Weniger Hilfe für die Ukraine? Grüne-Basis wehrt sich

    Weniger Hilfe für die Ukraine?:Grünen-Basis: In Russland knallen Sektkorken

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    Ist die Schuldenbremse wichtiger als die Ukraine? Die Landtagswahlen wichtiger als das deutsche Wort im Ausland? Die Basis der Grünen befürchtet das. Die Ampel findet das "infam".

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD,r) empfängt Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, aufgenommen am 11.06.2024
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    3,5 Milliarden Euro weniger für die Militärhilfe der Ukraine im kommenden Jahr als 2024: Seitdem die Pläne der Ampel-Koalition bekannt sind, wächst die Unruhe. Innerhalb der Koalition selbst und auch in den eigenen Reihen.
    In einem Offenen Brief fordern 200 Mitglieder der Grünen von ihrem Bundesvorstand, den grünen Kabinettsmitgliedern und der Bundestagsfraktion, "dass Deutschland seine Zusagen an die Ukraine und die Bündnispartner umfassend und rasch erfüllt."

    Es ist nun dringende Aufgabe des Bundestages und seiner demokratischen Kräfte, nicht zuzulassen, dass Deutschland aus dem Bündnis zur Unterstützung der Ukraine ausschert.

    Offener Brief der Grünen-Basis an ihre Parteispitze

    Schalgespräch Karl-Rudolf Korte spricht mit Marietta Slomka
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    Grüne-Basis: Schuldenbremse wichtiger?

    Rebecca Harms gehört neben Daniel Cohn-Bendit, Gunda Röstel, Ralf Fücks und Marieluise Beck zu den ersten, die den Brief unterzeichnet haben. Sie vermuten, dass in Russland inzwischen "die Sektkorken knallen". Denn die Entscheidung könne einen unmittelbaren Einfluss auf den Kriegsverlauf haben, wenn Waffen- und Munitionskäufe aufgeschoben werden.
    Das sei, so Fücks, ein "verheerendes politisches Signal". Denn "wir signalisieren damit dem Kreml, dass die Ukraine keine strategische Priorität für uns hat. Putin kann das nur als Ermutigung lesen, den Vernichtungskrieg gegen die Ukraine fortzuführen, bis dem Westen der Atem ausgeht."
    Damit erwecke die Ampel den Eindruck, "als sei die deutsche Schuldenbremse wichtiger als das Leben und Überleben einer angegriffenen europäischen Nation", heißt es in dem Brief, über den der "Tagesspiegel" zuerst berichtete. "Es scheint einmal mehr, als hätten Landtagswahlen mehr Bedeutung als internationale Verpflichtungen Deutschlands."
    Im Grenzgebiet zu Russland
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    Gespräche zu Kredit "auf gutem Weg"

    Die Bundesregierung weist diesen Vorwurf zurück. "Wir werden die Unterstützung der Ukraine fortsetzen", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Nachmittag. Die Fakten dazu lägen seit Wochen auf dem Tisch.

    Es ist eine Fehlinterpretation in die Welt gesetzt worden.

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

    Erreichen will die Bundesregierung das durch die Verlagerung der Kosten. Die G7-Staaten hatten im Juni beschlossen, dass die Ukraine aus den Zinsen auf das seit dem Krieg blockierten russischen Vermögen im Ausland einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden Euro bekommen soll.
    Damit soll die Ukraine ab Januar selbst einkaufen können, was sie zur Verteidigung braucht. "Die Gespräche sind auf einem guten Weg", versicherte der Sprecher von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), Fabian Leber. "Wir werden das in kürzester Zeit zustande bringen", sagte Scholz.
    Nach Angaben der EU-Kommission sind derzeit rund 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in der EU blockiert. 2023 wurden so rund 4,4 Milliarden Euro Zinsen eingenommen.
    Ist der Haushaltsstreit zu Ende?
    Die Regierungskoalition scheint im Haushaltsstreit endlich einen Kompromiss gefunden zu haben. Allerdings geht dieser aktuell vor allem zu Lasten der Hilfe für die Ukraine.19.08.2024 | 2:34 min

    Harms: Regierung macht einen Fehler

    Rebecca Harms, die frühere Europa-Abgeordnete und die den Brief an die Grünen-Spitze unterzeichnet hat, hält dieses Konstrukt für nicht sicher. Zumal auch schon jetzt die Lieferungen an die Ukraine nicht zuverlässig seien und Ersatzteile und Munition für gelieferte Waffen fehlten, sagte sie ZDFheute. Nun könnten zusätzliche Lücken durch fehlende Gelder entstehen.
    "Alles in allem macht die Regierung einen Fehler", so Harms, wenn man suggeriere, bei der Ukraine könne im Etat große Einsparungen erzielt werden.

    Mir fehlt eine starke gemeinsame Regierungsposition dazu, dass es dabei tatsächlich um unsere Zukunft in Europa geht.

    Rebecca Harms, frühere Europa-Abgeordnete der Grünen

    Wie die Regierung reagiert, wenn der Bedarf der Ukraine nicht gedeckt werden kann, scheint nicht eindeutig zu sein. Lindners Sprecher wies am Montag darauf hin, dass der Haushaltsentwurf mit der gekürzten Ukraine-Hilfe "insgesamt" vom Kabinett verabschiedet worden sei. Also von allen Parteien der Ampel-Koalition. Also auch von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der immer wieder fehlende Gelder im Verteidigungsetat beklagte.
    Sollte Geld für die Ukraine nun fehlen, vor allem für Munition oder Ersatzteile, hoffe man auf "einen pragmatischen Umgang", sagte am Montag der Sprecher von Pistorius. Diese Signale gebe es aus dem Hause Lindner. "Dabei bleibt es." Listen mit Forderungen der Ukraine wollte er nicht bestätigen.

    Wahlkampf? Welcher Wahlkampf?

    Vor allem im Wahlkampf in Sachsen und Thüringen wird die Höhe der Militärhilfe für die Ukraine immer wieder kritisiert. Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner wollte die geplante neue Finanzierung der Ukraine-Hilfe aber weder als Kürzung noch als Einknicken vor der BSW oder anderen Parteien verstehen. "Ich verstehe nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat", sagte Büchner.

    Es ist fast schon infam, der Bundesregierung oder dem Kanzler zu unterstellen, er würde ein Signal aussenden, die Ukraine weniger zu unterstützen zu wollen wegen irgendwelcher innenpolitischer Aspekte.

    Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner

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