Etwa 10.000 Selbsttötungen:Ampel stellt Pläne für Suizid-Prävention vor
von Dominik Rzepka
|
In Deutschland nehmen sich etwa 10.000 Menschen pro Jahr das Leben, oft wegen Depressionen. Gesundheitsminister Lauterbach hat nun die erste Suizidpräventionsstrategie vorgestellt.
Gesundheitsminister Lauterbach hat die erste nationale Suizidpräventionsstrategie vorgestellt. Sie sieht unter anderem ein umfangreiches Online-Beratungsangebot vor.02.05.2024 | 1:54 min
Es war eigentlich nur eine kleine Operation. Doch ein paar Tage nach dem Eingriff bekommt James Wentworth-Stanley Angst. Der 21-jährige Mann aus Großbritannien glaubt, mit ihm stimme etwas nicht. Er bittet um Hilfe, geht in ein Notfallzentrum. Dort notiert man, James berichte von Selbsttötungsgedanken. Und doch schickt man ihn weg.
In Liverpool, London und Newcastle haben sie inzwischen Beratungszentren für Männer in suizidalen Krisen errichtet. Sie tragen den Namen von James. Dort beraten sie jährlich über 1.000 Männer. In dieser Woche war Kronprinz William in Newcastle zu Besuch.
Prinz William hat am 30. April "James' Place" in Newcastle besucht. Hier hat die Wohltätigkeitsorganisation ein neues Zentrum eröffnet.
Etwa 10.000 Suizide im Jahr
Im Jahr 2022 haben sich in Deutschland 10.119 Menschen das Leben genommen, vor allem ältere Männer sind betroffen. 2023 lag die Zahl etwas niedriger. Grund für einen Suizid ist oft eine Depression. Der Deutsche Caritasverband kritisiert fehlende Konzepte gegen Suizide:
Eine Gesellschaft, die tatenlos wegsieht, wenn sich in Deutschland pro Tag 30 Menschen das Leben nehmen, ist nicht die Gesellschaft, in der wir leben wollen.
„
Eva Maria Welskop-Deffaa, Deutscher Caritasverband
Einsamkeit und Lebensangst seien gerade für die Corona-Generation Treiber von Suizidgedanken im Jugendalter. Die Politik dürfe Suizidprävention nicht auf Notfalltelefone verkürzen. Nötig seien auch mehr Zäune an Brücken und Kirchtürmen. Außerdem müssten Bahngleise, wenn sie saniert werden, Zäune bekommen.
Hilfsangebote
Es gibt Hilfe, auch in scheinbar ausweglosen Situationen. "Ich weiß nicht mehr weiter", "Ich kann nicht mehr": Wenn Ihre Gedanken darum kreisen, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie unbedingt, mit jemandem darüber zu sprechen - egal, ob Familie, Freunde oder Menschen, die sich auf diese Themen spezialisiert haben.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Suizidrate in Deutschland senken. Am Donnerstag hat er die erste nationale Suizidpräventionsstrategie vorgestellt. Lauterbach sagt, über Suizide höre man wenig, das müsse sich ändern:
Wir müssen den Suizid enttabuisieren.
„
Karl Lauterbach, SPD
Die Bundesregierung werde ein entsprechendes Gesetz vorlegen. Lauterbach sagt, er wolle unter anderem:
Packungsgrößen bestimmter Medikamente verkleinern
Hochrisikobereiche wie Rheinbrücken besser abschirmen
eine nationale Telefonnummer einrichten.
Eine solche Rufnummer sei denkbar, so Lauterbach. Ein derartiges Hilfsangebot müsse allen zugänglich und rund um die Uhr erreichbar sein. Die Ampel plant, eine bundesweite Koordinierungsstelle für Beratungs- und Kooperationsstellen einzurichten.
Eines der wirksamsten Mittel ist nach Expertenangaben - soweit möglich - die Einschränkung der Verfügbarkeit von Suizidmethoden (Waffen, Medikamente, Chemikalien, Absicherung von Bauwerken).
