Sie rufen "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus": In einem Video singen mehrere Personen rassistische Parolen vor einem Lokal auf Sylt. Der Staatsschutz ermittelt.
Vor einem Sylter Nobel-Lokal grölt eine Gruppe rechtsradikale Parolen. Die Empörung ist groß. Staatsschutz und Staatsanwaltschaft haben nun Ermittlungen eingeleitet.24.05.2024 | 1:54 min
Ein Video, in dem junge Menschen vor einem Lokal auf der Nordsee-Insel Sylt rassistische Parolen grölen sollen, stößt auf große Empörung. In der nur wenige Sekunden langen Aufnahme, die sich seit Donnerstag in den sozialen Medien verbreitet, grölen junge Männer und Frauen zur Melodie des Party-Hits "L’amour Toujours" von Gigi D'Agostino "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen".
Ein Mann scheint mit seinen Fingern auf der Oberlippe einen Hitlerbart anzudeuten. Eine der an dem Gegröle beteiligten jungen Frauen mit Sonnenbrille im Haar und weißer Bluse hatte die Szene gefilmt. Die Umstehenden singen und wippen, haben Gläser mit Getränken in den Händen. An dem Gegröle scheint sich niemand zu stören.
Seit Monaten nutzen Rechte eingängige Lieder, um ihre Parolen zu verbreiten, sagt ZDFheute-Faktenchecker Nils Metzger. Das sei für Außenstehende nicht immer klar ersichtlich. 24.05.2024 | 7:51 min
Scholz und Faeser nennen Video "rassistisch"
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte die dargestellten Szenen in dem Video:
Scholz ließ zuvor durch eine Sprecherin ausrichten, das Video sei rassistisch. Ähnlich äußerte sich auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Ein Sprecher Faesers sagte: "Was man da sehen und hören kann, ist zutiefst rassistisch und zutiefst menschenverachtend." Die Echtheit des Videos müsse nun überprüft werden, so der Sprecher.
Auch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident, Daniel Günther (CDU), verurteilte die Szenen: "Was dort zu sehen ist, zeichnet ein Bild von einer schlimmen Wohlstandsverwahrlosung. Gegen solche Taten gehen wir konsequent und mit aller Härte vor, Rechtsextremismus bekämpfen wir mit aller Entschiedenheit.
Rassistische Parolen zu grölen könne mit einer Geldstrafe geahndet werden, so Medienanwalt Christian Solmecke. Aber es habe auch schon Freiheitsstrafen gegeben. 24.05.2024 | 9:51 min
Lokal-Inhaber: Haben Namen von Beteiligten an Polizei gegeben
Die Betreiber des Lokals erklärten auf Instagram zu dem Video, sie seien "tief schockiert".
"Hätten wir von dem Vorfall gewusst, hätten wir die betreffenden Gäste selbstverständlich des Hauses verwiesen. Es gibt keinen Platz für Rassismus!!!", schrieben die Betreiber des Lokals auf Instagram.
Der Betreiber des Pony-Clubs distanziert sich im ZDF von den Gästen, deren Video viral ging. Er dulde keinen Rassismus. Solche Fälle müssten gemeldet werden, so Tim Becker. 24.05.2024 | 8:06 min
Nach Angaben von Inhaber Tim Becker wurde die gesamte Szene von Überwachungskameras mit Ton aufgezeichnet. Man habe die Namen aller fünf Beteiligten an die Polizei gegeben. Auch die Überwachungsaufnahme sei der Polizei übermittelt worden, sagte Becker der Nachrichtenagentur dpa.
Man werde die Gäste künftig stärker animieren, rassistische Vorfälle den Türstehern zu melden. Normalerweise könnten solche Vorfälle in dem relativ kleinen Lokal Pony nicht unbemerkt bleiben. Pfingsten sei mit der Großveranstaltung eine Ausnahme. Der Vorfall belaste die ganze Insel. "Alle sind traurig, dass das passiert ist", sagte Becker.
Staatsschutz hat Ermittlungen aufgenommen
Das Fachkommissariat für Staatsschutz hat wegen des Videos Ermittlungen wegen Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen aufgenommen. Das teilte die Polizei mit.
Am späten Donnerstagabend sei der Polizei auf Sylt ein Video zugespielt worden, auf dem offenbar eine Feier auf der Außenterrasse eines Sylter Nachtclubs aufgezeichnet wurde. "Auf dem Video ist zu sehen, wie mindestens Teile der abgebildeten Personen rechtsextreme Liedtexte ("Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!") singen", so die Polizei.
Der Vorfall ereignete sich nach ersten Erkenntnissen bereits am Pfingstwochenende. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Flensburg und der Polizei richten sich den Angaben zufolge zunächst gegen die Personen, "die auf dem Video offensichtlich die oben genannten Äußerungen mitsingen bzw. Kennzeichen tätigen". Es sei aber nicht auszuschließen, dass weitere Tatverdächtige hinzukommen, die auf diesem Video nicht zu sehen seien. Ersten Hinweisen auf beteiligte Personen werde nachgegangen.
