Verfassungsschutzbericht 2023: Aufwind für Extremisten

    Analyse

    Bericht für 2023:Verfassungsschutz: Aufwind für Extremisten

    Hauptstadtkorrespondent Klaus Brodbeck
    von Klaus Brodbeck
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    Der neue Verfassungsschutzbericht 2023 zeigt: Extremisten jeglicher Couleur schaukeln sich gegenseitig hoch. Der Nahost-Konflikt dient ihnen als Bühne, die Zahlen sind alarmierend.

    Der Verfassungsschutzbericht 2023 liegt zu Beginn der Pressekonferenz mit der Vorstellung des Berichts aus. In diesem Heft steht, was der Verfassungsschutz herausgefunden hat.
    Aus dem Verfassungsschutzbericht für 2023 geht hervor, dass in nahezu allen Bereichen die Zahl der Extremisten gestiegen sind. Die Sicherheit und Demokratie seien bedroht. 18.06.2024 | 1:47 min
    Angenehme Lektüre waren Verfassungsschutzberichte noch nie. Für den vorgestellten Bericht für das Jahr 2023 gilt das umso mehr. Auf gut 400 Seiten malen die Verfassungsschützer ein düsteres Bild: Es wird immer schwieriger, praktisch überall.
    Gleich ein eigenes Sonderkapitel beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Nahost-Konflikts und mit Antisemitismus. Den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 beschreiben die Verfassungsschützer als grundsätzliche Zäsur für die Sicherheitsarchitektur in der Region - mit massiven Auswirkungen auch hierzulande.
    Israel-Flagge spiegelt sich in Scheibe der FU Berlin
    Wegen des Krieges in Gaza ist die Stimmung auch an vielen deutschen Universitäten angespannt. Die FU Berlin will angehende Lehrer mit Kursen besser vorbereiten.28.05.2024 | 1:34 min
    Sie wirkt sich unmittelbar auf das Versammlungsgeschehen in Deutschland aus und hat hierzulande zu einem sprunghaften Anstieg an Straftaten geführt, die in Zusammenhang mit dem Konflikt stehen. Besonders betroffen sind, wenig überraschend, jüdische und israelische Ziele. 1.342 antisemitische Straftaten verzeichnet der Bericht im Oktober 2023, ein massiver Anstieg im Vergleich zum Vorjahresmonat (208).

    Linke, Rechte und Islamisten instrumentalisieren Nahost-Konflikt

    Was den Sicherheitsbehörden besondere Sorgen macht: An dieser Eskalation beteiligen sich Anhänger und Sympathisanten verschiedenster extremistischer Organisationen. Ob Rechte, ob Linke, ob Islamisten - alle instrumentalisieren den Krieg in Nahost für ihre Zwecke.
    Ronen-Steinke bei Maybrit Illner
    Wo hört Israelkritik auf und wo fängt Antisemitismus an? Kritik an Israel sei keine Rechtfertigung für einen Anschlag auf jüdisches Leben, sagt Jurist Ronan Steinke.16.05.2024 | 1:01 min
    Antisemitisches Gedankengut dient zur Aufstachelung zu Hass und Gewalt in Worten und Taten. Vor allem vor dschihadistisch motivierten Einzeltätern mit wie es heißt "einfach zu beschaffenden Tatmitteln gegen 'weiche' Ziele" warnen die Verfasser vom Verfassungsschutz - der Polizistenmord von Mannheim und der Messerangriff in Wolmirstedt bei Magdeburg dürften diese Befürchtungen bestätigen.
    Eingangstor einer Synagoge und graphische Symbole für Bedrohung und Rechtsprechung
    Als Antisemitismus wird allgemein die Feindlichkeit gegenüber dem Judentum bezeichnet. Er existiert in unterschiedlichen Formen und kann strafrechtlich verfolgt werden.13.06.2024 | 1:15 min

