30.000 Windkraftanlagen in Deutschland. Das aber sei, so die Experten, bloß ein kleiner Teil der zu erwartenden Kosten: für Entsorgung, die Zahlung von Entschädigungen an die Betreiber und die Beschaffung von Ersatz müsse man mit weit höheren Kosten rechnen.
Eine Kehrtwende weg von vielen, dezentralen Windkraftanlagen und zurück zu zentralen Kraftwerken hätte auch mit Blick auf das deutsche Stromnetz Konsequenzen. Etwa die milliardenschweren Investitionen in Stromtrassen quer durch die Bundesrepublik wären zumindest teilweise verschwendet. Ganz abgesehen von den Auswirkungen auf Deutschlands CO2-Bilanz, je nach angestrebter Alternativlösung.
Wichte Investitionen in die Energiewende: Hier verlaufen die Stromautobahnen durch Deutschland.
Was bringt es, alte Windräder abzuschalten?
Windräder haben laut Umweltbundesamt eine begrenzte Betriebsdauer von meist 20 bis 30 Jahren. Rund die Hälfte der in Deutschland vorhandenen Anlagen ist älter als 15 Jahre, schreibt der Bundesverband Windenergie - in den kommenden Jahren stehe also der "Rückbau tausender Altanlagen" an. 80 bis 90 Prozent der eingesetzten Materialien könnten dabei laut Verband recycelt werden. Schon jetzt sind Betreiber dazu gesetzlich verpflichtet, Anlagen nach Betriebsende vollständig zurückzubauen und zum Beispiel Bodenversiegelungen wieder zu entfernen.
Ist das eine Gelegenheit, um auf viele Standorte zu verzichten? Praktisch werden heute alte Windkraftanlagen meist durch neue, leistungsstärkere ersetzt, ein sogenanntes Repowering. Laut Bundesverband Windenergie waren Ende 2023 mit 28.667 Onshore-Windenergieanlagen etwa weniger Anlagen in Betrieb als 2020 - bei gleichzeitig gestiegener installierter Leistung.
Evolution von Windrädern: Deutliche Leistungssteigerung.
Quelle: Bundesverband Windenergie
Experte Hirth glaubt aber nicht, dass das eine sinnvolle Strategie ist, um langfristig deutlich weniger Anlagen zu betreiben:
Um den Ausbau legal einstellen zu können, wären auch Gesetzesänderungen nötig. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz etwa umfasst aktuell konkrete Ausbauziele, die erreicht werden müssen. Bis 2030 sollen 115 Gigawatt Windenergie-Leistung installiert sein, bis 2040 sogar 160 Gigawatt. Aktuell sind es rund 64 Gigawatt.
Vor der Küste Bornholms sollen Offshore-Windparks ab 2030 Strom für rund drei Millionen Haushalte liefern, der auch grenzüberschreitend verteilt wird. Gut für Umwelt und Wirtschaft19.08.2024 | 2:21 min
Was spricht gegen Windräder im Reinhardswald?
Der Bau neuer Windkraftanlagen im Reinhardswald im Landkreis Kassel ist wie vergleichbare Projekte andernorts umstritten. Es gibt etwa eine Bürgerinitiative, die sich dagegen stark macht. Seit Jahren kursieren im Netz virale Nachrichten mit teils übertriebenen Angaben zu den erwarteten Umweltschäden durch den Bau.
Das zuständige Regierungspräsidium Kassel teilte dem Recherchenetzwerk "Correctiv" 2024 mit, dass für die Windräder 8,2 Hektar Wald und für Zufahrtsstraßen 4,9 Hektar Wald dauerhaft gerodet würden. Insgesamt seien rund 30 Hektar durch Maßnahmen betroffen, verglichen mit einer Gesamtfläche des Reinhardswaldes von 20.000 Hektar. Besonders alte Waldflächen seien ausgeschlossen worden.
Wo der Rotmilan brütet, sind Windkraftprojekte chancenlos. Und selbst wenn es ihn in einer Gegend mal nicht gibt, ist es das Auerhuhn, der das Aufstellen von Windrädern erschwert. 05.03.2024 | 9:42 min
Dass Weidel eine "Effizienzanalyse" von Windkraftanlagen fordert, um zu überprüfen, ob ein Standort wie im Reinhardswald überhaupt sinnvoll sei, birgt die Gefahr einer Nebelkerze mit hohem bürokratischem Aufwand, aber ohne positive Wirkung: "Windturbinen werden ja von privaten Investoren geplant, gebaut und betrieben. Die bauen natürlich nur an Standorten, die sich lohnen", betont Hirth. "Das Strommarktdesign und Fördersystem sind darauf ausgerichtet, hier stets effiziente Anreize zu setzen."
Windkraft-Gegner behaupten, dass Windräder gesundheitsschädlich und für ein Massensterben von Vögeln verantwortlich sind. Woher kommen diese Behauptungen und was ist dran?