Vier-Tage-Woche: Ein Chef über sein neues Arbeitszeitmodell
Neue Arbeitsmodelle:Lust auf Überstunden vs. Vier-Tage-Woche
von Anna Duda
|
Weniger arbeiten - das wünschen sich viele. Finanzminister Lindner will dagegen „Lust auf die Überstunden“ fördern. Was ein Chef, der die Vier-Tage-Woche eingeführt hat, dazu sagt.
Ein Versandhändler aus Montabaur hat vergangenen Januar die Viertagewoche eingeführt. Die Erfahrungen sind positiv. Trotz 15 Prozent weniger Arbeitszeit, machte der Betrieb bislang 5 Prozent mehr Umsatz.24.04.2024 | 1:54 min
Seit Anfang des Jahres laufen die Maschinen bei der Münz GmbH einen Tag weniger pro Woche. Das Unternehmen hat die Vier-Tage-Woche eingeführt. Den Menschen "Lust auf die Überstunden" zu machen, wie es Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kürzlich formuliert hat, das möchte Geschäftsführer Bernhard Münz nicht.
Wäre das Modell der 35-Stunden-Woche eine gute Lösung für alle? "Ein Arbeitszeitmodell der Zukunft ist das nicht – in vielen Bereichen ist es bereits gelebte Praxis", so Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft. 28.03.2024 | 5:09 min
Vier-Tage-Woche: Attraktivitätsvorteil für Unternehmen
"Dafür ist ein ständiges Optimieren am Arbeitsablauf viel sinnvoller als einfach die Mitarbeiter*innen länger arbeiten zu lassen," glaubt Münz. Seine Firma vertreibt Berufs- und Teamkleidung. Rund 90 Mitarbeiter*innen sind hier in Vertrieb, Logistik und Stickerei beschäftigt. Bernhard Münz weiß, heutzutage muss er den Arbeitnehmer*innen etwas bieten.
"Ich habe mich mit dem Thema länger auseinandergesetzt, habe viele Videos bei YouTube geschaut. Andere Länder sind da schon weiter." Bernhard Münz entschied sich für das Modell Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich und 15 Prozent weniger Arbeitszeit. Konkret bedeutet es, dass alle Mitarbeiter*innen an vier Tagen achteinhalb Stunden arbeiten.
Frauen arbeiten insgesamt eineinhalb Stunden länger als Männer, wenn man unbezahlte Arbeit wie Haushalt mit einbezieht. Das zeigt eine Studie des Statistischen Bundesamtes.28.02.2024 | 1:34 min
Ein Modell, das für Zufriedenheit bei den Mitarbeiter*innen sorge, sagt Arbeitsmarktforscherin Dr. Anja Warning vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Denn die Arbeitszeit werde insgesamt reduziert.
Arbeitsexpertin: Vier-Tage-Woche kann Familien belasten
"Aber wenn die Arbeitszeit gar nicht reduziert wird, so dass sie an diesen vier Tagen mehr arbeiten müssen, dann profitieren die Mitarbeiter nicht davon, dann kann das Ganze auch nach hinten losgehen", warnt die Expertin.
Zum Beispiel, wenn ein Familienvater inklusive Arbeitsweg von Montag bis Donnerstag von 7 bis 19 Uhr bei der Arbeit ist. "Wer übernimmt an diesen Tagen die Familienarbeit, das Bringen und Holen der Kita-Kinder, die Hausaufgabenbetreuung, das Abendbrot? Die Mama, weil das Familienleben anders nicht funktioniert. Das ist Retraditionalisierung", sagt Warning. "In solchen Fällen entlastet die 4-Tage-Woche nicht, sondern sie belastet die Familien, aber auch die Gesellschaft."
Eine Studie des Statistischen Bundesamtes hat sich damit beschäftigt, wie Deutsche ihre Zeit verbringen. Zum Beispiel verbringen Frauen 30 Stunden pro Woche mit unbezahlter Arbeit, wie Haushalt und Kindern.28.02.2024 | 1:53 min
Münz GmbH: Kein Smartphone in der Arbeitszeit
Um 15 Prozent weniger zu arbeiten und trotzdem alles zu schaffen, mussten sie bei der Münz GmbH ihre Abläufe hinterfragen. "Unser wichtigstes Tool war, die größten Zeit-Fresser zu eliminieren. Die Abläufe in allen Abteilungen wurden in Workshops diskutiert und optimiert", sagt Geschäftsführer Münz.
Ein Beispiel: Sie haben das Telefonieren mit dem privaten Smartphone infrage gestellt. "Wenn wir ehrlich sind, verlieren wir Zeit am Handy," sagt Bernhard Münz. "Wir haben uns darauf geeinigt: keine Handynutzung während der Arbeitszeit, nur im Notfall." Trotz der reduzierten Arbeitszeit rechnet Münz am Jahresende mit einem Umsatzplus im einstelligen Bereich. Zudem gebe es kaum Überstunden.
Für viele ist es ein täglicher Begleiter - das Handy. Genutzt wird es weitaus häufiger, als es nötig und gesund ist. Warum gelegentlicher Handyverzicht gut ist und wie er gelingt.15.11.2023 | 4:37 min
Expertin: Wer Überstunden macht, bevorzugt Freizeitausgleich
Und wenn doch länger gearbeitet werden muss, dann wollen die Menschen Freizeit als Ausgleich für die Mehrarbeit, sagen Expert*innen. Arbeitsmarktforscherin Warning beobachtet einen starken Anstieg bei der Nutzung von Gleitzeitkonten. "Bei einer Zunahme dieser Gleitzeitkonten, bei denen Plusstunden mit Freizeit ausgeglichen werden, geht natürlich die Zahl der bezahlten Überstunden zurück. Ich sehe das als ein positives Zeichen, dass sich mehr Arbeitszeitflexibilität im Betriebsalltag durchsetzt.
So ist es auch bei der Münz GmbH in Montabaur. Die neu gewonnen Flexibilität wollen sie dort nicht mehr aufgeben.
Anna Duda arbeitet im ZDF-Landesstudio Rheinland-Pfalz.
Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im März leicht gesunken - um 45.000 auf 2,769 Millionen. Das teilt die Bundesagentur mit. Die Zahl liegt jedoch über dem Vorjahreswert.