Vorratsdatenspeicherung: Polizei fordert Neuauflage

    Forderung der Polizei:Vorratsdatenspeicherung reloaded - geht das?

    Samuel Kirsch
    von Samuel Kirsch
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    Polizei und Geheimdienste fordern mehr Datenzugriff, um gegen Kriminelle und Terroristen vorzugehen. Wäre eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung rechtlich zulässig?

    Serverraum für Vorratsdatenspeicherung
    Vorab Daten über Bürgerinnen und Bürger speichern, um bei Ermittlungen darauf zurückgreifen zu können. Ein umstrittener Vorgang, den die Polizei für ihre Arbeit fordert.
    Quelle: dpa

    "Es sind keine Bestandsdaten mehr vorhanden" - so ähnlich lautet in vielen Fällen der Einzeiler, den die Polizei als Antwort zurückerhält, wenn sie Telekommunikations-Unternehmen wegen verdächtiger IP-Adressen anfragt.
    Der Grund: Aktuell sind Telefon- und Internetanbieter wie die Telekom nicht verpflichtet, IP-Adressen der Nutzer ihrer Dienste zu speichern. Sie tun das zwar zu Abrechnungszwecken, allerdings meist nur für wenige Tage. Aus Sicht der Ermittler ist das ein großes Problem.

    Wir haben, weil sich vieles ins Internet verlagert, zunehmend Sachverhalte, bei denen wir nicht weiterkommen, aber weiterkommen könnten, wenn bei den Telekommunikations-Unternehmen Daten, insbesondere IP-Adressen, über längere Zeit als bisher vorgehalten würden.

    Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei

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    Polizei-Gewerkschaft: Ohne IP-Adresse kein Ermittlungsansatz

    Seine Gewerkschaft fordert mindestens eine IP-Adressen-Speicherpflicht für sechs Monate.

    Darüber bekämen wir dann möglicherweise Hinweise auf eine Wohnung, von der bestimmte Aktivitäten ausgehen, und in vielen Fällen auch auf die Identität eines Menschen. Das sind wichtige Ermittlungsansätze, die wir bräuchten, aber nicht haben.

    Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei

    So komme es vor, dass Ermittlungsverfahren eingestellt werden müssen, weil ohne die IP-Adressen trotz Verdachtsmomenten keine Ermittlungsansätze vorhanden sind. Dabei gehe es nicht um Alltagskriminalität, sondern um schwere Straftaten:

    Es geht um Terror, um schwere staatsgefährdende Delikte und es geht um Kinderpornographie.

    Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei

    Der Grund dafür, dass es in Deutschland aktuell keine Speicherpflichten gibt, liegt darin, dass die Verpflichtungen in der Vergangenheit zu weit gingen und von Gerichten beanstandet wurden. Zentral war das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der die deutsche Vorratsdatenspeicherung von 2015 im Jahr 2022 für europarechtswidrig befand. Seitdem herrscht politisch Streit über eine Nachfolgeregelung. Schon seit 2017 wurde die Vorratsdatenspeicherung wegen der rechtlichen Unsicherheiten nicht mehr praktiziert.

    Warum ist Vorratsdatenspeicherung rechtlich heikel?

    Eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung bedeutet, dass bestimmte Daten sämtlicher Bürgerinnen und Bürger ohne konkreten Anlass auf Vorrat gespeichert werden. Gegner sprechen häufig davon, dass der Staat seine Bürger damit unter Generalverdacht stelle. Besonders kritisiert wird, dass unter den gespeicherten Daten auch solche von Journalisten oder Rechtsanwälten fallen, die der Verschwiegenheit unterliegen.
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    Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs greift das Abspeichern von Daten "auf Vorrat" in die Grundrechte von Bürgern ein - unabhängig davon, ob die Daten später beispielsweise von der Polizei ausgewertet werden. Denn schon die Möglichkeit, dass Nutzerprofile erstellt und Online-Aktivitäten nachvollzogen werden, könne bei Bürgerinnen und Bürgern ein "Gefühl des Überwachtseins" entstehen lassen und dazu führen, dass diese ihr Verhalten einschränken und ihre Meinungsfreiheit nicht mehr unbeeinträchtigt nutzen.

    IP-Adressen dürfen auf Vorrat gespeichert werden

    Das bedeutet aber nicht, dass jede Speicherpflicht deswegen verboten ist. Bestimmte wichtige Zwecke wie der Schutz der nationalen Sicherheit oder die Verfolgung schwerer Straftaten, können eine Speicherung rechtfertigen.
    Besonders für das Speichern von IP-Adressen lässt der EuGH den EU-Staaten Spielräume. Er erlaubt es ihnen, Gesetze zu erlassen, die vorsehen, dass Netzanbieter IP-Adressen auf Vorrat ohne einen konkreten Anlass ausnahmslos von allen Internetnutzern speichern müssen. Dabei gilt jedoch eine wichtige Einschränkung, erläutert Professor Alexander Roßnagel, der Hessische Datenschutzbeauftragte:

    Wenn die IP-Adressen nur genutzt werden, um eine Person zu identifizieren, dann ist der Eingriff nicht tief und dann kann man da auch eine Speicherung auf Vorrat rechtfertigen. Wenn aber die IP-Adresse genutzt wird, um Kommunikationsprofile über Personen zu erstellen oder die Inhalte, die kommuniziert werden, auszuwerten, dann ist das zu weitgehend.

    Alexander Roßnagel, Hessischer Datenschutzbeauftragte

    Außerdem müsste die Dauer der Speicherung auf das absolut Notwendige beschränkt sein.
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    Umfassende Vorratsdatenspeicherung bleibt verboten

    Für eine weitergehende Vorratsspeicherung etwa von Verkehrs- und Standortdaten aller Bürgerinnen und Bürger, die das Erstellen von Bewegungs- und Nutzungsprofilen ermöglichen, sieht Roßnagel keinen rechtlichen Spielraum, auch nicht zur Bekämpfung schwerster Kriminalität.
    Lediglich gezielt, zum Beispiel begrenzt auf Gebiete wie Bahnhöfe oder Kriminalitätsschwerpunkte, könnten solche Daten im Einzelfall gespeichert werden - nur für kurze Zeit und auch nur nach einem Richterbeschluss.

    Im Sicherheitspaket der Bundesregierung ist bislang keine Vorratsdatenspeicherung vorgesehen. Stattdessen hat Bundesjustizminister Marco Buschmann Mitte Oktober einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das so genannte "Quick-Freeze-Verfahren" etablieren soll. Dabei werden Daten nicht anlasslos auf Vorrat gespeichert, sondern Sicherheitsbehörden können bei Verdacht auf bestimmte schwere Straftaten nach Richterbeschluss Verkehrsdaten, die bei den Telefonanbietern vorhanden sind, "einfrieren" lassen.

    Der Vorteil: Die Daten werden nicht ohne Anlass und allgemein gespeichert. Das Verfahren ist insofern grundrechtsschonender. Kritisiert wird daran, dass die für Ermittlungen interessanten Daten meist nur kurz bei den Telefonanbietern vorhanden sind. Zur Aufklärung länger zurückliegender Taten oder deren Vorbereitung könnten relevante Daten, die eingefroren werden könnten, fehlen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser befürwortet deswegen eine IP-Adressen-Speicherpflicht. Eine solche einmonatige Speicherpflicht hat auch der Bundesrat Ende September auf Initiative Hessens hin eingebracht.

    Samuel Kirsch ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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