Potsdamer Treffen: AfD-Mann Siegmund verliert Landtagsposten

    Analyse

    Nach Potsdamer Geheimtreffen:AfD-Mann Siegmund verliert Landtagsposten

    Redakteur Hagen Mikulas, ZDF-Landesstudio Sachsen-Anhalt.
    von Hagen Mikulas, Sachsen-Anhalt
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    Weil er am Potsdamer Geheimtreffen teilgenommen hatte, verliert AfD-Politiker Siegmund seinen Landtagsposten. Nun inszeniert er sich als Opfer einer vermeintlichen Kampagne.

    Rechts im Bild ist AfD-Politiker Ulrich Siegmund freigestellt, im Hintergrund ein Smartphone mit Social Media Apps wie Instagram und TikTok, links im hintergrund ein AfD-Logo.
    Die digitale Macht der AfD wächst. Welche Strategie dahinter steckt und warum die hohe Reichweite der AfD in Sozialen Netzwerken gefährlich ist.21.02.2024 | 16:15 min
    Das Treffen von Rechtsextremen, Unternehmern sowie Politikern von AfD und CDU bei Potsdam im November hat in Sachsen-Anhalt Konsequenzen. 71 Landtagsabgeordnete von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken stimmten in Magdeburg für die Abwahl Ulrich Siegmunds als Vorsitzenden des Sozialausschusses, 21 Abgeordnete der AfD stimmten dagegen.
    Siegmund darf von seiner Fraktion in dieser Legislaturperiode dadurch auch nicht wieder als Ausschussvorsitzender benannt werden. Neuer Vorsitzender soll Hans-Thomas Tillschneider (AfD) werden.

    Siegmund habe sich zum "Gesicht des Rassismus" gemacht

    Der Grund für den Abwahlantrag war die Teilnahme Siegmunds an einem Treffen, bei dem nach Informationen des Recherchenetzwerks Correctiv Pläne zur Verdrängung von Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte aus Deutschland besprochen wurden.
    Katja Pähle, Vorsitzende der SPD-Fraktion, die den Abwahlantrag gestellt hatte, sagt:

    Wer sich zu einem Gesicht des Rassismus macht, der kann nicht gleichzeitig das Gesicht des Landtages im Bereich Migration und Integration sein.

    Katja Pähle, Vorsitzende der SPD-Fraktion in Magdeburg

    Siegmund will sich nicht vom Treffen distanzieren

    Siegmund, auch Co-Fraktionschef der AfD im Landtag, hatte dort einen Vortrag gehalten und soll um Spenden geworben haben. Vor seiner Abwahl erklärte Siegmund, er sehe keinen Grund, sich von dem Treffen zu distanzieren, sprach vom Vorwurf einer "Kontaktschuld".
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    Einige AfD-Vertreter unterstützen offen die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft für Menschen mit Migrationsgeschichte und deren "Remigration" – zuletzt beim Geheimtreffen in Potsdam.23.01.2024 | 6:50 min
    Als Opfer einer vermeintlichen Kampagne präsentiert sich der 33-Jährige in einem Vier-Minuten-Video auf seinem TikTok-Kanal. "Wenn man in diesem Land (…) die wirklichen Probleme anspricht, dann ist man vielen Menschen ein Dorn im Auge und muss scheinbar weg. Und deswegen brauche ich heute eure Unterstützung, um genau diese Wahrheit in jeden Haushalt zu bringen", erzählt Siegmund dort.
    Warum er an dem Treffen teilnahm, erklärt Siegmund im Video nicht. Nach einem Monat hat sein Video über 400.000 Aufrufe und 40.000 Likes.
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    Treffen mit Extremisten: Für ein AfD-Verbotsverfahren brauche es eine umfangreiche Materialsammlung, erklärt Verfassungsrechtler Christian Waldhoff.11.01.2024 | 10:47 min
    Das Video sei exemplarisch für den Kommunikationsstil der AfD, sagt Johannes Hillje, selbstständiger Politik- und Kommunikationsberater. "Das ist die in der AfD eingeübte Strategie der Skandalumkehr."

