Bundestag: 23 Kandidaten trotz Wahlsieg nicht im Parlament

    Wahlrechtsreform trifft CDU hart:Warum diese Wahlkreissieger leer ausgehen

    Houben Luisa
    von Luisa Houben
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    Die Wahlrechtsreform zeigt ihre Wirkung: Der Bundestag ist kleiner, aber manche Wahlkreissieger gehen leer aus - gerade in Baden-Württemberg. Es trifft vor allem CDU-Politiker.

    Wahlrechtsreform und ihre Folgen
    Das neue Wahlrecht hat zur Folge, dass deutschlandweit 23 Wahlkreissieger nicht in den Bundestag einziehen, obwohl sie ihr Direktmandat gewonnen haben. Grund ist das neue Wahlrecht zur Verkleinerung des Bundestages.25.02.2025 | 1:39 min
    Er hat gewonnen und doch verloren: Obwohl Alexander Föhr von der CDU in Heidelberg die meisten Erststimmen bekommen hat, wird er nicht wieder in den Bundestag einziehen.

    Momentan überwiegt der Stolz und die Freude über das Erreichte. Mal abwarten, wann der Kater kommt.

    Alexander Föhr, CDU-Wahlkreissieger in Heidelberg

    Wahlrechtsreform führt zu Härten in manchen Wahlkreisen

    Grund ist das neue Wahlrecht. Es sieht vor, dass Direktmandate durch Zweitstimmen gedeckt sein müssen. Heißt: Eine Partei erhält nur so viele Mandate, wie ihr nach dem Zeitstimmenergebnis zustehen.
    Gewinnt sie in einem Bundesland mehr Mandate als ihr gemäß Zweitstimmen zustehen, ziehen die Wahlkreisgewinner mit den geringsten Erststimmenergebnissen nicht in den Bundestag ein.
    Alexander Föhr gewann in Heidelberg mit 29,2 Prozent der Erststimmen - deutlich weniger als andere CDU-Kandidatinnen und Kandidaten im Ländle. Seine stärkste Konkurrentin in Heidelberg war die Grünen-Vorsitzende Franziska Brantner.
    Blick in den Plenarsaal im Deutschen Bundestag
    Die Union hat den Regierungsauftrag und will eine zügige Regierungsbildung bis Ostern. Die naheliegende Option: Eine Koalition mit der SPD. Doch das könnte schwierig werden.24.02.2025 | 2:11 min

    Baden-Württemberg am stärksten betroffen

    So wie Föhr geht es bei dieser Bundestagswahl 23 Kandidatinnen und Kandidaten. Die meisten von ihnen traten für die Union an und kommen aus Baden-Württemberg.
    In Stuttgart trifft es Maximilian Mörseburg. Er gewann mit mehr als 30 Prozent der Stimmen. Gereicht hat das nicht. "Ich kann zufrieden sein, und es ist trotzdem bitter", sagt der 32-Jährige ZDFheute.
    Endergebnis Bundestagswahl 2025
    Die vorgezogene Bundestagswahl ist auf riesiges Interesse gestoßen. Starke Einschaltquoten, hohe Klickzahlen und eine Wahlbeteiligung von 82 Prozent.24.02.2025 | 1:02 min
    Mörseburg selbst sieht sich als Sieger. Die Verlierer seien die Bürgerinnen und Bürger, die jetzt keinen Vertreter mehr in Berlin hätten.

    Es fällt eine direkte Anbindung an das Parlament in Berlin weg.

    Maximilian Mörseburg, CDU-Wahlkreissieger Stuttgart II

    Die vergangenen dreieinhalb Jahre habe er regelmäßig mit Menschen aus seinem Wahlkreis telefoniert oder sie getroffen, um ihre Anliegen in den Bundestag zu tragen.
    Kritik äußert auch der baden-württembergische CDU-Landeschef Manuel Hagel. "Wenn sich manche jetzt bei der Wahlnachlese in den Ampelparteien die Frage stellen, wie Politikverdrossenheit entsteht, dann ist das eine der Antworten", sagte er der "Stuttgarter Zeitung".

    Bundestagswahl 2025
    :Ergebnis in Baden-Württemberg

    Wie ist die Bundestagswahl 2025 in Baden-Württemberg ausgegangen? Welche Partei wurde stärkste Kraft? Wie ist das Ergebnis in den Wahlkreisen?
    von Luisa Billmayer, Robert Meyer, Moritz Zajonz
    Foto vom Heidelberger Schloss, davor eine Wahlkreis-Karte von Baden-Württemberg und die Flagge

    23 Wahlkreise in ganz Deutschland bleiben leer

    Bundesweit trifft es neben 15 CDU-Kandidatinnen und Kandidaten auch vier von der AfD, drei von der CSU und eine von der SPD.
    Ihre Wahlkreise würden nun "verwaisen", sagt Michael Wehner, Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Freiburg.

    Das ist demokratietheoretisch sicher keine gelungene Lösung.

