Innere Sicherheit: Was im Sicherheitspaket der Ampel steckt
Innere Sicherheit:Was im Sicherheitspaket der Ampel steckt
von Daniel Heymann und Alexandra Tadey
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Vorübergehende Grenzkontrollen und eine Reihe weiterer Maßnahmen vor allem im Asyl- und Waffenrecht - ein Überblick über das von der Bundesregierung geplante Sicherheitspaket.
Bereits ab nächster Woche soll es an allen deutschen Landesgrenzen stichpunktartige vorübergehende Grenzkontrollen geben. Die Union fordert weitere Maßnahmen in Sachen Migration.09.09.2024 | 2:46 min
Man werde "als Staat auf diesen terroristischen Akt mit aller notwendigen Härte antworten", kündigte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sechs Tage nach dem Attentat von Solingen an. Nun hat die Antwort Konturen bekommen: Grenzkontrollen für ein halbes Jahr, dazu hat das Kabinett heute zwei Gesetzentwürfe beschlossen, die schon am Donnerstag im Bundestag beraten werden sollen.
Die Regierungskoalition hat sich darin auf eine Reihe von Maßnahmen verständigt, um die innere Sicherheit in Deutschland zu erhöhen. Was genau ist geplant, was ist rechtlich umsetzbar und was ist davon zu erwarten?
Faeser: Grenzkontrollen für sechs Monate
CDU und CSU hatten schon länger darauf gedrängt, heute ist Innenministerin Faeser nachgezogen: Ab dem 16. September soll es für sechs Monate Kontrollen an den deutschen Grenzen geben - mit einem Modell für "europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen", wie es in Regierungskreisen heißt. Details dazu sollen morgen mit den Unionsfraktionen besprochen werden, heute blieb die Ministerin noch vage:
Dauerhafte Grenzkontrollen sind rechtlich umstritten, denn innerhalb des Schengen-Raums soll es eigentlich freien Personen- und Warenverkehr geben. Ausnahmen sind aber möglich, unter anderem bei einer "ernsthaften Bedrohung der inneren Sicherheit".
Faeser geht im Streit über eine schärfere Asyl- und Migrationspolitik auf CDU und CSU zu. Unklar ist allerdings, ob die Union an den angebotetenen Gesprächen teilnimmt.
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Viele Neuerungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht
Im Bereich des Asyl- und Aufenthaltsrechts wurden dazu Maßnahmen vorgestellt: Zur effektiveren Durchführung von Abschiebungen soll vor allem ein besonderes Ausweisungsinteresse bei Straftaten mit Messern, auch bei Jugendlichen, dienen. Geplant sind zudem mehr Ausnahmen bei Abschiebeverboten, unter anderem bei Straftaten aus "menschenverachtenden Beweggründen", etwa Antisemitismus und Rassismus.
Überdies sollen Schutzsuchende, die ohne zwingenden Grund in ihr Heimatland zurückkehren, etwa für Urlaubsreisen, ihren Schutzstatus verlieren. Diese Vorschläge lassen sich durch Änderungen des Aufenthalts- und des Asylgesetzes relativ einfach umsetzen.
Bund, Länder und Union beraten am Dienstag über die deutsche Migrationspolitik. Wo es zu einer Annäherung kommen kann, schätzt ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann in Berlin ein.09.09.2024 | 1:35 min
Bundesregierung will mehr Rückführungen
Die Bundesregierung will außerdem mehr Rückführungen nach der Dublin-III-Verordnung, also in andere EU-Staaten, erreichen. An dieser Stelle steht zwar weniger das Recht im Weg als vielmehr die tatsächliche Umsetzung auf Verwaltungsebene - so wie auch im Fall Solingen. Allerdings will Faeser in Dublin-Fällen den Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausschließen, um den Ausreisedruck zu erhöhen.
Ob das mit dem Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum vereinbar ist, dürfte am Ende das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Bisher hat Karlsruhe sich zu dieser Frage noch nicht konkret positioniert. Das Gericht hat aber 2022 klargestellt, dass der Gesetzgeber von Asylsuchenden verlangen kann, "an der Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit selbst aktiv mitzuwirken oder die Bedürftigkeit gar nicht erst eintreten zu lassen" - ein Hinweis, dass in bestimmten Fällen auch die vollständige Streichung von Leistungen zulässig sein kann.
Im Zuge von Asyldebatten ist immer wieder von den sogenannten Dublin-Regeln der EU die Rede. Aber was beinhaltet das Übereinkommen der EU genau?09.09.2024 | 1:34 min
Waffenrecht: Starke Einschränkungen bei Messern
Die Bundesregierung will daneben das Waffenrecht deutlich verschärfen - vor allem, um Gewalttaten mit Messern besser begegnen zu können. Erster Schritt dazu ist ein vollständiges Verbot von Springmessern mit Ausnahmen für Handwerker und Jäger. Dazu soll auf Bundesebene ein absolutes Verbot von Messern bei Großveranstaltungen sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln kommen. Weiterhin sollen die Bundesländer ermächtigt werden, solche umfassenden Verbote an "kriminalitätsbelasteten Orten", also Orten, an denen wiederholt bestimmte Straftaten begangen werden, einzuführen.
All diese Maßnahmen lassen sich durch Änderungen des Waffengesetzes mit einfacher Mehrheit erreichen, eine schnelle Umsetzung ist also realistisch. Mit Blick auf die in Deutschland gestiegene Messerkriminalität erscheinen die Vorschläge auch plausibel - zumal insbesondere Attentäter wie im Fall Solingen von Organisationen wie dem IS inzwischen gezielt aufgefordert werden, Messer zu verwenden, und im Internet Anleitungen zu ihrem möglichst gefährlichen Einsatz erhalten.
Polizeirecht: Anlasslose Kontrollen kommen
Justizminister Marco Buschmann (FDP) hat selbst eingeräumt, dass Terroristen sich von Messerverboten nicht abhalten lassen werden. Unter anderem deshalb plant die Regierung eine Ausweitung der Befugnisse der Bundespolizei. Konnte sie bislang nur bei bestimmten Verdachtsmomenten Personenkontrollen durchführen, soll dies in Zukunft - in Stichproben - anlasslos möglich sein.
Die Hoffnung der Union und der Ampel sei „dass die Parteien der Mitte Handlungsfähigkeit demonstrieren“, so Diana Zimmermann über die Einführung der Grenzkontrollen.09.09.2024 | 2:17 min
Die dafür erforderliche Änderung des Bundespolizeigesetzes kann ebenfalls mit einfacher Mehrheit schnell vollzogen werden. Allerdings ist Polizeirecht im Grundsatz Ländersache - die Bundespolizei hat begrenzte Zuständigkeiten, etwa für Bahnhöfe oder den Grenzschutz.
Innenministerin Faeser hat außerdem angekündigt, die Polizei solle künftig öffentlich zugängliche Bilder, etwa in sozialen Medien, mit biometrischen Daten abgleichen können. Dieser Punkt ist mit Blick auf Persönlichkeitsrechte und Datenschutz zumindest heikel: Solche Kontrollen sind nicht anlasslos möglich, darüber hinaus muss die Löschung der erhobenen Daten gewährleistet werden.
Daniel Heymann und Alexandra Tadey arbeiten in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
Quelle: ZDF
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