Hilfen für Ukraine: Ziel sollte sein, "Russland zu besiegen"

    Interview

    Ex-US-General zu Ukraine-Hilfe:Ziel sollte sein, "Russland zu besiegen"

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    Russlands Krieg in der Ukraine geht unvermindert weiter. Der ehemalige US-General Hodges fordert eine klare Zielsetzung bei der westlichen Hilfe für Kiew - und kritisiert die USA.

    Zerstörte Gebäude in der ukrainischen Stadt Charkiw.
    Die Zerstörungen im russischen Angriffskrieg sind wie hier im ukrainischen Charkiw groß. (Archivbild)
    Quelle: epa

    ZDF: In wenigen Tagen ist Europawahl. Wie schauen Sie auf Olaf Scholz (SPD) und seinen Wahlkampf als "Friedenskanzler"?
    Ben Hodges: Das größte Problem ist, dass diese Kampagne auf der falschen Prämisse basiert, dass es einen echten Frieden geben wird, wenn wir eine Verhandlungslösung zwischen der Ukraine und Russland herbeiführen könnten.
    Das wird aber nicht der Fall sein, wenn die Russen die Krim behalten dürfen. Das wird ihnen nur Zeit geben, sich auf den nächsten Angriff vorzubereiten, so wie es das Muster der russischen Politik der letzten 20 Jahre war.

    Ich denke aber, dass wir aus der Geschichte gelernt haben sollten, dass der beste Weg, den Frieden in Europa zu sichern, darin besteht, sich entschieden gegen einen Aggressor zu stellen.

    Ben Hodges, ehemaliger US-General

    Ben Hodges
    Quelle: ZDF/Jule Roehr

    ... hat als Soldat für die USA im Nahen Osten gekämpft. Bis zum Jahr 2018 war der heute 66-jährige Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa.

    ZDF: Wladimir Putin spricht jetzt von einem Waffenstillstand. Kommt das überraschend und ist das ein Durchbruch?
    Hodges: Nein, das ist es nicht. Wann immer Putin das tut, dann deshalb, weil seine Truppen in Schwierigkeiten sind und nach einer Atempause suchen, die es ihnen ermöglichen würde, sich neu zu gruppieren. Außerdem hoffen sie, dass wir aufhören, Waffen zu liefern.
    Die einzige Seite, die von einer solchen Pause profitieren würde, ist die russische. Statt sich auf eine Pause einzulassen, sollten wir das tun, was wir tun müssen, nämlich ein strategisches Ziel zu benennen.
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    Das ist es, was von Anfang an gefehlt hat: Dass wir nicht erklärt haben, was unser strategisches Ziel sein sollte.

    Und natürlich sollte das strategische Ziel sein, der Ukraine zu helfen, Russland zu besiegen.

    Ben Hodges, ehemaliger US-General

    ZDF: Und wie ist die Position der USA in diesem Punkt? 
    Hodges: Das Problem ist, dass die US-Regierung es bislang versäumt hat, definitiv zu erklären, dass sie will, dass die Ukraine gewinnt. Stattdessen sagen sie diesen nichtssagenden Satz von "we're with you for as long as it takes" ("Wir sind an Eurer Seite, solange es nötig ist") - ohne zu benennen, was das Ergebnis, das "it", sein soll.

    Die Sendung "maybrit illner" mit dem Thema "Verteidigung oder Angriff - wie weit darf Kiew gehen?" an diesem Donnerstag, 30. Mai 2024, um 22:15 Uhr im ZDF.

    Zu Gast sind der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter, der frühere Bundesaußenminister und heutige Vorsitzende der Atlantik-Brücke, Sigmar Gabriel, sowie Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Generalleutnant a. D. Ben Hodges und Sabine Fischer, Russland- und Osteuropa-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

    Es scheint, dass das oberste Ziel der Regierung ist, eine Eskalation zu vermeiden. Aber indem sie versucht, eine Eskalation zu vermeiden, ermutigt sie Russland, immer weiterzumachen.
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    ZDF: Sollte der Ukraine der Einsatz westlicher Waffen auf russischem Boden gestattet werden?
    Hodges: Die Ukraine hat das Recht, sich gemäß der UN-Charta zu verteidigen.

    Jeden Tag feuern die Russen Raketen und Artillerie auf zivile Ziele in der Ukraine ab. Das ist ein Kriegsverbrechen.

    Ben Hodges, ehemaliger US-General

    Wenn wir der Ukraine in dieser Situation sagen, dass sie nicht mit den Waffen schießen darf, die wir ihr liefern, dann macht das keinen Sinn - weder von einem moralischen noch von einem rechtlichen - noch von einem militärischen Standpunkt aus.
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    ZDF: Sollte die Nato ukrainische Soldaten auf ukrainischem Territorium ausbilden? 
    Hodges: Ich denke, das sollten wir. Warum nicht? Ich meine, das haben wir bis Dezember 2021 gemacht. Aber bevor wir einen unserer Soldaten auf den Boden schicken, müssen wir die Ziele festlegen. Was ist das politische Ziel? Was versuchen wir zu erreichen?
    ZDF: Was ist mit Bodentruppen, die Emmanuel Macron ins Spiel gebracht hat?
    Hodges: Wir sollten diese Option nicht vom Tisch nehmen, auch, wenn wir nicht vorhaben, einen einzigen Soldaten zu schicken.

    Warum sollten Sie dem Feind jemals sagen, was Sie nicht tun werden?

    Ben Hodges, ehemaliger US-General

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    ZDF: Wie beurteilen Sie die Erfolgschancen der geplanten Friedenskonferenz in der Schweiz? 
    Hodges: Russland könnte diesen Krieg heute beenden, indem es sagt: "Wir werden uns zurückziehen, wir haben die Krim illegal besetzt, wir sind illegal in der Ukraine, und wir werden uns zurückziehen."

    Aber die Russen werden ihn jetzt nicht beenden, weil sie zuversichtlich sind, dass der Westen langfristig gesehen seine Unterstützung für die Ukraine einstellen und damit den Russen zum Sieg verhelfen würde.

    Ben Hodges, ehemaliger US-General

    Aber wenn Russland gewinnt, werden Zehntausende ukrainischer Soldaten gezwungen, als Kanonenfutter in der nächsten Phase des russischen Angriffskrieges eingesetzt zu werden, wenn Russland sich in Richtung Moldawien, Polen oder Litauen bewegt.
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    Und dann werden sich weitere Millionen von Ukrainern auf den Weg nach Europa machen, weil sie nichts haben, wohin sie zurückkehren können. Daher müssen wir einen Sieg Russlands unbedingt verhindern.
    Im Übrigen denke ich, dass jeder Verhandlungspartner sicherstellen muss, dass, wenn Russland die Souveränität der Ukraine respektiert, diese Tausende von ukrainischen Kindern, die von Russland verschleppt wurden, nach Hause zurückgebracht werden - und dass es eine Rechenschaftspflicht für Kriegsverbrechen gibt.
    Das Interview führte Micha Wagenbach.

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