    Michael Wehner, Politikwissenschaftler

    Es gebe aber die Möglichkeit, dass Abgeordnete anderer Parteien, die es über die Landesliste ins Parlament geschafft haben, die Interessen der Menschen vor Ort vertreten.
    Friedrich Merz bei der Pressekonferenz nach der Bundestagswahl 2025 im Konrad-Adenauer-Haus, Berlin, 24.02.2025
    Am Tag nach der Wahl bewegte sich CDU-Chef Friedrich Merz auf die SPD zu. Bei vielen Parteien liegt der Fokus zunächst auf dem Personal.24.02.2025 | 2:32 min
    In drei Wahlkreisen in Baden-Württemberg ist das nicht möglich: In Stuttgart II bei Maximilian Mörseburg, in Lörrach-Müllheim und Tübingen. Hier hatten die Parteien keine andere anderen Kandidaten auf erfolgreiche Listenplätze gesetzt.
    Mit einer Einschränkung für Lörrach-Müllheim: Für die AfD zieht Michael Blos über die Landesliste in den Bundestag ein. Er ist Gemeinderat in Rheinfelden, das zum Wahlkreis Lörrach-Müllheim gehört.
    Alternativ könnten Mandatsträger und -trägerinnen aus Nachbarwahlkreisen einspringen.
    Wer zieht nicht in den Bundestag ein?

    ZDFheute Infografik

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    Metropolregion Rhein-Neckar ohne Direktmandate

    Der CDU-Politiker Maximilian Mörseburg sieht noch ein Problem: "Es besteht die Gefahr, dass die Union die Anbindung an die Städte verliert."
    Neben seinem Wahlkreis in Stuttgart und Alexander Föhrs in Heidelberg werden auch Mannheim, der Rhein-Neckar-Kreis und Ludwigshafen keine direkten Vertreterinnen oder Vertreter nach Berlin schicken. Damit geht eine ganze Metropolregion leer aus.
    Auch Politikwissenschaftler Wehner sieht Potenzial für eine innerparteiliche Konsequenz. Möglich sei, dass CDU-Vertreterinnen und Vertreter mit liberalen Programmatiken unterrepräsentiert seien, "weil nun die Abgeordneten aus ländlichen Regionen die Fraktion dominieren", meint Wehner.
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    Schon vor der Wahl war klar, dass nicht alle Wahlkreisgewinner einen Sitz im Bundestag erhalten. Parteien dürfen nur so viele Politikerinnen und Politiker schicken, wie ihre Zweitstimmen hergeben. 18.02.2025 | 1:11 min

    Warum der Bundestag jetzt kleiner ist

    Grund für die Wahlrechtsreform war, dass der Bundestag immer größer wurde. Zuletzt hatte er 733 Sitze und war das weltweit größte frei gewählte Parlament.
    Mit der Größe stiegen Kosten und Aufwand. Zweifel gab es außerdem an der Effektivität der parlamentarischen Arbeit, in Arbeitsgruppen und Ausschüssen.
    2023 beschloss die damalige Ampel-Regierung das neue Wahlrecht, allerdings nicht ohne Gegenwird: Die CDU/CSU-Fraktion, die CSU und die Linke klagten vor dem Bundesverfassungsgericht. Das erklärte die Reform teilweise für verfassungswidrig. Daraufhin wurde sie angepasst.
    Bundestag
    Im Kern bestätigte das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr die Wahlrechtsreform der damaligen Ampel-Koalition. Mit einer Einschränkung: Die Fünf-Prozent-Hürde darf nicht einfach gestrichen werden.31.07.2024 | 2:05 min

    Union will Wahlrechtsreform zurückdrehen

    "Nicht alles, was rechtlich richtig ist, muss politisch auch gut sein", kritisiert nun Alexander Föhr. Der 44-Jährige hofft, dass die nächste Regierung die Wahlrechtsreform nochmal korrigiert.
    Ähnlich sieht es der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz. Die von der Ampel-Koalition beschlossene Reform sei "ein einseitig gegen die Union gerichtetes Wahlrecht“, so Merz.
    Gegenvorschläge seitens der Union gibt es schon. Zum Beispiel, die Zahl der Wahlkreise zu verringern. Dafür bräuchte es im Bundestag eine einfache Mehrheit.

    Die Gefahr ist, dass Bürgerinnen und Bürgern das Bild vermittelt wird, jeder bastle sich ein eigenes, passendes Wahlrecht.

    Michael Wehner, Landeszentrale für Politische Bildung in Freiburg

    Es könne sein, dass die nächste Regierung daher eine Zweidrittelmehrheit zur Bedingung für eine Wahlrechtsreform macht. "Das müssen wir den Koalitionsverhandlungen überlassen", sagt Wehner.
    Die Ampel hat vor zwei Jahren eine Wahlrechts­reform beschlossen, um den Bundestag zu verkleinern. Die Union hat bereits angekündigt, das Wahlrecht bei einem Sieg erneut zu ändern.
    Schon vor der Bundestagswahl machte die Union deutlich, dass sie die Wahlrechrechtsreform nochmal anpacken will. 22.01.2025 | 3:07 min
    Für Alexander Föhr und Maximilian Mörseburg kämen etwaige Neuerungen zu spät. Sie räumen nun ihre Büros. In Berlin und in ihren Wahlkreisen.
    Beide fallen weich: Föhr war für sein Mandat von einem Job bei einer großen Krankenkasse freigestellt. Und Mörseburg fühlt sich mit seinen beiden Staatsexamen in Jura "gut gewappnet" für das, was nun kommen mag.
    Luisa Houben ist ZDF-Reporterin. Sie berichtet aus Baden-Württemberg und der Schweiz.

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