Thüringer Landtag: Konstituierende Sitzung endet mit Eklat
CDU ruft Verfassungsgericht an:Thüringer Landtag: Erste Sitzung endet im Eklat
von Mona Trebing, Erfurt
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Wie zerrissen das neu gewählte Thüringer Parlament ist, wurde bereits in seiner ersten Sitzung heute klar. Konstituierung und Wahl eines Landtagspräsidenten sind gescheitert.
Die erste Sitzung des Thüringer Landtages verlief turbulent. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Andreas Bühl, warf Alterspräsident Jürgen Treutler "Machtergreifung" vor.26.09.2024 | 3:14 min
Mal wieder ist es Thüringen, das für ein politisches Novum sorgt. Die erste Sitzung des Thüringer Landtags endet so, wie es viele schon vorab erwarteten - im Eklat. Die Konstituierung des achten Thüringer Landtags ist kläglich gescheitert.
Zweck dieser ersten Sitzung ist, dass das neu gewählte Parlament seine Arbeit nach der Landtagswahl in Thüringen einer Landtagspräsidentin oder eines Landtagspräsidenten vollständig aufnehmen kann. Nach stundenlangem Gezerre wurde um circa 16:15 Uhr klar: Zweck verfehlt. Die Sitzung muss abgebrochen werden. Die CDU ruft den Thüringer Verfassungsgerichtshof an.
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Es sei das "letzte Mittel" zu dem die CDU greife, damit der Thüringer Landtag überhaupt arbeitsfähig werde, so Andreas Bühl, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion.
CDU und BSW fordern Änderung der Geschäftsordnung
Vorausgegangen war ein Streit, der sich schon seit Tagen anbahnte. Als stärkste Fraktion hat die AfD laut aktueller Geschäftsordnung des Thüringer Landtags das Vorschlagsrecht bei der Wahl einer Landtagspräsidentin bzw. eines Landtagspräsidenten.
Doch die anderen Parteien hatten schon im Vorfeld angekündigt, auf gar keinen Fall jemanden von der in Thüringen vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuften AfD ins höchste Amt des Parlaments zu wählen. CDU und BSW hatten deswegen einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung auf die heutige Agenda - noch vor die Präsidentenwahl - setzen lassen.
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Sie wollen, dass alle Fraktionen schon im ersten Wahlgang eine Kandidatin oder einen Kandidaten vorschlagen dürfen. Doch die AfD hält das für nicht rechtens. Die Abstimmung über diesen Antrag wurde vom Alterspräsidenten Jürgen Treutler (AfD) nicht zugelassen.
Treutler unterbricht Sitzung nach wenigen Minuten
Wie üblich führte der sogenannte Alterspräsident, also der älteste Abgeordnete des Landtags, durch die Sitzung. Erstmalig kam er von der AfD. Gerade mal acht Minuten dauerte es, bis der 73-jährige Jürgen Treutler die Sitzung zum ersten Mal unterbrach. Grund dafür war eine Wortmeldung von Andreas Bühl (CDU), der den Alterspräsidenten bat, die Namen aller anwesenden Abgeordneten zu verlesen, um die Geschäftsfähigkeit des Landtags festzustellen.
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Doch Treutler hielt daran fest, seine Rede fertig zu halten. Er nutzte diese, um die ablehnende Position der AfD zum eingebrachten Geschäftsordnungsänderungsantrag zu vertreten, inszenierte sich selbst als "Hüter der Demokratie". Applaus gab es nur aus der AfD-Fraktion.
Auf erneute Anträge der anderen Fraktionen, die Beschlussfähigkeit festzustellen, reagierte Treutler immer wieder mit Sitzungsunterbrechungen - teils von über dreißig Minuten.
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Der Alterspräsident weigerte sich häufig, Abgeordneten das Wort zu erteilen. Erteilte stattdessen mehrfache Ordnungsrufe und wollte ihnen das Wort entziehen. "Ich bitte darum, dass die Mikros abgestellt werden", sagte er rund eine Stunde vor dem endgültigen Abbruch der Sitzung. Die Fraktionen von SPD, Linke, BSW und CDU protestierten lautstark dagegen.
Der Landtagspräsident oder die Landtagspräsidentin ist eine Art Aushängeschild oder Visitenkarte des Thüringer Parlaments. Im Amt vereinen sich sowohl repräsentative als auch organisatorische Aufgaben: Unter anderem vertritt er oder sie den Landtag nach außen, führt die Geschäfte, übt Hausrecht oder Ordnungs- und Polizeigewalt aus - kann also auch entscheiden, wem Zutritt zum Landtag gewährt oder verweigert wird.
CDU ruft Verfassungsgerichtshof an
Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD warf AfD-Mann Treutler vor, er hätte Abgeordnetenrechte nicht nur eingeschränkt, sondern auch weggenommen. Außerdem sehen Abgeordnete von CDU, BSW, Linke und SPD durch das Handeln des Alterspräsidenten einen Bruch der Verfassung.
Auch weil Treutler keine inhaltliche Debatte zugelassen habe, rufe die CDU jetzt den Thüringer Verfassungsgerichtshof an. Sie wollten feststellen lassen, ob das Verhalten Treutlers eine Verletzung der Abgeordnetenrechte und des Parlaments gewesen sei, sagt Mario Voigt, Fraktionsvorsitzender der CDU. Die AfD habe heute mit ihrem Verhalten deutlich gemacht, dass sie "nicht Opfer, sondern Täter" sei.
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"Diese Versuche zu stören, also auch den Ablauf durch obstruktives Verhalten zu verändern, die kamen nicht von Herrn Treutler, die kamen aus den Reihen der anderen Fraktionen", kritisiert Stefan Möller von der AfD.
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FAQ
Verfassungsgerichtshof könnte im Eilverfahren entscheiden
Verfassungsrechtler Michael Brenner hält die Sitzungsleitung Treutlers für mutmaßlich verfassungswidrig. Treutler müsse auch auf Grundlage der geltenden Geschäftsordnung über Anträge von Abgeordneten zur Geschäftsordnung abstimmen lassen.
Jetzt liegt die Entscheidung darüber jedoch erstmal beim Thüringer Verfassungsgerichtshof in Weimar. Nach Angaben eines Sprechers könnte im Eilverfahren möglicherweise innerhalb von 24 Stunden entschieden werden. Die konstituierende Sitzung soll am Samstag ab 9:30 Uhr weitergehen.
Mona Trebing ist Redakteurin im ZDF-Landesstudio Thüringen in Erfurt.
Quelle: ZDF
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