Wie neutral muss der Verfassungsschutz sein?

    Haldenwang plant CDU-Kandidatur:Wie neutral muss der Verfassungsschutz sein?

    von Jan Henrich und Daniel Heymann
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    Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang gibt sein Amt auf und will bei der kommenden Bundestagswahl für die CDU kandidieren. Wie nah dürfen sich Geheimdienst und Politik sein?

    Bundesamt für Verfassungsschutz
    Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz will für die CDU kandidieren - und muss dafür seinen Posten räumen.
    Quelle: dpa

    Die Amtsgeschäfte als Präsident des Bundesverfassungsschutzes nehme Thomas Haldenwang ab sofort nicht mehr wahr, heißt es aus dem Bundesinnenministerium. Er habe die Behörde "umsichtig geführt", nun werde das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zunächst durch seine Vizepräsidenten geleitet. Der Schritt folgt auf die überraschende Ankündigung Haldenwangs, in die Politik wechseln und bei der kommenden Bundestagswahl für die CDU kandidieren zu wollen.
    Der Vorgang ist nicht ungewöhnlich - dennoch könnte der Wechsel Wasser auf die Mühlen derjenigen sein, die dem Inlandsgeheimdienst politische Instrumentalisierung vorwerfen.
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    Vorgänger zog es bereits in die Politik

    Der 64-jährige Volljurist Haldenwang hatte 2018 das Amt von seinem umstrittenen Vorgänger Hans-Georg Maaßen übernommen, der nach seiner Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ebenfalls versucht hatte, als CDU-Kandidat in den Bundestag einzuziehen. Maaßen scheiterte allerdings in seinem Wahlkreis und gründete später die rechtskonservative Kleinpartei Werteunion.
    Haldenwang war im Laufe seiner Amtszeit bemüht, sich von seinem Vorgänger abzugrenzen und einen stärkeren Fokus auf den Bereich Rechtsextremismus zu setzen. Auch die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall geschah unter seiner Verantwortung.

    Vorwurf der Instrumentalisierung

    Auch wenn das Bundesinnenministerium mitteilte, dass das Amt des BfV-Präsidenten und eine politische Kandidatur für den Bundestag voneinander "klar zu trennen" sei, ist es keine Seltenheit, dass Spitzenbeamte von Bundesbehörden zumindest Mitglieder in Parteien sind. Staatsdienst und politisches Engagement schließen sich grundsätzlich nicht aus.

    Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit Sitz in Köln ist der allgemeine deutsche Inlandsnachrichtendienst. Er untersteht dem Bundesinnenministerium. Seine Aufgaben umfassen insbesondere:

    • Informationsbeschaffung: Der Verfassungsschutz sammelt Informationen etwa zu extremistischen Bewegungen. Außerdem arbeitet er mit ausländischen Nachrichtendiensten zusammen, vor allem im Bereich der Terrorismus- und Spionageabwehr.
    • Berichte und Aufklärung der Öffentlichkeit: Seine Erkenntnisse fasst das BfV regelmäßig zusammen, die bekannteste Veröffentlichung ist der jährlich erscheinende Verfassungsschutzbericht. Durch die Berichte sollen Politik und Öffentlichkeit schnell und umfassend über mögliche Gefahren aufgeklärt werden, die von extremistischen und terroristischen Bestrebungen sowie Spionageaktivitäten ausgehen.

    Ein Umstand, den die AfD seit Jahren nutzt, um insbesondere dem Verfassungsschutz eine politische Agenda vorzuwerfen. Zumal die Behörde unmittelbar dem Bundesinnenministerium unterstellt ist. Der Verfassungsschutz sei deswegen ein Inlandsgeheimdienst, der genutzt würde, um die Opposition zu verunglimpfen, sagte AfD-Chefin Alice Weidel unter anderem im ZDF-Sommerinterview 2022.
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    Verfassungsschutz ist Kontrollgremium unterworfen

    Dabei sind die Entscheidungen des BfV gleich in mehrfacher Hinsicht vor einer politischen Instrumentalisierung geschützt. Zum einen sind die Befugnisse des Verfassungsschutzes an klare gesetzliche Vorgaben gebunden und er ist der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium im Bundestag unterworfen.
    Zum anderen sind insbesondere die Entscheidungen über Einstufungen von Parteien oder Organisation umfassend juristisch überprüfbar.
    Im Fall der AfD hatten sich schon mehrere Gerichte in verschiedenen Verfahren mit der Einstufung der Partei sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene beschäftigt und die Entscheidung der einzelnen Verfassungsschutzämter in fast allen Fällen als rechtmäßig bestätigt. Erst diese Woche hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg eine Beschwerde des dortigen AfD-Landesverbandes gegen die Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall zurückgewiesen.
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    Informationsauftrag braucht Glaubwürdigkeit

    Dennoch kann eine zu große Parteinähe für die Behörde zum Problem werden. Denn wie erfolgreich der Verfassungsschutz bei seiner Kernaufgabe ist, die Öffentlichkeit über extremistische Entwicklungen aufzuklären, hängt auch davon ab, wie er wahrgenommen wird. Dort, wo die Glaubwürdigkeit fehlt, gehen Warnungen ins Leere.
    Quelle: ZDF
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