Wahlfälschung in Sachsen: "Da gerät etwas aus den Fugen"

    FAQ

    Wahlfälschung in Sachsen?:Manipulierte Stimmzettel: "Krasser Vorfall"

    Dominik Rzepka
    von Dominik Rzepka
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    In Sachsen wurden 126 Stimmzettel zu Gunsten der rechtsextremen Freien Sachsen manipuliert. Beobachter sehen darin den Versuch, die Demokratie vorzuführen. Das ist bisher bekannt.

    Ein Wahlbrief wird eingesteckt
    Briefwahlstimmen in Dresden könnten laut einem Medienbericht manipuliert und den Freien Sachsen zugeordnet worden sein. Cornelia Schiemenz berichtet.03.09.2024 | 1:54 min

    Wie ist der aktuelle Stand?

    Insgesamt wurden 126 Briefwahl-Stimmzettel zu Gunsten der rechtsextremen Partei Freie Sachsen manipuliert. 85 davon aus zwei Wahlbezirken in Dresden-Langebrück, 14 in zwei Wahlbezirken in Radeberg, nordöstlich von Dresden.
    27 weitere manipulierte Stimmzettel waren über das ganze Dresdner Stadtgebiet verteilt. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat die Ermittlungen übernommen. Es geht um den Verdacht der Wahlfälschung bei der sächsischen Landtagswahl.

    Wie genau wurde manipuliert?

    Mit Details halten sich die Ermittler bisher zurück. Nach Informationen des ZDF Studios Sachsen sollen der oder die unbekannten Täter aber die vorhandenen Kreuze auf dem Stimmzettel überklebt haben - offenbar "ganz dünn" sowie "nicht sicht- und fühlbar", sagt ZDF-Studioleiterin Cornelia Schiemenz.
    Stattdessen wurden auf den Stimmzetteln dann die "Freien Sachsen" angekreuzt. Schiemenz spricht von "krimineller Energie" sowie einem "professionellen Vorgehen" der Täter.

    Aufgefallen ist das Ganze, weil in einem Dresdner Briefwahlbezirk die Freien Sachsen 10,2 Prozent der Stimmen erhielten, obwohl die Wählerschaft der Freien Sachsen gemeinhin keine Briefwähler sind.

    Cornelia Schiemenz, ZDF-Studioleiterin Sachsen

    SGS Schiemenz
    In Sachsen wurden manipulierte Stimmzettel entdeckt. In allen Fällen sind die Stimmen den Freien Sachsen zugeordnet worden. Cornelia Schiemenz berichtet.03.09.2024 | 2:33 min

    Wer könnte hinter der Manipulation stecken?

    Laut Leipziger Rechtsextremismusforscher Johannes Kiess deutet die Manipulation auf ein systematisches Vorgehen hin. Zwar dauerten die Ermittlungen noch an, aber:

    Es werden sicherlich keine Sozialdemokraten gewesen sein, die die Stimmzettel gefälscht haben.

    Johannes Kiess, Universität Leipzig

    Er gehe davon aus, dass die Manipulation aus dem Umfeld der Freien Sachsen gekommen sei. Den Tätern sei es bestimmt nicht um 126 Stimmen mehr oder weniger gegangen, sondern darum, das demokratische System vorzuführen. Genau das würden die Freien Sachsen bereits in einigen Kommunalparlamenten machen.

    Das Kernanliegen von Faschisten und Rechtsextremen ist immer, die Demokratie sturmreif zu schießen. Und an diesem brandgefährlichen Punkt sind wir jetzt.

    Johannes Kiess, Universität Leipzig

    Sächsischer Landtag
    Die CDU hat zwar die Wahl in Sachsen gewonnen - knapp vor der zweitplatzierten AfD. Die Regierungsbildung aber dürfte schwierig werden.02.09.2024 | 2:12 min

    Wer sind die Freien Sachsen?

    Die Freien Sachsen sind laut sächsischem Verfassungsschutz eine rechtsextremistische Kleinstpartei. Sie hat sich im Februar 2021 gegründet. Demnach handelt es sich um eine Gruppierung aus Neonationalisten, NPD-Funktionären und weiteren Szeneangehörigen.
    Die verfassungsfeindlichen Aktivitäten der Freien Sachsen richten sich laut Verfassungsschutz gegen den Bestand des Bundes. Die Partei mobilisiert vor allem über zahlreiche Telegram-Kanäle.

    Wie anfällig sind Wahlen prinzipiell?

    Eigentlich kaum. Politikwissenschaftler Achim Goerres von der Universität Duisburg-Essen sagt:

    In einem Land, in dem es so viele Wahlen gibt, ist der Befund vor allem, dass es unheimlich wenige Fälle von Wahlbetrug gibt.

    Achim Goerres, Politikwissenschaftler

    Bei einer Bundestagswahl etwa seien 700.000 Menschen beteiligt, unter anderem mit dem Auszählen von Stimmzetteln. Die Wahlauszählung in Deutschland sei darauf ausgerichtet, "dass man sich gegenseitig misstraut".
    Wahlhelfer würden zum Beispiel durch Kommunen rekrutiert, dabei würden auch Parteien vor Ort angesprochen. Das Ziel sei, dass Menschen von verschiedenen Parteien, die sich gegenseitig nicht trauen, miteinander auszählen.
    Press conference on current measures against right-wing extremism in Germany
    Bundesinnenministerin Faeser will stärker gegen Rechtsextremismus vorgehen. Es gehe darum, Netzwerke zu zerschlagen, Finanzströme aufzudecken und Waffengesetze zu verschärfen. 13.02.2024 | 2:48 min

    Wann gab es in Deutschland Wahlfälschung?

    Im Jahr 2002 bei der Kommunalwahl im bayerischen Dachau etwa. Damals hatte der CSU-Politiker Wolfgang Aechtner hunderte Briefwahlunterlagen bei Hausbesuchen eingesammelt und zu Gunsten von CSU-Kandidaten ausgefüllt. Der Betrug flog auf, weil Aechtner immer denselben Kugelschreiber verwendete. Aechtner wurde zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und einer Geldstrafe von 125.000 Euro verurteilt.

    Wie geht's weiter in Sachsen?

    Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ermittelt. Weitere Auskünfte gibt es wegen des laufenden Verfahrens derzeit nicht. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wollte sich auf ZDFheute-Anfrage bisher nicht äußern.
    Doch die politische Debatte dürfte in den kommenden Tagen an Fahrt aufnehmen. Rechtsextremismusforscher Kiess spricht von einem "sehr krassen Vorfall":

    Das hat schon eine neue Qualität und zeigt die Chuzpe der Aktivisten der Freien Sachsen. Wenn der Versuch gemacht wird, demokratische Wahlen anzugreifen, dann gerät etwas aus den Fugen.

    Johannes Kiess, Universität Leipzig

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