Feier zu 75 Jahre Grundgesetz: Steinmeier stüzt Pistorius

    Feier zu 75 Jahre Grundgesetz:Aufrüstung: Steinmeier stützt Pistorius

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    75 Jahre Grundgesetz: In Stolz mischt sich Unbehagen, sagt Bundespräsident Steinmeier. Er fordert mehr Geld für die Verteidigung und von der Politik, sich besser zu erklären.

    Germany marks the 75th anniversary of the proclamation of the Basic Law in Berlin_ *
    Das Land feiert seine Verfassung. Das Grundgesetz gilt als Erfolg. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nennt es ein gemeinsames Fundament für Ost- und Westdeutschland.23.05.2024 | 3:36 min
    An diesem Donnerstag feiert sich das Land einmal selbst. Eine große Open-air-Bühne mitten im Regierungsviertel, Fahnen, roter Teppich, feierliche Musik und viel Prominenz: Das Grundgesetz wird 75 Jahre alt.
    Es ist, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Festrede, es wert zu feiern. Und zwar in Ost und West, das Grundgesetz sei das "gemeinsame Fundament". Dem Vorschlag von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), das Grundgesetz durch eine Volksabstimmung zu einer Verfassung zu machen, schloss sich der Bundespräsident nicht an.
    SGS Harbarath
    Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth spricht von der "unglaublichen Erfolgsgeschichte" des Grundgesetzes, aber auch von aktuellen Herausforderungen.23.05.2024 | 6:03 min
    Er appellierte dafür an beide Seiten: Es "schmerzt" mich, so Steinmeier, "wenn manche im Osten mich fragen: Was hat dieses Grundgesetz-Jubiläum mit mir zu tun? Aber genau so stört es mich, dass manche im Westen noch nicht wahrhaben wollen, dass sich unser ganzes Land verändert hat seit 1989." Deutschland habe sich "hin zu etwas Neuem" seit dem Mauerfall entwickelt. "Wir feiern zusammen, weil wir zusammengehören."
    German President Frank-Walter Steinmeier (C) speaks during a state act to mark the 75th anniversary of the German Basic Law (Grundgesetz) in Berlin,
    Das Grundgesetz ist 75 Jahre alt. Wie denken junge Menschen darüber? Antworten von Schülerinnen und Schülern aus Brandenburg.23.05.2024 | 1:41 min

    Steinmeier sieht "neue Unübersichtlichkeit"

    In den Stolz über das Grundgesetz, sagte Steinmeier, mische sich aber auch "Unbehagen" an diesem Jubiläumstag.

    Die Spannung zwischen Verfassung und Verfassungswirklichkeit ist nicht zu übersehen.

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

    Ähnlich wie zur Verabschiedung des Grundgesetzes vor 75 Jahren, nach dem Zweiten Weltkrieg, nach der Vernichtung des jüdischen Volkes, nach Flucht, Vertreibung und Zerstörung, sieht Steinmeier das Land in einem "epochalen Bruch". Man lebe in einer "neuen Unübersichtlichkeit" mit Pandemie, Inflation, Wirtschaftskrise, Klimawandel, Kriege in der Ukraine und in Nahost.
    Es wäre falsch, findet Steinmeier, "den Kopf in den Sand zu stecken und von einer bequemeren Vergangenheit zu träumen". Dagegen müssten die Ziele den Herausforderungen angepasst, die Werte verteidigt und "offen" über die "Größe der Aufgabe und über die Verantwortung" geredet werden.
    Entstehung Grundgesetzt CC
    Acht Monate dauerte die Ausarbeitung. Ziel: eine rechtliche Grundlage für ein friedliches und gerechtes Leben aller. Unterzeichnet wurde es am 23. Mai 1949. Die BRD war gegründet.20.05.2024 | 2:12 min

    Mehr Geld für Sicherheit und Gesellschaftsjahr

    Die Konsequenzen sind für das Staatsoberhaupt realpolitisch:

    Wir müssen mehr tun für unsere Sicherheit. Wir müssen in unsere Verteidigung investieren und unser Bündnis stärken.

