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Thüringen wählt am Sonntag:Zeigen AfD-Skandale bei Kommunalwahl Wirkung?
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Die politische Basis in Thüringen wird am Sonntag neu aufgestellt. Mit im Fokus: Wie schneidet die in Thüringen als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD ab?
Wer repariert die Schlaglöcher in der Dorfstraße? Wie kann die leere Innenstadt wiederbelebt werden? Wo sollen noch Windräder aufgestellt werden? Fragen, mit denen sich Kommunalpolitikerinnen und -politiker bundesweit beschäftigen.
Rund 1,7 Millionen wahlberechtigte Thüringerinnen und Thüringer können bei der Kommunalwahl am Sonntag darüber abstimmen, wer in ihrem Heimatdorf, ihrer Stadt oder ihrem Landkreis zukünftig politische Entscheidungen treffen soll.
Ein Stimmungstest vor der Landtagswahl
Die Kommunalwahl ist der Auftakt des Superwahljahrs in Thüringen: In zwei Wochen folgt die Europawahl, am ersten September wird ein neuer Landtag gewählt. Die Abstimmung am Sonntag - ein Stimmungstest im Freistaat.
Traditionell ist die CDU am stärksten in den Kommunen vertreten. Altersbedingt dürfen sieben ihrer aktuellen Landrätinnen und Landräte aber nicht mehr antreten, denn in Thüringen gilt eine Altersgrenze von 65 Jahren. Ein Generationswechsel steht an - in Zeiten von frustrierten Bürgerinnen und Bürgern und wachsender politischer Konkurrenz.
Erstmals stellt auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) eigene Kandidatinnen und Kandidaten auf. Außerdem gibt es viele Bürgerinitiativen, Vereine und Parteilose, die sich Chancen ausrechnen, weil das Vertrauen mancher Wählerinnen und Wähler in die etablierten Parteien gesunken ist.
Welche Strategie verfolgt die AfD?
Auch die Thüringer AfD will davon profitieren, hat im Freistaat hohe Zustimmungswerte. Im Landkreis Sonneberg regiert seit Sommer bereits ihr erster Landrat. Im Januar verlor im Saale-Orla-Kreis ein AfD-Mann in der Stichwahl nur knapp gegen seinen CDU-Kontrahenten. Der Politikwissenschaftler Benjamin Höhne von der TU Chemnitz sagt:
Die AfD verfolgt auf einer kommunalen Ebene eine Normalisierungsstrategie. Sie versucht aus der rechten, stigmatisierten Ecke herauszubrechen und mit ihrer Politik die Mitte der Bevölkerung zu adressieren.
Benjamin Höhne, Politikwissenschaftler
Für die anstehende Wahl hofft die AfD auf neue kommunale Posten und Mandate - trotz zahlreicher negativer Schlagzeilen in den letzten Tagen und Wochen. AfD-Landeschef Björn Höcke wurde jüngst wegen des Gebrauchs einer verbotenen SA-Losung zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt.
Parteiinterner Streit in Landkreis
Im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt herrscht ein parteiinterner Streit. Unstimmigkeiten über die Kommunalwahl-Liste führten zu einem Eklat. Björn Höcke macht hier deswegen mit einer alternativen Liste Wahlkampf gegen eigene Parteimitglieder und leitet ein Parteiausschlussverfahren gegen sie ein. Diese Mitglieder wiederum fordern, dass Höcke selbst geht. Und erst am Donnerstag wurde die hiesige Junge Alternative vom Thüringer Verfassungsschutz ebenfalls als gesichert rechtsextremistisch eingestuft.
Ob die AfD deswegen Wählerinnen und Wähler verliert, ist fraglich. An einen Durchmarsch der AfD in Thüringen glaubt Politikwissenschaftler Höhne aber nicht:
Bei den vergangenen Kommunalwahlen in den letzten Monaten haben wir gesehen, dass die AfD Personal konzentriert hat und da den teils nur schwach dastehenden anderen Parteien doch erheblich etwas entgegensetzen konnte.
Benjamin Höhne, Politikwissenschaftler
Da nun aber deutschlandweit mehrere Kommunalwahlen anstünden, dürfte dies jedoch nicht flächendeckend möglich sein, meint Höhne.
Landkreis Hildburghausen: Neonazi als Kandidat zugelassen
Eigentlich schließt das Thüringer Kommunalwahlgesetz Extremisten von der Teilnahme an Bürgermeister- und Landratswahlen aus. Ein bundesweit bekannter Neonazi hat es im Landkreis Hildburghausen trotzdem auf den Wahlzettel geschafft. Der 37-jährige Tommy Frenck ist seit Jahren eine zentrale Figur in der rechtsextremen Szene Thüringens. Er tritt für das "Bündnis Zukunft Hildburghausen" an. Bereits 2018 wurde er als Landratskandidat vom Wahlausschuss zugelassen.
Der Thüringer Verfassungsschutz hatte den Mitgliedern des Wahlausschusses vor ihrer Entscheidung ein eigenes Dossier über Frenck zur Verfügung gestellt. Laut der stellvertretenden Landkreiswahlleiterin hat dies "die Mehrheit der Wahlausschussmitglieder nicht davon überzeugen können, dass derzeit eine rechtlich ausreichende Dokumentation für eine Nichtzulassung von Herrn Frenck vorliegt".
Demos für Demokratie auch in Thüringen
Diese Entscheidung löste viel Kritik aus. Umstritten war auch die Zulassung der Kandidatur des Thüringer AfD-Co-Chefs Stefan Möller für das Amt des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt.
Hier ruft einen Tag vor der Kommunalwahl erneut ein Bündnis auf, gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Ihr selbsterklärtes Ziel: Menschen zum Wählen zu motivieren, den Wahlerfolg der AfD zu schmälern und damit die Demokratie zu verteidigen.
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