Studie über Hass im Netz: Lauter Hass und leiser Rückzug

    Studie über Hass im Netz:Lauter Hass und leiser Rückzug

    Dorthe Ferber
    von Dorthe Ferber
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    Fast jeder Zweite wurde schon einmal online beleidigt, so das Ergebnis einer neuen Studie. Zugleich beteiligen sich von Hass Betroffene aus Angst nicht mehr an Debatten im Netz.

     Berlin: Lisa Paus (l, Bündnis 90/Die Grünen), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, nimmt neben Elena Kountidou an einer Pressekonferenz zur Vorstellung der Studie zum Hass im Netz teil.
    Eine neue Studie zeigt, dass Hass im Netz immer mehr zur Gefahr für die Demokratie wird.13.02.2024 | 1:36 min
    Mehr als 3.000 Menschen ab 16 Jahren hat das "Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz" zu ihren Erfahrungen befragt. 49 Prozent von ihnen haben schon einmal persönlich Hass im Netz erfahren, ein Viertel wurde online mit körperlicher Gewalt bedroht.
    Dabei sind Jüngere stärker betroffen als Ältere, insbesondere junge Frauen.
    Hass im Netz: Rückzug ist keine Lösung
    Das Internet sei der wichtigste Debattenraum, sagt Hanna Gleiß von "Das NETTZ". Fehlten die Stimmen von Hate-Speech-Betroffenen, wäre das für den gesellschaftlichen Diskurs fatal.14.02.2024 | 3:24 min
    Jede dritte Frau zwischen 16 und 24 Jahren gab an, selbst beleidigt, bedroht oder angefeindet worden zu sein. Fast jede zweite erhielt bereits ungefragt ein Nacktfoto.
    Ebenfalls stark betroffen von Hass im Netz: Menschen mit Migrationshintergrund, politisch links orientierte Nutzerinnen und Nutzer sowie Menschen mit bi- und homosexueller Orientierung. Der Hass bezieht sich häufig auf politische Ansichten oder das Aussehen.

    Die Studie wurde herausgegeben vom "Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz“. Diesem gehören fünf Organisationen an: Das NETTZ, HateAid, jugendschutz.net, Neue Deutsche Medienmacher*innen und die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur. Das Netzwerk wird im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!"vom Bundesfamilienministerium gefördert.

    Betroffene verstummen zunehmend im Netz

    Die Folge ist oft Einschüchterung: 46 Prozent der Betroffenen geben an, ihr Online-Profil in Folge von Hass nicht mehr benutzt, deaktiviert oder gelöscht zu haben. Da einige stärker von Hass im Netz betroffen sind, verstummen bestimmte Gruppen zunehmend im Netz - der Hass setze sich weiter durch.
    "Die Spur: Vom Frauenhass zum Amoklauf - Die toxische Welt der Incels": Grafik: Mann mit dunklem Kapuzen-Shirt sitzt vor einem Computer.
    Incel-Foren im Netz sind frauenfeindlich, menschenverachtend, voller Gewaltfantasien. Geschrieben von Männern, die in ihrem Leben bislang weder Sex noch Beziehung hatten.21.06.2023 | 28:39 min
    Extreme Meinungen fänden mehr Platz im Netz und es entstehe der Eindruck, dass diese in der Mehrheit seien. Zudem sei es gerade für Jüngere besonders nachteilig, wenn sie sich aus Angst vor Hass online zurückziehen, da sie vornehmlich über das Netz Zugang zu politischen Informationen erhalten.
    Die Verfasser der Studie halten das angesichts der bevorstehenden Wahlen in diesem Jahr für einen besorgniserregenden Befund.
    Berlin: ILLUSTRATION - Ein Junge hält ein Smartphone in den Händen, auf dem das Logo der Kurzvideo-App TikTok zu sehen ist. (gestellte Szene)
    Familienministerin Paus fordert eine bessere Prävention von Hass im Netz. Im ARD-"Morgenmagazin" sprach sie sich für eine bessere Durchsetzung von Regeln durch die Behörden aus.13.02.2024 | 0:43 min

    Rechtsextreme mobilisieren in sozialen Netzwerken

    Die Debattenkultur im Netz sei aggressiv, verletzend und hasserfüllt. Vor allem Rechtsextreme mobilisierten massiv in den sozialen Netzwerken und verbreiteten Hass und Desinformation.
    82 Prozent der Befragten sehen durch Hass im Netz die Meinungsvielfalt gefährdet. Zudem sorgen sich 75 Prozent, dass durch den Hass im Netz auch die Gewalt im Alltag zunimmt.
    Nancy Faeser  SPD  | Bundesinnenministerin
    "Wir sehen, dass am rechten Rand ausgegrenzt wird. Das ist grob verfassungswidrig", so Bundesinnenministerin Nancy Faeser, SPD. "Wir wollen eine offene und tolerante Gesellschaft."25.01.2024 | 9:34 min

    Unterstützung für Betroffene gefordert

    Es bestehe dringender Handlungsbedarf, folgern die Autoren und fordern, Betroffene besser zu unterstützen. Dazu gehören leicht zugängliche Meldeverfahren für Hass im Netz sowie finanzielle Hilfe bei Klagen.
    Auch sollten die Plattformen für die Folgen des Hasses zur Verantwortung gezogen werden, denn Hass und Gewalt würden durch die Geschäftsmodelle der großen Social-Media-Plattformen verstärkt.
    Eine Forderung, die von 86 Prozent der Befragten unterstützt wird - also auch von denen, die selbst nicht von Hass im Netz betroffen sind.

    Hass im Netz prägt Wahlkämpfe

    Die Experten halten es zudem für geboten, dass der Gesetzgeber die Plattformen dazu verpflichten und auch Polizei und Justiz stärker sensibilisieren solle. Weiter sei Medienkompetenz nötig: Lehrkräfte müssten besser geschult werden und das Thema einen festen Platz im Stundenplan bekommen.
    Es brauche eine starke Zivilgesellschaft und eine durchsetzungsfähige Politik gegen Hass im Netz, resümiert das "Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz".
    Der Hass im Netz werde vermutlich auch die bevorstehenden Wahlkämpfe prägen - es sei ein Versuch, die Grundwerte und Prinzipien der Demokratie zu untergraben.
    Transparenzhinweis der Redaktion: Der Beitrag wurde nachträglich um eine Information über die Herausgeber der Studie und die Förderung durch das Bundesfamilienministerium ergänzt.

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