Neues Label für Schweinehaltung:Tierwohl: "Platz ist mit das Teuerste"
von Mario Shabaviz
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Bessere Tierhaltung finden alle gut. Doch die Verbraucher kaufen vor allem günstiges Fleisch. Ein schwieriger Spagat für die Landwirtschaft, die vielfach gefordert ist.
Ab 2025 soll es eine neue fünfstufige Kennzeichnung für die Haltung von Schweinen geben. (Symbolbild)
Quelle: dpa
"Ich esse gerne Fleisch, aber das finde ich so widerlich!", "Schlimm, was wir mit den Tieren machen". Die Besucher des Wochenmarktes sind erschüttert, als sie sehen, wie wenig Platz ein Mastschwein in der Haltung zur Verfügung steht. Nur 0,75 Quadratmeter sieht das Gesetz dafür in Stufe 1 vor. Das ist die niedrigste von künftig fünf Haltungsstufen, die ab 2025 gelten.
Höhere Haltungsstufen wenig nachgefragt
Landwirt Jörn Ehlers, der jährlich rund 6.000 Schweine zur Schlachtreife bringt, lebt täglich im Spagat zwischen Erwartung und Realität. Geht es nach der Politik, so sollen die bald fünf Tierhaltungsstufen die Verbraucher dazu bringen, eher höherwertiges Fleisch zu kaufen. Doch das ist nicht der Fall, stellt er fest:
Insbesondere seit vergangenem Jahr "können wir eine deutliche Abnahme der Bereitschaft sehen, für Lebensmittel mehr Geld auszugeben", sagt er. Derzeit mästet Bauer Ehlers rund 2.000 Schweine. Deren gute Haltung liegt ihm am Herzen.
Ihnen mehr Platz zu geben, ist aber eine wirtschaftliche Erwägung. Einen neuen Stall zu bauen bedeutet Kosten von bis zu 2.000 Euro pro Tier und Platz in den höheren Haltungsstufen.
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Landwirt: Mehr Tierwohl muss sich rechnen
"Platz ist mit das Teuerste, was wir den Tieren geben können", sagt Landwirt Jörn Ehlers.
Sprich, Ehlers müsste erstmal ins Risiko gehen und hoffen, dass der Markt ihm die Investition wieder verlässlich einspielt. Eine Abwägung, die viele der rund 16.200 anderen Schweine haltenden Betrieben in Deutschland beschäftigen dürfte.
Die im Agrarsektor oft stark schwankenden Preise, gestiegene Kosten für Futter, Dünger und Energie erschweren die Entscheidung, mit hohen Investitionen den Umbau zu besserer Tierhaltung voranzutreiben.
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Konkurrenz in Europa erschwert die Lage
Fallen dann noch - fiskalisch motiviert - Subventionen teilweise weg, wie jüngst beim Agrardiesel, ist für viele die Schmerzgrenze erreicht. Auch Landwirt Ehlers ist daher bei den aktuellen Protesten der Bauern dabei.
Erschwert wird die Lage noch durch die Konkurrenz in Europa, so Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands: "Wir haben für tierische Lebensmittel einen europäischen Binnenmarkt. Und wir versuchen hier national einen eigenen Weg zu gehen. Aber das wird immer dazu führen, dass die Marktanteile, die deutsche Erzeuger aufgeben, aufgesogen werden von den Kollegen, insbesondere aus Spanien. Und dort spielen die Diskussionen um Tierwohl keine große Rolle."
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Nationale Regeln versus Weltmarkt
Auf das Konkurrenz-Problem beim Bau neuer Ställe verweist auch Professor Harald Grethe, Agrarwissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin:
Einer besseren Tierhaltung fühlt sich Bauer Ehlers dennoch verpflichtet. Er hält einen Teil seiner Tiere unter deutlich höheren Haltungsstandards. Doch einen angemessenen Preis auf dem Markt erzielt er dafür aber nicht.
"Diese Strohschweine, die wir hier jetzt haben, werden ganz normal als Haltungsstufe 2 vermarktet, was eigentlich für diese Haltungsform ein viel zu geringer Erlös ist. Das ist Haltungsstufe 3 bzw. Haltungsstufe 4, wenn wir den Auslauf noch etwas vergrößern würden."
Wie wichtig ist Ihnen das Tierwohl beim Kauf von Fleischprodukten? Das Haltungsform-Label soll mehr Orientierung bieten. Macht es das gut? Was es zeigt und was nicht im Überblick.
Und für Fleisch aus den Haltungsstufen 3 oder 4 müsste er eigentlich deutlich mehr Geld verlangen, der höheren Kosten halber. Für diese Preise bekommen Schweinemäster wie Ehlers die Tiere aber nicht los.
Eine Milliarde Euro vom Bund - für bessere Ställe
Mit rund einer Milliarde Euro will der Bund in den kommenden vier Jahren den Umbau der Tierhaltung, insbesondere bei Schweinen, unterstützen. Doch das, so Landwirt Ehlers, deckt momentan nur gut 50 Prozent der dann fälligen Zusatzkosten.
Im Wirtschaftsjahr 2022/23 (jeweils von Juli bis Juni) erzielten Haupterwerbsbetriebe in der Landwirtschaft durchschnittlich 115.400 Euro. Ein Plus zum vorigen Wirtschaftsjahr von 45 Prozent. Laut Bauernverband müsse man diese Zahlen aber vor dem Hintergrund schwacher Vorjahre, gestiegener Markt- und Klimarisiken sehen.
Das durchschnittliche Einkommen aller Landwirtinnen und Landwirte lag im Wirtschaftsjahr 2021/22 bei rund 43.500 Euro je Arbeitskraft. Betrachtet man aber die Einkommen der Angestellten in der Landwirtschaft, so ergibt sich wieder ein anderes Bild. Während laut Statistischem Bundesamt in 2021 der durchschnittliche Bruttolohn über alle Berufs- und Tarifgruppen bei 38.198 Euro lag, so betrug er für landwirtschaftliche Angestellte nur 18.509 Euro.
Und so wundert es nicht, dass der Anteil an Bio-Schweinefleisch im Gesamtmarkt noch immer bei gerade mal einem Prozent liegt.