Jeder Vierte bricht das Studium ab - ist das ein Problem?
Experten fordern Umdenken:Jeder Vierte bricht Studium ab - ein Problem?
von Kathrin Wolff und Anne-Kathrin Dippel
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Ein Studium kostet Zeit - und den Staat Geld. Aber 28 Prozent brechen im Bachelor ab. Ist ihr Studium also eine Fehlinvestition? Nein, sagen Experten - und fordern ein Umdenken.
Akademikerkarrieren sind immer noch angesehener als Handwerksberufe. Studienabbrechern haftet häufig der Makel "nicht geschafft" an. Mehr dazu im Video.14.04.2024 | 30:05 min
Etwa jeder Vierte verlässt die Hochschule ohne Abschluss. Vor allem an den Unis ist die Abbruchquote im Bachelor hoch.
So viele verlassen die Hochschule ohne Abschluss
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Meist stecken mehrere Gründe hinter der Entscheidung, ein Studium abzubrechen: zum Beispiel Überforderung, fehlende Motivation, der Wunsch nach einer praktischen Tätigkeit, finanzielle oder persönliche Probleme wie eine Erkrankung.
"Manche Studierende haben sich vor der Studienwahl wenig informiert und orientieren sich eher an Freunden oder an den Empfehlungen der Eltern", sagt Miriam Kneisel. Sie leitet an der Hochschule Niederrhein das Projekt "Next Step", das bei Studienzweifeln berät. "Die meisten Studierenden brechen erst ab, wenn sie eine passende Alternative gefunden haben."
Niklas aus Thüringen studiert Medizin. Im Praktikum empfiehlt er Patienten gesunde Ernährung, er selbst kann sie sich nicht leisten.13.10.2024 | 27:13 min
Abbruchquote nach Studienfächern
Die Abbruchquote unterscheidet sich deutlich zwischen den Fächern. Fast alle, die es ins Medizinstudium geschafft haben, halten durch. Experten führen das auf den Numerus Clausus, eine hohe Motivation und gute Berufsaussichten zurück.
Hohe Abbruchquote in MINT-Fächern, geringe in Medizin
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Die Zahl der Studienanfänger ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen, zuletzt vor allem zwischen 2006 und 2011. Ist das ein Grund für die hohe Abbruchquote?
Dr. Fabian Trennt vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) sieht "keinen Zusammenhang". Die Abbruchquote im Bachelor schwankt von 2006 bis 2020 zwischen 27 und 29 Prozent. Ein internationaler Vergleich sei wegen unterschiedlicher Erfassungsmethoden kaum möglich.
Nach dem Abitur eine Ausbildung zu machen, statt zu studieren, klingt für viele wenig attraktiv. Dabei sind die Entwicklungschancen gerade in den Handwerksberufen vergleichsweise gut.15.05.2022 | 26:53 min
Was der Studienabbruch für Betroffene bedeutet
Ist es ein Problem, wenn gut jeder Vierte das Studium hinschmeißt? "Für die betroffenen Personen ist es zunächst eine herausfordernde Situation, bei vielen treten Selbstzweifel auf", sagt Kneisel. "Was die Jobchancen betrifft, ist ein Studienabbruch jedoch kein großes Problem."
Unternehmen seien dieser Zielgruppe gegenüber sehr aufgeschlossen und sähen in ihr häufig Vorteile, etwa durch bereits erworbene Fachkenntnisse oder ein etwas höheres Lebensalter.
Entgegen dem Trend zum Studium gibt es junge Menschen, die sich bewusst für eine Ausbildung entscheiden.06.02.2024 | 28:43 min
Studienabbrecher verdienen weniger als Absolventen
Allerdings zeigt eine Studie, dass Absolventen einen knapp 40 Prozent höheren Stundenlohn haben als Studienabbrecher.
Diese verdienen ähnlich wie Erwerbstätige mit (Fach-)Abitur, die nie ein Studium begonnen haben - steigen aber später in Arbeitsleben ein. "Ihre Leistungen aus dem Studium werden oft nicht anerkannt", sagt Trennt.
Stundenlöhne mit und ohne Studienabschluss
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Daher gilt ein Studienabbruch in der öffentlichen Debatte, gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel, "als Verschwendung öffentlicher Ressourcen und gesellschaftliche Fehlinvestition", schreibt das DZHW. Zugleich fordert es in einem Positionspapier, das diese Woche erschienen ist, ein Umdenken. Denn auch in wenigen Semestern lerne man etwas. Und viele Hochschulabsolventen arbeiteten in Jobs, für die sie überqualifiziert seien.
Die Corona-Pandemie hat auch Studierende hart getroffen. Fast drei Jahre lang durften sie nur online studieren. 26.01.2023 | 3:06 min
Die Potenziale der Studienabbrecher
Das DZHW schlägt deshalb vor, Studienabbrechern den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern - sie also direkt anzustellen und nicht erst eine Ausbildung machen zu lassen. Während Azubis viele berufsspezifische Details lernten, würden im Studium eher allgemeine Kenntnisse vermittelt.
Studienabbrecher, die sich im Job die für die Firma nötigen Fähigkeiten aneigneten, könnten das Beste aus beiden Welten vereinen.
Bei vorübergehenden Problemen empfehlen Experten: weitermachen. Sören Stephan von der Zentralen Studienberatung der Westfälischen Hochschule nennt als Beispiel Prüfungsphasen. "Wenn grundsätzliches Interesse am Fach vorhanden ist und die Probleme eher mit Zeitmanagement, Prüfungsangst oder externen Faktoren zusammenhängen, gibt es viele Möglichkeiten, Unterstützung zu erhalten."
Anders sieht es aus, wenn man langfristig überfordert ist oder die Motivation fehlt. "Ein Anzeichen dafür, dass über einen Studienabbruch nachgedacht werden könnte, wäre, dass man sich im aktuellen Studium permanent unzufrieden fühlt, keinen Bezug zum Studieninhalt hat oder das Gefühl hegt, die beruflichen und persönlichen Ziele nicht mehr erreichen zu können."
Miriam Kneisel, Leiterin des Projekts "Next Step" an der Hochschule Niederrhein rät: "Wenn man sich nicht mehr mit dem Studienfach identifizieren kann, beginnt, psychisch unter der Belastung zu leiden, oder ungesunde Kompensationsmechanismen entwickelt, sollte man Beratungs- und Unterstützungsangebote in Erwägung ziehen."
Fast 30 Prozent aller Studierenden brechen die Uni ab. Viele tauschen sie gegen eine Lehre und den direkten Berufseinstieg ein - zur eigenen und zur Freude von Unternehmen.
von Michael Stagneth
mit Video
Quelle: ZDF
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