Kritik am Koalitionsvertrag:Sozialabgaben: Experten erwarten höhere Belastung
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Die Sozialbeiträge könnten immer weiter steigen. Das ist auch ein Problem für die Wirtschaftsleistung, sagen Experten. Kritik gibt es dabei vor allem am Koalitionsvertrag.
Künftig dürfte die Beitragsspirale die Belastungen für Krankenkasse, Rente und Pflege in immer größere Höhen schrauben.
Quelle: dpa
Die Sozialbeiträge in Deutschland könnten nach übereinstimmender Erwartung von Experten bereits im kommenden Jahr erneut spürbar steigen. Der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin:
Ich erwarte, dass die Krankenkassenbeiträge ohne Reformen in den kommenden zwei Jahren jeweils um rund 0,2 Beitragssatzpunkte steigen.
2025: Durchschnittlich 255 Euro mehr für die Krankenkasse
Bereits zum Jahreswechsel musste ein Durchschnittsverdiener laut dem Berliner Forschungsinstitut IGES "einen sprunghaften Anstieg der Beitragsbelastung" verkraften. Zum allgemeinen 14,6-Prozent-Beitragssatz kamen Anfang des Jahres Zusatzbeiträge von im Schnitt 2,9 Prozent. In diesem Jahr seien dann im Schnitt 255 Euro mehr für die Krankenkasse zu zahlen.
Die Regierung hatte den amtlichen Orientierungswert für die Zusatzausgaben auf 2,5 Prozent festgelegt - das waren bereits 0,8 Prozentpunkte mehr als 2024. Für die kommenden zwei Jahre rechne er mit jeweils rund 0,2 Beitragssatzpunkten mehr, sagt Gesundheitsökonom Wasem.
Fast alle gesetzlichen Krankenkassen haben ihre Beitragssätze 2025 drastisch erhöht. Trotzdem werde die medizinische Versorgung für Kassenpatienten nicht besser.04.02.2025 | 9:47 min
Auch IGES-Geschäftsführer Martin Albrecht prophezeit:
Ohne weitere Maßnahmen werden diese Belastungen zunehmen.
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Martin Albrecht, Berliner Forschungsinstitut IGES
Innerhalb der kommenden zehn Jahre erwartet IGES einen Anstieg der Belastung durch die gesamten Beiträge der einzelnen Sozialversicherungen von gut 42 auf 49 Prozent - je nach genauer Entwicklung werde der Wert dann zwischen 46 und 53 Prozent liegen.
Die Beitragsspiraale müsse durchbrochen werden, sagte der Vorstandvorsitzende der DAK Andreas Storm Anfang des Jahres. 13.01.2025 | 4:48 min
DIW über Sozialabgaben: "Koalitionsvertrag verschärft das Problem"
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sagte: "Der Koalitionsvertrag verschärft das Problem: Anstelle von Vorschlägen zu einer Begrenzung des künftigen Beitragsanstiegs gibt es hier teure Versprechungen wie beispielsweise ein stabiles Rentenniveau und eine ausgeweitete Mütterrente."
Auch der Mannheimer Ökonom Nicolas Ziebarth erwartet keine "strukturellen Reformen" zur Senkung des wachsenden Kostendrucks in den Sozialversicherungen. "Die Sozialabgaben werden also ungebremst steigen", sagte der Wissenschaftler am Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).
Die steigenden Sozialbeiträge sind heute eine der drängendsten Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft.
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Nicolas Ziebarth, Ökonom
Die Abgabenbelastung gilt als eins der vordringlichen Hemmnisse für ein stärkeres Anspringen der Konjunktur in Deutschland. "Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir das dritte Jahr hintereinander eine Rezession mit schrumpfender Wirtschaftsleistung erleben", sagte Fratzscher.
Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Kampeter betonte bereits vergangenes Jahr, die Sozialabgaben seien aus Wirtschaftssicht zu hoch.22.10.2024 | 0:42 min
Die Zölle von US-Präsident Donald Trump und die Folgen des russischen Kriegs in der Ukraine verschärften die Lage. "Wir bräuchten aber auch wieder mehr privaten Konsum in Deutschland", sagte Fratzscher. "Hohe Sozialabgaben wirken hier deutlich dämpfend", so der DIW-Chef.
Wenn die Menschen in Deutschland nicht wieder mehr ausgeben, wird nachhaltige konjunkturelle Erholung kaum gelingen.
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Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
IW: Koalitionspartner können sich nicht einigen
Auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt sich besorgt über die Ankündigungen von CDU/CSU und SPD. "Reformen werden verschoben, weil sich die Koalitionspartner nicht einigen können", kritisierte IW-Steuer- und Sozialexperte Jochen Pimpertz. Stattdessen bringe die schwarz-rote Koalition viele Kommissionen auf den Weg - etwa für die Zukunft der Kranken- und der Pflegeversicherung.
"Den Kommissionen, die Reformen für die Koalition vorschlagen sollen, fehlt ein klarer Auftrag", sagte Pimpertz der dpa. "Und sie kommen zu spät." So sollten Vorschläge für die Krankenversicherung erst 2027 vorliegen. Aus Sicht von Pimpertz reicht das nicht:
Diese werden eher im nächsten Bundestagswahlkampf zerredet, als dass sie umgesetzt werden.
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Jochen Pimpertz, Institut der deutschen Wirtschaft
Quelle: dpa
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