Es gibt nach dem Bundeswahlgesetz zwei Möglichkeiten, um in voller Fraktionsstärke in den
Bundestag einzuziehen: Der klassische Weg ist das Überspringen der Fünfprozenthürde bei den Zweitstimmen. Die deutlich seltenere, aber - wie das
Bundesverfassungsgericht betont - gleichberechtigte Alternative besteht darin, drei Direktmandate zu gewinnen. Diese zweite Option ist die sogenannte Grundmandatsklausel. Bei der Bundestagswahl 2021 konnte die
Linke nur über diese Regelung in voller Fraktionsstärke ins Parlament einziehen: Sie erzielte einen Zweitstimmenanteil von nur 4,9 Prozent, gewann aber drei Direktmandate (zwei in Berlin, eines in Leipzig).
Wirklich relevant war die Grundmandatsklausel vor der letzten Bundestagswahl selten. 1994 profitierte von ihr die Vorgängerin der Linkspartei, die PDS, die damals 4,4 Prozent der Zweitstimmen und vier Direktmandate errang. Davor spielte die Bestimmung nur in den 50er Jahren eine Rolle, damals allerdings prominent - und unter demokratischen Gesichtspunkten fragwürdig: Die unionsgeführte Regierung von Konrad Adenauer führte die Grundmandatsklausel zur Bundestagswahl 1953 ein, um der nationalkonservativen Deutschen Partei (DP) so das politische Überleben bei den Wahlen 1953 und auch 1957 zu sichern.
In beiden Fällen konnte die DP bundesweit die Fünfprozenthürde nicht überwinden. Die
CDU verzichtete jedoch in einigen Wahlkreisen gezielt darauf, eigene Kandidaten aufzustellen, damit die DP diese gewinnen konnte. Durch die Wahlkreissiege konnte die DP bei beiden Wahlen in Fraktionsstärke ins Parlament einziehen – und jeweils eine Koalition mit dem Wahlsieger CDU bilden.