Thüringen: Stille Gespräche über Koalition aus CDU, SPD, BSW
Regierungsbildung in Thüringen:Stille Verhandlungen über Brombeer-Koalition
von Daniela Sonntag
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Erstaunlich geräuschlos verlaufen bislang die Thüringer Gespräche zur Regierungsbildung. Doch schon nächste Woche steht der erste Test für die möglichen neuen Partner an.
Der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt (r.) gibt sich zuversichtlich in Sachen Brombeer-Koalition aus CDU, SPD und BSW.
Quelle: dpa
Es ist so ruhig, wie man es in der Thüringer Politik, zumal nach einer Landtagswahl, selten erlebt. Das Stillschweigen hält, das sich CDU, SPD und BSW versprochen haben, während sie hinter den Kulissen an einer neuen Konstellation schwarz-rot-lila arbeiten. Zu groß wohl die Angst der Parteien, vor der Wahl am Wochenende noch Thüringer Turbulenzen bis nach Brandenburg schwappen zu lassen.
Doch es wird gesprochen, und zwar ziemlich viel. "Optionsgespräche" haben sie das Format getauft, das der Anfang für eine sogenannte Brombeer-Koalition sein könnte. Mario Voigt von der CDU könnte gemeinsam mit BSW und SPD eine Regierung bilden, die die Hälfte aller Sitze im Parlament hätte.
Immerhin stünde so ein Bündnis besser da als die bisherige rot-rot-grüne Minderheitsregierung, der vier Stimmen fehlen. Am Donnerstag treten zum ersten Mal die Spitzen aller drei Parteien zu einem Optionsgespräch zusammen.
Koalitionsoption: CDU-Mann im Land trifft BSW-Chefin im Bund
Damit das politische Neukonstrukt eine Chance hat, hatte Voigt sich in der vergangenen Woche sogar mit BSW-Chefin Sahra Wagenknecht in Berlin getroffen. Auch das ein Novum, dass ein Verhandlungsführer aus einem Bundesland sich mit der Parteivorsitzenden im Bund zusammensetzt.
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Freundlich sei die Atmosphäre gewesen, man hätte über Thüringer Themen aber auch über die außenpolitischen Forderungen des BSW gesprochen, hieß es.
Regieren in Thüringen mit "neuer politischer Kultur"?
Dass die Thüringer BSW-Vertreter gar nicht dabei waren, findet die Parteivorsitzende und neue Thüringer Fraktionschefin des BSW, Katja Wolf, dann auch nicht bedenklich. "Das hat uns ehrlich gesagt nicht überrascht und ich finde gut, dass es diesen Gesprächsfaden gibt."
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Im Thüringer Parlament werden sie neue Wege gehen müssen, Verhältnisse ohne Vorbild - und so reden jetzt alle von einer "neuen politischen Kultur". Pragmatischer, lösungsorientierter, und weniger ideologisch.
Und da kommt es Mario Voigt auch zupass, dass der CDU-Parteivorsitzende und Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, in dieser Frage hinter ihm steht. Am Wochenende hatte Merz auf der Tagung des Arbeitnehmerflügels der CDU parteiinternen Initiativen zu einem Unvereinbarkeitsbeschluss mit dem BSW einen Rüffel erteilt.
CDU in Thüringen auf Linke angewiesen
Die ostdeutschen Verhandlungsführer in Sachsen und Thüringen seien in einer schwierigen Situation, aber "brauchen keine klugen Ratschläge aus der Komfortzone des Westens, was hier im Osten jetzt geschehen muss", so Merz.
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Zumal die CDU in Thüringen für Mehrheitsentscheidungen auch auf die Linken angewiesen ist - mit denen sie offiziell einen Unvereinbarkeitsbeschluss hat. Die stark geschrumpfte Fraktion hat aber schon angekündigt, als konstruktive Opposition zu agieren.
Erster Test für Brombeer-Option: Wahl des Landtagspräsidenten
Wie belastbar diese neuen Thüringer Verhältnisse sind - und wie gut die stillen Absprachen der letzten Wochen funktionieren -, wird sich zum ersten Mal nächste Woche Donnerstag zeigen: Dann konstituiert sich der Landtag, und das geht nur mit der Wahl eines Landtagspräsidenten oder einer Landtagspräsidentin.
Das Vorschlagsrecht hat die stärkste Partei, also die AfD. Soll das höchste repräsentative Amt im Parlament nicht an einen AfD-Vertreter fallen, müssten sich alle anderen auf einen gemeinsamen Kandidaten oder eine Kandidatin einigen. Das wäre die erste Probe für eine neue Thüringer Allianz.
Daniela Sonntag ist Redakteurin im ZDF-Landesstudio Thüringen.
Quelle: ZDF
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