    Erstens relativiert man dieses Treffen in Potsdam und redet es klein. Zweitens fällt man in eine Opferrolle. Man behauptet, es sei eine mediale Kampagne gegen die AfD.

    Johannes Hillje, Politik- und Kommunikationsberater

    Die digitale "Propaganda-Partei"

    Hillje hat mehrere Bücher zur Kommunikation der AfD verfasst und sagt, das Video zeige auch den Anspruch, den die AfD im digitalen Raum verfolge. Die Partei-PR wolle den Journalismus nicht wie in einer demokratischen Öffentlichkeit üblich ergänzen, sondern sie solle ihn ersetzen.
    AfD und TikTok
    Die AfD erhebe den Anspruch, den Journalismus durch ihre PR zu ersetzen zu wollen, so Politikberater Johannes Hillje. Die Partei erreicht dabei vor allem ein junges Publikum.19.02.2024 | 2:55 min
    Schon seit Gründung setze die AfD sehr stark auf Social Media - mit wachsendem Erfolg, sagt auch der Magdeburger Soziologe und Extremismusexperte David Begrich.

    Die AfD hat von Anbeginn, im Grunde genommen seit 2014, konsequent auf eine Social-Media-Strategie gesetzt und diese auch immer weiterentwickelt.

    David Begrich, Soziologe und Extremismusexperte

    Andere Parteien und Institutionen hätten hingegen große Probleme, sich auf diese Kommunikationsform einzulassen.

    Social-Media-Kanäle der AfD haben hohe Reichweiten

    Bereits 2018 erklärte Alice Weidel, damals noch AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, in der Neuen Zürcher Zeitung: Ziel sei, dass "die Menschen irgendwann AfD und nicht ARD schauen".
    Fünf Jahre später haben die Partei und ihre Funktionäre auf Social-Media-Kanälen hohe Reichweiten. Auf Facebook, YouTube und TikTok erreicht die AfD das Vielfache an Menschen wie die anderen Parteien.
    Ein Grund sei eine "Wesensverwandtschaft" zwischen Social Media und Populismus: Emotionale und polarisierende Inhalte würden von den Plattformen bevorzugt, so Politikberater Johannes Hillje.
    Ein Smartphone mit den Logos diverser Social Media Plattformen
    Soziale Medien, vor allem TikTok, spielen eine oft unterschätzte Rolle bei der Verbreitung von Antisemitismus und Rechtsextremismus. Das ist auch Thema am Safer Internet Day.06.02.2024 | 1:34 min
    Auch arbeite die AfD "systematisch mit Falschinformationen, mit Halbwahrheiten, auch mit Verschwörungserzählungen" und diese digitale Kommunikation sei ein "wesentlicher Baustein" des aktuellen Umfrage-Erfolgs der AfD.

    Problemfall TikTok

    Wie groß der Einfluss der AfD über die digitalen Medien besonders auf Jung- und Erstwähler sei, zeigten etwa die Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Bayern und Hessen, sagt die Professorin Nina Kolleck, Bildungsforscherin an der Universität Potsdam.
    2022 waren in Deutschland 55 Prozent der 14- bis 19-Jährigen bei TikTok aktiv - darunter also Erst- und Jungwähler.

    Wir sehen, dass unter den jungen Menschen (…) die Zustimmung zu dieser Partei noch größer ist, als in der erwachsenen Generation, und dass die Ursache höchstwahrscheinlich in den sozialen Medien liegt.

    Nina Kolleck, Bildungsforscherin an der Universität Potsdam

    Das Problem dabei sei die Vielzahl an Falschinformationen und Verschwörungserzählungen etwa auf TikTok, so Kolleck. Und das, selbst wenn diese Falschinformationen gemeldet würden, "viele dieser Videos trotzdem weiter gezeigt werden und dort nichts passiert."
    Auf unser Nachfragen zu dieser Kritik und zum Umgang mit Falschinformationen verweist TikTok auf seine umfangreichen Community-Regeln, auch zu sogenannten Fehlinformationen. Das Problem jedoch sei, dass diese nicht ausreichend angewendet würden, sagt Kolleck.
    Mit Material von dpa und AFP.

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