    Politisch motivierte Straftaten steigen

    Die Zahl politisch motivierter extremistischer Straftaten im Bereich "religiöse Ideologie" hat sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdreifacht: Von 361 (2022) auf 1.250, die Zahl der hier mitgezählten Gewalttaten stieg um 67 Prozent.
    Insgesamt 28.945 Straftaten im Bereich "politisch motivierte Kriminalität - rechts" verzeichnet der Bericht, davon 1.270 Gewalttaten. Deren Zahl stieg um 13 Prozent, darunter vier versuchte Tötungsdelikte. Fremdenfeindliche Straftaten von rechts nahmen ebenfalls stark zu, 10.402 Delikte wurden gezählt, ein Plus von 39 Prozent. Das rechtsextremistische Personenpotential beziffern die Verfassungsschützer auf 40.600 Personen, davon 14.500 gewaltorientiert.
    Solidaritätskundgebung für mutmaßliche Linksextremistin
    Im Februar 2023 schlugen in Budapest mehrere Personen auf einen Mann ein, weil er ein Nazi sein soll. Jetzt ist eine mutmaßliche Täterin in Nürnberg verhaftet worden. 14.05.2024 | 1:29 min
    Auch links steigen die Zahlen: 7.777 Straftaten insgesamt, darunter 916 Gewalttaten (plus 8,8 Prozent). Etwa die Hälfte (481) dieser Gewalttaten richteten sich gegen Polizei oder Sicherheitsbehörden. Der Anstieg hier: knapp zwei Drittel. Drei versuchte Tötungsdelikte zählt der Bericht in diesem Bereich.
    Im Zusammenhang mit Klimaprotesten wurden im vergangenen Jahr 293 Gewalttaten registriert, darunter Körperverletzungen (126; 43 Prozent) und Widerstandsdelikte (74; 25,3 Prozent). Nach dem 7. Oktober 2023 stiegen in linken Bereich auch die antisemitischen Straftaten sprunghaft an (36 Straf-, darunter eine Gewalttat). Das extremistische Personenpotential hier: 37.000, darunter 11.200 gewaltorientiert.
    Protest gegen den Braunkohleabbau in Lützerath: Ein Demonstrant sitzt auf einem Stuhl, der auf einem Erdhaufen steht. Dahinter hängt ein Banner an einer Häuserwand, auf dem steht: "1,5 Grad Celsius heißt: Lützerath bleibt!"
    Kann das Strafrecht eine Lösung im Konflikt mit den Klimaaktivisten in Lützerath sein? Katrin Höffler im Gespräch.09.01.2023 | 6:44 min

    Zahl der Reichsbürger fällt

    Rückläufige Zahlen verzeichnet der Bericht bei "Reichsbürgern" und "Selbstverwaltern", die die staatliche Autorität und die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik insgesamt infrage stellen. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten hier sank auf 1.292 (2022: 1.856), 1.070 davon wurden als extremistisch eingestuft. Auf 149 Gewalttaten kommt der Verfassungsschutz in diesem Bereich, darunter 85 Erpressungs-, 49 Widerstandsdelikte und ein versuchtes Tötungsdelikt.
    Rechtsextremismus-Experte Andreas Speit bei ZDFheute live.
    Das Netzwerk um Prinz Reuß sei zwar zerschlagen, so Rechtsextremismus-Experte Speit. Die Reichsbürger-Bewegung liege aber stabil bei 23.000 Mitgliedern. 21.05.2024 | 15:33 min
    Dass die Zahlen im vergangenen Jahr gesunken sind, dürfte am deutlich erhöhten Fahndungsdruck und erheblichen Ermittlungserfolgen liegen, vor allem gegen die bereits 2022 aufgeflogene Gruppierung um Prinz Reuß.
    Immer wieder stoßen Ermittler im Reichsbürgermilieu auf Waffen und Sprengmittel. 2023 verloren rund 200 "Reichsbürger" und "Selbstverwalter" ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse - entweder durch Entziehung oder durch freiwillige Rückgabe, etwa nach Anhörungen durch die Waffenbehörde. Noch etwa 400 Personen aus diesem Milieu sollen aber noch immer über mindestens eine Waffenerlaubnis verfügen.

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