Interview
Kritik an Ukraine-Politik:Weisband: "Putin versteht das als Einladung"
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USA und Ukraine stehen vor einem Rohstoff-Deal, Deutschland ist mitten in der Regierungsbildung unter CDU-Chef Merz. Putin könnte der Gewinner werden, warnt Publizistin Weisband.
Ein Deal über wertvolle Rohstoffe zwischen den USA und der Ukraine soll kurz vor dem Abschluss stehen. Dahinter stecke zynisches Kalkül, kritisiert die in Kiew geborene Publizistin Marina Weisband im Interview mit ZDFheute.
Weisband, die auch Mitglied der Grünen und am Donnerstagabend in der Sendung "maybrit illner" zum Thema "Trump dealt, Europa zahlt - was tut Merz?" zu Gast ist, sieht keinen Sinn in europäischen Friedenstruppen und betont: "Wenn Putin nicht militärisch geschlagen wird, gibt es null Stabilität." Friedrich Merz traut sie die nötige Charakterstärke für den Aufbau einer wehrhaften EU allerdings nicht zu.
ZDFheute: Die USA mit Präsident Donald Trump will sich militärisch zurückziehen, aber von den Bodenschätzen der Ukraine profitieren. Ist das ein nachvollziehbarer, fairer Deal? Immerhin hat die USA viele Milliarden Dollar bisher der Ukraine bereitgestellt.
Marina Weisband: Einen schwachen Staat kann man immer ausbeuten, sicher. Also was heißt nachvollziehbar?
Ich habe immer den USA sehr stark Mitschuld daran gegeben, dass das so eskalieren konnte.
Marina Weisband
Es wäre so einfach für die USA gewesen, dass sie gar kein Geld hätten hineinstecken müssen, um ein viel besseres Ergebnis zu erreichen. Nämlich, wenn Putin erst gar nicht einmarschiert wäre.
Jetzt zu kommen und zu sagen, wir haben euch aber so viel geholfen, nachdem wir euch da hineingeritten haben, jetzt dürfen wir euch ausbeuten. Das ist nachvollziehbar aus einer zynischen Perspektive.
Quelle: Imago
... wurde 1987 in Kiew geboren und zog 1994 mit ihrer jüdischen Familie nach Deutschland. Sie studierte Psychologie und wurde ab 2009 als eines der Gesichter der Piratenpartei bekannt. 2018 wechselte sie zu den Grünen, ist aber heute nur einfaches Mitglied ohne Amt und Mandat. Als deutsch-ukrainische Publizistin war sie bereits mehrmals Gesprächsgast in der maybrit illner Sendung, so auch am 24. Februar 2022, am Tag des Ausbruchs des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine.
ZDFheute: Die ukrainischen Soldaten, die seit drei Jahren im Schützengraben liegen und kämpfen: war das jetzt alles umsonst?
Weisband: Sowohl die Leute, mit denen ich spreche, als auch die Umfragen ergeben tatsächlich, dass die Ukrainer absolut bereit sind, die Ukraine weiter zu verteidigen. Da ist von Aufgeben keine Rede. Immer noch nicht. Trotz Trump nicht. Trotz allem nicht.
ZDFheute: Wäre es nach CDU-Chef Friedrich Merz gegangen, wäre die Ukraine von Deutschland stärker militärisch unterstützt worden und der Taurus geliefert worden. Ist es für die Ukraine gut, dass Merz wohl der nächste Kanzler wird?
Weisband: Ich glaube, es spielt an dieser Stelle beinahe keine Rolle, weil die USA die Ukraine nicht mehr unterstützen.
Erste Frage ist, was kann Europa wirklich tun, um die Ukraine zu unterstützen? Wenn Merz charakterstark ist, organisiert er eine wehrhafte EU.
Marina Weisband
Kauft Himars und Patriots bei den USA, um sie an die Ukraine zu liefern. Wir müssten als Europa dringend aufwachen, eigene Verteidigungsfähigkeit ausbauen und eigenständige Außenpolitik machen, jenseits der USA. Das braucht allerdings eine gewisse Charakterstärke, die ich Friedrich Merz nicht zutraue.
Die Sendung "maybrit illner" mit dem Thema "Trump dealt, Europa zahlt - was tut Merz?" sehen Sie diesen Donnerstag, 27. Februar 2025, um 22:15 Uhr live im ZDF-TV-Programm und in der ZDFmediathek, auch auf Abruf.
Es diskutieren: der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn (CDU), der Chef des Bundeskanzleramtes Wolfgang Schmidt (SPD), die in Kiew geborene Publizistin und Grünen-Politikerin Marina Weisband, die Politikwissenschaftlerin Sarah Pagung von der Körber Stiftung und Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington.
Es diskutieren: der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn (CDU), der Chef des Bundeskanzleramtes Wolfgang Schmidt (SPD), die in Kiew geborene Publizistin und Grünen-Politikerin Marina Weisband, die Politikwissenschaftlerin Sarah Pagung von der Körber Stiftung und Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios in Washington.
ZDFheute: Europäische Friedenstruppen auf ukrainischem Gebiet, würde das irgendetwas bringen?
Weisband: Was sollen sie da machen? Russland davon abhalten, die Ukraine zu vergewaltigen?
Wir haben uns Russland gegenüber schon als zahnlos gezeigt. Jemand wie Putin versteht das einfach als Einladung.
Marina Weisband
Das war schon Bidens Fehler. Wir hätten uns das alles sparen können. Wenn Biden nicht gesagt hätte, die Nato wird sich nicht einmischen in die Ukraine. Wenn Europa nicht gesagt hätte, wir mischen uns nicht ein.
Wenn wir uns aufgerüstet hätten an der Stelle, wo Putin seine Truppen aufgezogen hat, an der Grenze der Ukraine, dann wäre Putin erst gar nicht einmarschiert. Dann wäre Frieden geblieben.
Aber das haben wir nicht. Wir haben im vorauseilenden Gehorsam mit massiver Angst, einfach gesagt: Nein, wir halten die Füße still. Es ist eine Einladung, und diesen Fehler werden wir wieder und wieder machen, bis wir diesen Mechanismus verstanden haben.
ZDFheute: Wie müsste ein Frieden aussehen, der stabil ist?
Weisband: Wenn Putin nicht militärisch geschlagen wird, gibt es null Stabilität. Der Konflikt kann jetzt eingefroren werden, wie die Krim 2015. Genau dasselbe: geben wir ihm, was er will, dann gibt er vielleicht Ruhe. Ein paar Jahre Pause, er baut sich wieder auf, und fährt eine neue Invasion. Das wird genauso wieder passieren.
Das Interview führte Ruth Wimmer aus der Redaktion "maybrit illner".
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