Auch in Schulen kommt es immer wieder zu rassistischen Vorfällen.08.05.2024 | 1:39 min
Antirassismusbeauftragte übt scharfe Kritik
Die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, äußerte sich schockiert über das Video. Dies sei ein Fall für die Polizei und die Strafgerichte, sagte sie.
Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, sprach von "blankem Rassismus", der sich immer weiter in alle Milieus und Altersgruppen hineinfräse und offen ausgelebt werde. "Die Bilder stammen offenbar nicht aus einer Nazikneipe, sondern einer Nobelbar in Sylt. Rassismus darf aber in Deutschland nie wieder zum Normalfall werden." Sie begrüßte die Aufnahme polizeilicher Ermittlungen.
Weitere Reaktionen auf die rassistischen Parolen:
Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Sylter Gemeinden haben sich mit klaren Worten gegen die rassistischen Gesänge gestellt. "Wir haben für diese Gesänge null Toleranz. Dieses Verhalten ist für uns abstoßend und vollkommen inakzeptabel. Wir dulden das nicht", sagten sie laut Mitteilung.
In dem Statement heißt es weiter: "Auf Sylt leben Menschen aus 113 Nationen friedlich miteinander. Wir begrüßen Touristinnen und Touristen aus vielen Ländern. In diesen Tagen, in denen das Grundgesetz 75 Jahre alt wird, während die liberale Demokratie unter Beschuss steht, möchten wir als Sylt ganz unmissverständlich klar machen: Solche Gäste brauchen nicht noch einmal nach Sylt zu kommen. Sie sind herzlich ausgeladen. Denn wir sind eine weltoffene Insel."
Bundesjustizminister Marco Buschmann sagte der dpa in Berlin. "Ausländerfeindliche Parolen widersprechen allem, wofür das Grundgesetz steht." "Wer so etwas grölt, hat nichts aus der Geschichte gelernt." Strafrechtlich relevante Äußerungen müssten entsprechende Konsequenzen haben. Entsprechende Ermittlungen obliegen den zuständigen Behörden, wie Buschmann sagte.
"Zugleich ist klar: Das Strafrecht alleine ist nicht die Lösung aller gesellschaftlichen Probleme. Wir alle sind gefordert, Tag für Tag für die Werte des Grundgesetzes einzutreten und zu werben und plumpe Parolen als solche zu entlarven."
Auch Grünen-Bundeschefin Ricarda Lang fand deutliche Worte: "Wenn ich sowas sehe, dann wird mir einfach nur schlecht. Dann kann ich das kaum ertragen", sagte Lang bei einer Wahlkampfveranstaltung in Karlsruhe. "Was ist das für eine Wohlstandsverwahrlosung? Was ist das für ein absurder Wahnsinn?"
Einen Tag nach den Feiern zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes verwies Lang auf den ersten Artikel: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Das gelte nicht nur für weiße Menschen, für Menschen mit deutschem Pass oder für Menschen, die hier aufgewachsen sind, sagte die Parteivorsitzende. "Sondern die Würde jedes Menschen ist unantastbar", betonte Lang. "Wenn unser Grundgesetz eines sagt, dann ist es: Nazis raus!"
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) bewertet die auf Video festgehaltenen Szenen als schlimme Verfehlungen. "Was dort zu sehen ist, zeichnet ein Bild von einer schlimmen Wohlstandsverwahrlosung."
"Gegen solche Taten gehen wir konsequent und mit aller Härte vor, Rechtsextremismus bekämpfen wir mit aller Entschiedenheit", teilte er mit. In Schleswig-Holstein hätten solche widerlichen Gesänge, Parolen und rechtsextremistisches Gedankengut nichts zu suchen.
Schleswig-Holsteins Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Das ist kein dummer Jungenstreich, sondern schlimmstes Nazi-Gegröle erwachsener Leute auf offener Bühne. Widerwärtig und ekelhaft. Schämen sollten sie sich! Jetzt müssen strafrechtliche Ermittlungen folgen."
Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sagte: "Die Bilder dieser Party, auf der ausländerfeindliche Parolen gegrölt wurden, widern mich an". Die Bilder seien "ein Zeichen von Wohlstandsverwahrlosung". In Schleswig-Holstein sei kein Platz für Ausländerfeindlichkeit.
Vorfall auf Sylt offenbar kein Einzelfall
Am Freitag wird bekannt: Ebenfalls an Pfingsten kam es in Niedersachsen zu einem ähnlichen Fall. Auch auf dem Schützenfest in Löningen wurden rassistische Parolen gegrölt, auch zu "L’amour Toujours", auch dort ermittelt der Staatsschutz.
Erst vor wenigen Tagen berichtete "Bild" zudem von einem ähnlichen Vorfall im sächsischen Hainichen, bei dem eine Gruppe zu dem Song ausländerfeindliche Worte skandiert haben soll. Auch auf Tiktok soll das Lied in der Vergangenheit vermehrt zu einer Hass-Hymne umgedichtet worden sein, berichtete die "hessenschau" des hr.