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

    Wie viel Geld in die Sanierung der Bundeswehr über das Sondervermögen hinaus investiert werden soll, ist derzeit ein Streit in der Bundesregierung. Steinmeier stellt sich an die Seite von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD): Für die Sicherheit "braucht es finanzielle Mittel".
    Es brauche aber auch "eine starke Gesellschaft", so Steinmeier, und forderte eine Debatte über den Wehrdienst und ein gesellschaftliches Pflichtjahr, das er bereits vor anderthalb Jahren angeregt hatte.
    German President Frank-Walter Steinmeier speaks during a state act to mark the 75th anniversary of the German Basic Law (Grundgesetz) in Berlin, Germany, 23 May 2024.
    Zum Jubiläum des deutschen Grundgesetzes haben sich in Berlin zahlreiche Gäste versammelt. Zentrale Themen waren unter anderem die Verteidigung der Demokratie und Freiheit.23.05.2024 | 1:43 min

    Mehr statt weniger Streit, vermutlich

    Steinmeier stimmte das Land auf unruhige Zeiten ein: Wegen all diesen Auseinandersetzungen werde es in den nächsten Jahren nicht weniger, sondern eher mehr Streit geben. "Der Kampf um finanzielle Ressourcen wird härter werden, und damit auch um das, was uns wichtig ist."

    • Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 vom späteren, ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) verkündet. Danach trat es in den damaligen westdeutschen Ländern in Kraft.
    • Es war die Verfassung der Bundesrepublik und ist seit dem 3. Oktober 1990 die Verfassung des wiedervereinigten Deutschlands.
    • Besondere Bedeutung haben die Grundrechte (Artikel 1 bis 19). Sie gelten unmittelbar - eine Reaktion der Väter und Mütter des Grundgesetzes auf das nationalsozialistische Unrechtsregime. Artikel 1 lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
    • Das Grundgesetz wurde vielfach verändert. Derzeit wird angesichts möglicher extremistischer Mehrheiten debattiert, wie die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts - als Garant der Grundrechte - im Grundgesetz verankert werden kann.

    Er mache sich Sorgen, dass ausgerechnet jetzt die Demokratie unter Druck stehe. Eine konkrete Partei nannte der Bundespräsident nicht, sprach aber von Kräften, die die Demokratie "schwächen und aushöhlen wollen, die ihre Institutionen verachten und ihre Repräsentanten beschimpfen und verunglimpfen".
    SPD-Politikerin Franziska Giffey äußert sich zu dem Angriff.
    Vier Tage nach dem Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Ecke wurde nun auch Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey in Berlin attackiert. Auch in Dresden kam es erneut zu Angriffen, diesmal gegen eine Grünen-Politikerin.08.05.2024 | 3:44 min
    An die Angriffe auf Politikerinnen und Politiker in jüngster Zeit, an die Verunglimpfung der staatlichen Institutionen "an die Gewalt im politischen Meinungskampf" dürfe man sich nicht gewöhnen, so Steinmeier. Allerdings sei nicht jeder ein Extremist, der mit der Politik, der Gesellschaft, der Demokratie hadere.

    Es ist doch seltsam: Wir alle reden, chatten, posten, mailen immer mehr, auf allen Kanälen, Tag und Nacht. Und dennoch haben immer mehr Menschen den Eindruck, nicht gehört und nicht verstanden werden.

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

    Politikerinnen und Politikern gelinge es nicht immer, sich verständlich zu machen: Zu oft blieben die Fragen unbeantwortet, warum die Bildung so schlecht ist, Brücken marode sind, Bürokratie nicht abgebaut wird und humanitärer Flüchtlingsschutz, "ohne zu überfordern" gelingt. Es brauche "das Ringen der politischen Parteien um bestmögliche Lösungen", so Steinmeier.
    Die "Verrohung der politischen Umgangsformen in unserem Land" besorge ihn "zutiefst". Gewalt zerstöre Demokratie, sie säe Angst und Misstrauen, sie entmutigt.
    Steinmeier zieht eine Parallele zu den Müttern und Vätern des Grundgesetzes, die selbst das Ende der ersten Demokratie in den 1930er Jahren erlebt hatten, "als Deutschland in der Barbarei versank". Das Grundgesetz sei eine Konsequenz aus diesem Wissen, dass Demokratien von innen ausgehöhlt werden können.

    Das ist nicht Geschichte. Es ist Aufforderung an uns heute.

    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

    Die Demonstrationen der vergangenen Monate hätten laut Steinmeier aber gezeigt, dass die Demokratie heute wehrhaft sei. So werde man "die Zeit der Bewährung" bestehen. Das Erbe des Grundgesetzes müsse weitergetragen werden. "Es ist an uns, die Geschichte unserer Demokratie weiterzuschreiben", sagte Steinmeier.

    Weitere Hintergründe