FDP-Klage erfolglos:Warum Karlsruhe am "Soli" festhält
von Karl Anton Gensicke und Daniel Heymann
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35 Jahre nach der Wiedervereinigung zahlen einige Menschen weiter den Solidaritätszuschlag. Das ist zulässig, hat nun das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Eine Klage gegen den Solidaritätszuschlag ist vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Die künftige Regierung kann nun entscheiden, ob er für Gutverdiener bleiben soll. 26.03.2025 | 2:29 min
Als das Bundesverfassungsgericht am Mittwochvormittag sein Urteil verkündet, dürften die Verhandlungsführer von CDU, CSU und SPD einmal kollektiv aufgeatmet haben. Die Richterinnen und Richter in Karlsruhe halten den Solidaritätszuschlag weiterhin für verfassungsgemäß, eine Beschwerde von FDP-Politikern wiesen sie ab.
Damit bleiben dem Bund nicht nur Rückzahlungen in Milliardenhöhe erspart - er kann vielmehr auch weiterhin mit den Einnahmen aus dem "Soli" planen. Für die wahrscheinliche schwarz-rote Koalition eine gute Nachricht: Der "Soli" spült jährlich etwa 13 Milliarden Euro in den Haushalt.
Was genau ist der Solidaritätszuschlag?
Der "Soli" ist keine normale Steuer, sondern eine sogenannte Ergänzungsabgabe. Er fließt in den Bundeshaushalt - anders als etwa die Einkommenssteuer, von der auch die Bundesländer profitieren. Ergänzungsabgaben darf der Bund nur erheben, um einen besonderen Finanzbedarf zu decken.
So entwickelte sich die Abgabe seit 199525.03.2025 | 1:02 min
Der besondere Finanzbedarf, für den der "Soli" einst bestimmt war, entstand durch die Deutsche Einheit ab 1990. Durch den "Aufbau Ost" sollten gleiche Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland geschaffen werden. Der dafür beschlossene "Solidarpakt II" lief zum 31. Dezember 2019 aus. Damit endeten die Zahlungen an die neuen Bundesländer. Seitdem findet ein Finanzausgleich zwischen sämtlichen Bundesländern - und nicht mehr spezifisch von West nach Ost - statt.
Nach Informationen des Bundesfinanzministeriums liegen die Einnahmen aus dem "Soli" für das Jahr 2024 bei rund 12,6 Milliarden Euro. Für den umstrittenen Zeitraum seit 2020 summieren sich die Einnahmen für den Bund auf rund 68 Milliarden Euro.
Den "Soli" zahlen nach Angaben vom Bund der Steuerzahler Singles ab einem Brutto-Jahreseinkommen von ca. 90.000 Euro. Bei einer zusammen veranlagten Familie mit zwei Kindern liegt die Grenze bei etwa 200.000 Euro.
Gericht: Kosten durch Wiedervereinigung weiterhin möglich
Die Richterinnen und Richter machten deutlich, dass auch heute noch Zusatzkosten durch die Wiedervereinigung zumindest denkbar sind:
Ein offensichtlicher Wegfall des auf den Beitritt der damals neuen Länder zurückzuführenden Mehrbedarfs des Bundes kann auch heute (noch) nicht festgestellt werden.
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Pressemitteilung Nr. 30/2025 des Bundesverfassungsgerichts
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Unter diesen Umständen dürfe der Bund den Soli weiterhin erheben. Dem Gesetzgeber stehe bei der Frage, ob weiterhin ein finanzieller Mehrbedarf besteht, ein "weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum" zu. Das Gericht beruft sich bei seiner Begründung auch auf ökonomische Gutachten, die immer noch strukturelle Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland zeigen. Vor allem im Bereich der Sozialversicherung sehen einige Ökonomen weiterhin Zusatzkosten durch die Wiedervereinigung.
35 Jahre nach der Wiedervereinigung erhebt der Bund weiter den "Soli". Das ist zulässig, sagt das Verfassungsgericht. Es weist eine Verfassungsbeschwerde von FDP-Politikern zurück.
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Der Bund muss allerdings regelmäßig überprüfen, ob auch in Zukunft noch Ausgaben aufgrund der Wiedervereinigung anfallen, ihn treffe eine "Beobachtungsobliegenheit".
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Soli: Keine starre Zweckbindung und nicht nur in Notlagen
Auch inhaltlich lässt Karlsruhe dem Bund relativ große Freiheiten. Zwar müsse der Gesetzgeber für eine Ergänzungsabgabe wie den "Soli" einen "aufgabenbezogenen finanziellen Mehrbedarf" darlegen - diesen muss der Bund jedoch nur "in seinen Grundzügen umreißen". Die entsprechenden Aufgaben können außerdem "vielfältiger Natur" sein, das Gericht nennt beispielhaft den Ausbau des Bildungswesens oder der Bundeswehr.
Außerdem seien Ergänzungsabgaben auch jenseits kurzfristiger Bedarfsspitzen möglich, das Instrument soll dem Gesetzgeber gerade eine gewisse Flexibilität ermöglichen:
Dafür, dass die Ergänzungsabgabe nur in 'Notfällen' erhoben werden soll, gibt es in den Gesetzesmaterialien keinen tragfähigen Anhaltspunkt.
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Pressemitteilung Nr. 30/2025 des Bundesverfassungsgerichts
Belastung von Gutverdienern und Unternehmen verfassungsgemäß
Deutlich räumte das Gericht den Einwand der FDP-Beschwerdeführer ab, der "Soli" sei zu einer verkappten Reichensteuer umgebaut worden. Ob eine Ungleichbehandlung durch die konkrete Ausgestaltung vorliegt, ließ der Senat offen, denn diese wäre jedenfalls gerechtfertigt - was die Richterinnen und Richter unter anderem mit sozialstaatlichen Erwägungen begründen.
Der "Soli" hat also auch 35 Jahre nach der deutschen Einheit weiter Bestand. Nach dem Urteil kann man davon ausgehen, dass sich daran auch in den nächsten Jahren nichts ändern wird.
Daniel Heymann und Karl Anton Gensicke sind Redakteure in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
Quelle: dpa
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