Scholz vor U-Auschuss:Cum-Ex-Affäre: Erinnert er sich heute?
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Als Bürgermeister sprach Olaf Scholz mehrfach mit dem Chef einer Cum-Ex Bank, die Steuerbetrug betrieb. An den Inhalt der Gespräche könne er sich aber nicht erinnern. Auch heute?
Olaf Scholz musste zum dritten Mal im Cum-Ex-U-Ausschuss in Hamburg aussagen.
Quelle: AFP/ Ronny Hartmann
Es war einer dieser komischen Momente am Rande ernster Ereignisse: als die Presse darauf wartet, dass Bundeskanzler Olaf Scholz zum Cum-Ex Untersuchungsausschuss vorfährt, schlendert ein Nikolaus vorbei. Aus seinem Jutesack verteilt er Werbeinfos.
Wenn Scholz jetzt vorführe - was würde er ihm denn sagen zum Steuerbetrug der Warburg Bank und seinen Erinnerungslücken? "Ich würde ihm mit meiner Rute die Erinnerungslücken austreiben", sagt der Mann mit weißer Bart-Attrappe.
Ich kann das nicht glauben, dass man sich an nichts erinnert. Und man muss halt auch zu Fehlern stehen, die man macht.
U-Ausschuss wird genau beobachtet
Es ist Wahlkampf und so wird der parlamentarische Untersuchungsausschuss (PAU) genau beobachtet, auch wenn Scholz schon zum dritten Mal aussagen muss.
In zähen Befragungen kam unter anderem heraus, dass der Kanzler sich 2016 und 2017 drei Mal mit Warburg-Bankenchef Olearius besprochen hatte - aber an den Inhalt der Gespräche, so Scholz, könne er sich nicht erinnern.
Die Opposition vermutet politische Einflussnahme. Denn manche Rückzahlungen hinterzogener Steuern aus Cum-Ex-Geschäften der Warburg Bank drohten in die Verjährung zu laufen.
CDU-Politiker: Scholz zeigt kein Interesse an Aufklärung
Ex-Bürgermeister Scholz und sein damaliger Finanzsenator Peter Tschentscher zeigten kein Interesse an Aufklärung, so interpretiert der CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering die Erinnerungslücken.
Das Wichtigste, was ein Politiker hat, ist Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Und die Glaubwürdigkeit hat nach dieser ganzen Posse rund um Cum-Ex stark gelitten.
Dennis Thering, CDU-Fraktionsvorsitzender
Er zeigt sich überzeugt, dass das die Wahlen in Hamburg und im Bund beeinflussen wird.
Scholz dagegen erkennt auch heute keine Fehler in seinem Handeln. Im Gegenteil: Er habe sich immer für ein gerechtes Steuersystem eingesetzt, betont der Bundeskanzler. Und politischen Einfluss zum Vorteil der Banken habe er auch nie genommen.
Distanz zur Bankenwelt demonstrieren - kein Alleinstellungsmerkmal
Es ist kein Alleinstellungsmerkmal von Scholz, Distanz zur Bankenwelt zu demonstrieren: Auch Schleswig-Holsteins Ex-Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen von der CDU tat dies heute, denn es ging um die Cum-Ex-Geschäfte der ehemaligen Landesbank HSH Nordbank 2008 - 2011.
Damals waren Schleswig-Holstein und Hamburg CDU-regiert und hatten Vertreter im Aufsichtsrat. Von Cum-Ex- oder Cum-Cum-Geschäften der Landesbank HSH Nordbank habe er nichts gewusst, so Carstensen. Und Treffen mit Warburg-Banker Olearius hat es "meiner Kenntnis nach" nicht gegeben, sagt er.
Cum-Ex-Geschäfte sind eine Form der Steuerhinterziehung, bei der Aktien um den Stichtag der Dividendenzahlung hin und her gehandelt wurden. Mal mit (also "cum"), mal ohne ("ex") Dividendenanspruch. Dieses Vorgehen wurde so oft wiederholt, dass die Behörden nicht mehr hinterherkamen. So war es den Finanzinstitutionen möglich, sich eine einmal auf Aktiendividenden gezahlte Kapitalertragssteuer mehrfach erstatten zu lassen. Der Bundesgerichtshof hat diese Deals, bei denen den Steuerbehörden einige Milliarden Euro entgingen, als rechtswidrig eingestuft.
SPD verweist auf vorbildliche Aufklärung
Sicher ist: Die HSH beauftragte 2012 selbst die Kanzlei Clifford Chance mit einer Untersuchung ihrer Cum-Ex Geschäfte und zahlte 127 Millionen illegaler Steuerrückerstattungen zurück. Die SPD In Hamburg verweist auf diese - aus Ihrer Sicht - vorbildliche Aufklärung, und das zur Regierungszeit des Bürgermeisters Scholz.
"Es gibt keine einzige Landesbank, die ihre Geschäfte so umfassend selber aufgeklärt hat wie die HSH Nordbank", sagt Milan Pein, SPD-Obmann im U-Ausschuss. "Das ist auch von vielen Experten gelobt worden als die umfassendste Aufklärung, die es in einem solchen vergleichbaren Fall gegeben hat."
Aktivist: Keine ausreichende Bekämpfung von Steuerkriminalität
Aber im Ausschuss wird auch bemerkt, dass Scholz zu den sogenannten Cum-Cum-Geschäften der Bank nichts sagen kann, oder will. Die allerdings sind nach Ansicht der Aktivisten von "Finanzwende" das noch viel größere Übel. Bis heute seien die Millionen aus diesen Steuerhinterziehungen nicht zurückgezahlt.
"Deutschland ist bei der Bekämpfung der Steuerkriminalität schlecht aufgestellt", sagt Gerhard Schick von "Finanzwende". "Gerade bei diesen ganz großen Summen, gerade angesichts der Haushaltslöcher wäre es ja eigentlich ökonomisch rational, das Geld zurückzuholen, aber da passiert fast nichts."
Und hier in Hamburg können wir sehen, warum so wenig passiert: weil es einen engen Kontakt gibt zwischen den Banken und politischen Entscheidungsträgern.
Gerhard Schick, Aktivist von "Finanzwende"
Der U-Ausschuss tagt noch ein letztes Mal vor Weihnachten. Dann soll ein Abschlussbericht verfasst werden. Unklar, ob er politische Nachwehen haben wird. Wenn aber aus ihm folgt, dass die Finanzbehörden bei "Steueroptimierungen" von Banken genauer hinschauen, hätte er jedenfalls eine wichtige Funktion erfüllt.
Quelle: dpa
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