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Nach Chaos im Thüringer Landtag:AfD unterliegt der CDU vor Verfassungsgericht
von Daniel Heymann und Alexandra Tadey
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Nach der Chaos-Sitzung im Erfurter Landtag hat nun der Thüringer Verfassungsgerichtshof klargestellt: Der AfD-Alterspräsident muss Anträge der anderen Fraktionen zulassen.
Das Landesverfassungsgericht in Thüringen hat einem Antrag der CDU stattgegeben. Alterspräsident Treutler (AfD) muss damit auch Anträge anderer Fraktionen zulassen.28.09.2024 | 0:23 min
Es war ein skurriles Schauspiel, das am Donnerstag im Thüringer Landtag dargeboten wurde. In der Hauptrolle: der 73-jährige Alterspräsident Jürgen Treutler von der AfD.
Treutler entzog anderen Abgeordneten das Wort, ließ ihre Anträge nicht zu, wollte sogar ihre Mikrofone abschalten lassen - und maßte sich so Befugnisse an, die weit über das eher zeremonielle Amt eines Alterspräsidenten hinausgehen.
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Nach über vier Stunden voller Unterbrechungen, Zwischen- und Ordnungsrufen kündigte die CDU deshalb den Gang vor den Thüringer Verfassungsgerichtshof in Weimar an.
Die Richterinnen und Richter haben am Freitagabend nun im Eilverfahren entschieden: Das Verhalten des Alterspräsidenten war verfassungswidrig. Treutler habe sowohl das Recht des Parlaments auf Selbstorganisation als auch die Rechte der Abgeordneten auf freie Mandatsausübung missachtet.
Gericht: Alterspräsident muss neutral agieren
Die Entscheidung macht deutlich, dass der Alterspräsident bei Ausübung seiner Rolle Zurückhaltung zu üben hat. Mangels demokratischer Legitimation und besonderer Qualifikation sind seine Befugnisse allein auf die vorläufige Leitung der Sitzung bis zur Wahl des Landtagspräsidenten beschränkt:
Treutler hingegen, dem während der Sitzung immer wieder die AfD-Abgeordneten Torben Braga und Stefan Möller beratend zur Seite standen, sah in dem Amt offensichtlich eine parteipolitische Bühne - dass die AfD eine Eskalation und den Gang vor den Verfassungsgerichtshof provozieren wollte, hat er inzwischen offen zugegeben.
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Wie geht es jetzt weiter?
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluss klargestellt: Es ist eines der fundamentalen Rechte eines Parlaments, sich selbst zu organisieren.
Bei der konstituierenden Sitzung des Landtags, die am Samstag fortgesetzt werden soll, haben dementsprechend auch die anderen Fraktionen das Recht, ihre Anträge zu stellen.
Der Landtagspräsident oder die Landtagspräsidentin ist eine Art Aushängeschild oder Visitenkarte des Thüringer Parlaments. Im Amt vereinen sich sowohl repräsentative als auch organisatorische Aufgaben: Unter anderem vertritt er oder sie den Landtag nach außen, führt die Geschäfte, übt Hausrecht oder Ordnungs- und Polizeigewalt aus - kann also auch entscheiden, wem Zutritt zum Landtag gewährt oder verweigert wird.
Alle Fraktionen können Kandidaten vorschlagen
Mit einer entsprechend geänderten Geschäftsordnung haben sie ebenso wie die AfD die Möglichkeit, sofort Kandidaten für das Amt des Landtagspräsidenten vorzuschlagen - und so endlich die Arbeitsfähigkeit des Parlaments herzustellen:
Ob sich die AfD sich an die Vorgaben aus Weimar hält, ist unklar. Bislang hat sich die Partei in maximaler Provokation geübt. Für das Amt der Landtagspräsidentin will sie die Abgeordnete Wiebke Muhsal vorschlagen. Muhsal wurde im Jahr 2018 rechtskräftig verurteilt - wegen Betrugs am Landtag.
Höcke schimpft auf "Kartellparteien"
Björn Höcke, der Fraktionsvorsitzende der Thüringer AfD, sprach mit Blick auf die chaotische Sitzung von einem "Tiefpunkt parlamentarischer Kultur" - verursacht jedoch nicht durch das Verhalten Treutlers, sondern durch angebliche "Obstruktion der Kartellparteien".
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Die Verfassungsrichter wiederum seien nach "Altparteienproporz" bestimmt.
CDU erleichtert
Die CDU begrüßte die Entscheidung des Verfassungsgerichts am Freitagabend. Es habe das "rechtsmissbräuchliche Verhalten des Alterspräsidenten" eindeutig festgestellt und ihn verpflichtet, so zu verfahren, wie es die Parlamentsmehrheit verlange.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Andreas Bühl, betonte, dass damit alle Voraussetzungen für einen geordneten parlamentarischen Ablauf erfüllt seien.
Was auch immer passiert, wenn die Sitzung am Samstagmorgen fortgesetzt wird: Der Ton für diese Legislaturperiode ist gesetzt. Die neue stärkste Kraft im Landtag hat deutlich gemacht, wie sie mit ihrer Position umzugehen gedenkt. Für die anderen Parteien dürfte auch der parlamentarische Alltag zur Herausforderung werden.
Daniel Heymann und Alexandra Tadey sind Mitglieder der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
Quelle: dpa, ZDF
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