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von Anna Buchschwenter
TV-Duell zur Thüringen-Wahl:Wie Höcke plötzlich "Remigration" umdeutet
von S. Hertrampf, A. Igelmann, O. Klein, J. Maas
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"Was bedeutet Remigration für Sie?", wird Björn Höcke beim TV-Duell gefragt. Der AfD-Mann überrascht mit einer völlig neuen Definition. Was steckt dahinter?
Wochenlang beherrschten Anfang des Jahres die "Correctiv"-Enthüllungen zu einem geheimen Treffen von AfD-Politikern mit Rechtsextremisten die Schlagzeilen. Bei der Zusammenkunft soll ein "Masterplan" für massenhafte Abschiebungen von Ausländern - und angeblich auch von deutschen Staatsbürgern - besprochen worden sein. "Remigration" nennt die AfD das beschönigend. Das Wort wurde zum Unwort des Jahres 2023 gekürt.
Am Abend wurde dann auch der Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Thüringen, Björn Höcke, im TV-Duell gefragt, was der Begriff Remigration für ihn konkret bedeute - und der Rechtsaußen lieferte eine völlig neue Definition:
Mir geht's vor allen Dingen um die deutschen Staatsangehörigen, die im Ausland leben, weil sie aus Deutschland geflohen sind.
Björn Höcke über Remigration
1,5 Millionen Menschen seien "in den letzten 30 Jahren ausgewandert, überdurchschnittlich gut qualifiziert. Die müssen wir zurückholen in unser Land", erklärte Höcke den verdutzten Anwesenden im Studio.
1,5 Millionen hoch qualifizierte Menschen seien in den vergangenen 30 Jahren aus Deutschland ausgewandert, behauptet Höcke. Stimmt das? Beim Statistischen Bundesamt liegen die Zahlen der Jahre 2000 bis 2022 vor. In diesem Zeitraum haben einerseits über vier Millionen Deutsche das Land verlassen. Im selben Zeitraum kehrten fast dreieinhalb Millionen Deutsche aus dem Ausland zurück. Insgesamt verließen im genannten Zeitraum rund 600.000 Deutsche mehr das Land als zurückkamen - wie Höcke auf 1,5 Millionen Menschen kommt, erklärt er nicht.
Höcke bringt völlig neue Definition ins Spiel
Höcke brachte damit eine völlig neue AfD-Definition ins Spiel - ausgerechnet beim Markenkern-Thema der Partei. Denn bisher bezog sich die AfD bei Remigration ausschließlich auf Maßnahmen zu einer "Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer in ihre Heimat", wie es in ihrem Positionspapier heißt.
"Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen", postete der AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer noch im Januar bei X. Gegenüber ZDFheute wurde Springer konkret: Neben hunderttausenden Ausreisepflichtigen würden auch Menschen aus Kriegsgebieten wie Syrien oder der Ukraine mit einem vorübergehenden Schutzstatus früher oder später das Land wieder verlassen müssen, erklärte er. Abgeschoben werden müssten außerdem "illegal Eingewanderte", "kriminelle Ausländer" und weitere Gruppen.
Für Höcke selbst war Remigration bisher ebenfalls genau das: Vertreibung von Ausländern aus Deutschland zurück in ihre Heimatländer. In seinem Buch "Nie zweimal in denselben Fluss" schreibt er, es werde ein "großangelegtes Remigrationsprojekt notwendig sein", bei dem man "nicht um eine Politik der wohltemperierten Grausamkeit" herumkommen werde. "Menschliche Härten und unschöne Szenen" würden sich nicht vermeiden lassen.
Remigration ist ein Fachbegriff aus der Migrationsforschung und bezeichnet die Rückwanderung von Emigranten in ihre Heimat. In Deutschland wurde er um 1900 für zurückgewanderte Deutsche aus Nord- und Südamerika verwendet, die zunächst als Re-Emigranten und später dann verkürzt als Remigranten bezeichnet wurden. In diesem Sinne will Björn Höcke den Begriff nun verstanden wissen.
Allerdings ist der Begriff schon seit Jahren als Schlagwort in rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen in Gebrauch und wird für massenhafte Vertreibung von Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland verwendet. Der neutrale, akademisch klingende Begriff soll dabei die tatsächliche Brutalität der Maßnahmen verschleiern. "Remigration" wurde deshalb zum Unwort des Jahres 2023 gekürt.
Allerdings ist der Begriff schon seit Jahren als Schlagwort in rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen in Gebrauch und wird für massenhafte Vertreibung von Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland verwendet. Der neutrale, akademisch klingende Begriff soll dabei die tatsächliche Brutalität der Maßnahmen verschleiern. "Remigration" wurde deshalb zum Unwort des Jahres 2023 gekürt.
Politikexperte: Höcke will sich entteufeln
Doch nun fällt Höcke bei der konkreten Frage nach Remigration nicht die Vertreibung von Menschen aus Deutschland ein - sondern die Rückkehr von Deutschen aus dem Ausland. Tatsächlich ist auch dieses Thema nicht neu bei der AfD: Im Europawahlprogramm fordert sie "Rückgewinnungsprogramme für auslandsdeutsche Leistungsträger". Doch warum verwendet Höcke für dieses Thema nun offenbar den Begriff Remigration? Von "Rumgeeier", einem "kompletten Aussetzer" und einem "Moment der Schwäche" schreiben Nutzer in Höckes X-Account.
Der Politikberater Johannes Hillje vermutet hingegen, Höcke wolle von der kontroversen Remigrationsdebatte ablenken - so erklärt er es gegenüber ZDFheute: "Damit hat er im Grunde eine völlig neue Wahrheit zu diesem Konzept erfunden". Das Ziel: "Entteufelung", wie es Hillje nennt, der 2014 als Wahlkampfmanager für die Grünen gearbeitet hatte. Seiner Meinung nach hatte diese Strategie im TV-Duell Erfolg: "Höcke konnte sich teilweise harmloser darstellen, als er ist und somit bestimmt auch mit solchen Thesen einige Menschen aus der politischen Mitte ansprechen."
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