Wichtig sind außerdem niedrigschwellige Behandlungsangebote, die Fortbildung in medizinischen und psychosozialen Berufen, die Förderung der Früherkennung und nicht zuletzt ein gesellschaftliches Klima, in welchem die Suizidproblematik ernst genommen wird.
Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe mahnt, sich mit gut gemeinten Ratschlägen zurückzuhalten. Eine Befragung unter Betroffenen ergab, dass scheinbar schlichte Botschaften oft am meisten helfen, zum Beispiel: "Du bist mir wichtig", "ich versuche, diese Krankheit zu verstehen" oder "wir schaffen das zusammen".
Experten raten generell dazu, sich zu informieren: Das kann etwa bei einem gemeinsamen Arztbesuch geschehen. Daneben braucht es Geduld. (Quelle: KNA)
Gesetz zur Prävention gefordert
Von einem "kleinen Meilenstein" spricht Ute Lewitzka von der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Zeitgleich kritisiert sie, dass es eine spezifische Telefonnummer für suizidgefähredte Menschen noch nicht gebe. Auch fehle es an einer nationalen Kampagne gegen Suizide.
Bestehende Angebote, etwa in Hospizen, seien oft zeitlich begrenzt. Andere Angebote hätten oft keine verlässliche Finanzierung. Das müsse sich ändern. Die Suizidprävention müsse außerdem gesetzlich verankert werden. Schließlich stagniere die Suizidrate seit 2006.
Die bestehenden Angebote reichen nicht aus.
„
Ute Lewitzka, Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention
"Depressionen sind behandelbar"
Bis zu 90 Prozent der Suizide gehen auf psychische Erkrankungen zurück, vor allem auf eine Depression. Die Deutsche Depressionshilfe verweist darauf, dass eine Depression jeden treffen könne und viele Gesichter habe. Sie sei aber behandelbar.
"Es ist wichtig, dass die Menschen Ansprechpartner haben", sagt Ulrich Hegerl von der Deutschen Depressionshilfe: Hausärzte seien eine gute Anlaufstelle. Es sei aber ein großes Problem, dass es Engpässe bei Psychotherapien gebe.
In Deutschland erkranken etwa 5,3 Millionen Menschen im Jahr an einer Depression. Auf einen Suizid kommen zehn bis 20 Suizidversuche. Bis 2030 soll die Suizidrate laut Weltgesundheitsorganisation WHO um 30 Prozent sinken - so das Ziel.
Um dir eine optimale Website der ZDFmediathek, ZDFheute und ZDFtivi präsentieren zu können, setzen wir Cookies und vergleichbare Techniken ein. Einige der eingesetzten Techniken sind unbedingt erforderlich für unser Angebot. Mit deiner Zustimmung dürfen wir und unsere Dienstleister darüber hinaus Informationen auf deinem Gerät speichern und/oder abrufen. Dabei geben wir deine Daten ohne deine Einwilligung nicht an Dritte weiter, die nicht unsere direkten Dienstleister sind. Wir verwenden deine Daten auch nicht zu kommerziellen Zwecken.
Zustimmungspflichtige Datenverarbeitung • Personalisierung: Die Speicherung von bestimmten Interaktionen ermöglicht uns, dein Erlebnis im Angebot des ZDF an dich anzupassen und Personalisierungsfunktionen anzubieten. Dabei personalisieren wir ausschließlich auf Basis deiner Nutzung der ZDFmediathek, der ZDFheute und ZDFtivi. Daten von Dritten werden von uns nicht verwendet. • Social Media und externe Drittsysteme: Wir nutzen Social-Media-Tools und Dienste von anderen Anbietern. Unter anderem um das Teilen von Inhalten zu ermöglichen.
Du kannst entscheiden, für welche Zwecke wir deine Daten speichern und verarbeiten dürfen. Dies betrifft nur dein aktuell genutztes Gerät. Mit "Zustimmen" erklärst du deine Zustimmung zu unserer Datenverarbeitung, für die wir deine Einwilligung benötigen. Oder du legst unter "Einstellungen/Ablehnen" fest, welchen Zwecken du deine Zustimmung gibst und welchen nicht. Deine Datenschutzeinstellungen kannst du jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in deinen Einstellungen widerrufen oder ändern.