Lieferkettengesetz: Scholz stiftet Verwirrung

    Kanzler beim Arbeitgebertag:Gesetz weg oder nicht weg? Scholz verwirrt

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    Der Wirtschaft geht es nicht gut. Eigentlich weiß das jeder, auch die Bundesregierung. Kanzler Scholz plant, verhandelt - und sorgt beim Lieferkettengesetz für Verwirrung.

    Scholz bei Rede
    Die deutsche Wirtschaft schwächelt seit Jahren. Nun hat der internationale Währungsfonds seine Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum für dieses Jahr nochmals gesenkt. 22.10.2024 | 1:45 min
    Bundeskanzler haben es bei den Unternehmen nie leicht, sozialdemokratische zumal. Doch in diesem Jahr ist eigentlich klar: Irgendetwas muss passieren. Der deutschen Wirtschaft geht es schlecht, kein Wachstum schon das zweite Jahr in Folge. Die Situation versuchte selbst Kanzler Olaf Scholz (SPD) beim Arbeitgebertag am Dienstag gar nicht erst schön zu reden.
    Der Arbeitgeber-Verband, der nach eigenen Angaben eine Millionen Unternehmen mit 30 Millionen Beschäftigten vertritt, hätte es ihm ohnehin kaum durchgehen lassen. Was tun? Da gibt es zwei Meinungen. Mindestens.

    BDA-Präsident: Glaube ich erst, wenn es im Betrieb ankommt

    Deutlich wird das in einem kleinen Wortgefecht zwischen Scholz und BDA-Präsident Rainer Dulger zum Thema Bürokratieabbau. Scholz kündigt ihn an, Dulger verlangt noch mehr. Denn auch schon das, was bislang versprochen worden sei, komme bei den Unternehmen nicht an, klagt Dulger. Beispiel: das Lieferkettengesetz - oder wie es genauer heißt: das Lieferkettensorgfaltskontrollgesetz.
    Entwicklungsministerin Schulze (SPD) will sich in Pakistan ein Bild von der Wirksamkeit des deutschen Lieferkettengesetzes machen. In der Ampel-Koalition ist das Gesetz umstritten.
    Entwicklungsministerin Schulze macht sich in Pakistan ein Bild von der Wirksamkeit des deutschen Lieferkettengesetzes machen. In der Ampel-Koalition ist das Gesetz umstritten.22.08.2024 | 3:04 min
    Das Gesetz also, das Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette eines Produkts verhindern soll. Das viele Unternehmen aber für einen Kosten- und Bürokratietreiber halten.
    "Wir haben mehrfach darum gebeten", so Dulger, "dieses Gesetz entweder zu lockern oder außer Kraft zu setzen." Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) habe eine Überprüfung auch zugesagt. "Aber geliefert hat er nichts", so Dulger.
    "Dieses Jahr noch", wirft Scholz ein. Dieses Jahr noch was? Das Gesetz weg? Oder geändert? Egal, was der Kanzler meint, Dulger glaubt ihm erstmal weder das eine noch das andere:

    Ich glaube das, wenn die Tinte trocken ist und es bei mir auf dem Lieferschein steht und bei mir im Betrieb ankommt. Bei mir im Betrieb ist bislang davon nichts angekommen, nichts davon.

    Rainer Dulger, BDA-Präsident

    Später, als es noch einmal um Bürokratieabbau geht, sagt Scholz noch: "Das kommt weg." Und weil es immer noch nicht klar ist, schiebt er hinterher: "Die angekündigte Reform mit dem Abbau all dieser Regelung wird gemacht." Soll heißen: Das Lieferkettensorgfaltskontrollgesetz soll refomiert werden. Bis Ende des Jahres. Habecks Ministerium betont per Pressemitteilung: "Daran arbeitet die BUndesregierung gemeinsam."
    Vermutlich ist dies das größte Problem der Bundesregierung: Man glaubt ihr nicht. Und wenn sie auf Kritik reagiert, ist das Ergebnis irgendwie verwirrend.
    Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Steffen Kampeter
    BDA-Hauptgeschäftsführer Kampeter sieht eine große Defizitliste. Vor allem Sozialabgaben seien aus Wirtschaftssicht zu hoch.22.10.2024 | 0:42 min

    Was bringt die Wirtschaft aus dem Wachstumstief?

    Dabei sind sich in der Bestandsaufnahme der Wirtschaftsmisere Unternehmen und die Ampel-Koalition eigentlich einig: weniger Bürokratie, bessere Anwerbung von Fachkräften, Änderungen beim Bürgergeld. All das könnte helfen, die Wirtschaft aus dem Wachstumstief zu holen. "Wir haben kein Erkenntnisproblem", so Dulger. Die Umsetzung sei das Problem.
    Nur die von der Ampel geplante Rentenreform, sagt er, gehöre "ins Museum für verkorkste Reformen". Da würde der Kanzler vermutlich nicht mitgehen.
    Bruttoinlandsprodukt

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    Was Kanzler Scholz aber nun genau plant, blieb auch beim Arbeitgebertag offen. Dabei drängt die Zeit. Die Wachstumsinitiative der Ampel hängt in der Warteschleife. Einzelne Maßnahmen des 49-Punkte-Pakets vom Juli sollen nun doch nicht kommen oder werden wieder neu verhandelt. So genau weiß man das momentan nicht.
    Was sicher ist: Bis Mitte November müssen die Verhandlungen beendet sein. Dann soll der Bundestag über den nächsten Haushalt abstimmen, inklusive der Wachstumsinitiative.
    Sina Mainitz
    Viele Unternehmer beklagen, dass die Ampel-Regierung zu wenig für einen Wirtschafts-Aufschwung tue. ZDF-Börsenexpertin Sina Mainitz berichtet, welche Maßnahmen möglich wären. 22.10.2024 | 1:33 min
    Kanzler Scholz verhandelt inzwischen über die 49-Punkte-Wachstumsinitiative hinaus. "Es muss ständig daran gearbeitet werden", sagt Scholz am Dienstag. Deswegen führe er intensive Gespräche, "bei denen man nicht vorher liest, wer kommt. Liest, wer wann was sagt. Hinterher liest, wer wen fest ins Auge geblickt hat." Das seien "theatralische Inszenierungen von Politik" und eine "Abschaffung von echter Politik", findet Scholz.

    Es muss doch auch mal wieder vertraulich miteinander geredet werden können.

    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

    Es brauche eine positive Erzählung, wie man aus der Krise wieder herauskomme. Wie es bei früheren Wirtschaftskrisen auch gelungen sei. "Wir brauchen eine klare Botschaft", fordert Scholz.

    Neuauflage der konzertierten Aktion?

    Vielleicht gibt es diese Botschaft bald. Am 29. Oktober soll es im Kanzleramt einen Industriegipfel geben, bei dem Unternehmensvertreter, Gewerkschaften und Verbände zusammenkommen sollen, um gemeinsam Wege aus der Krise zu finden.
    Es ist gut zwei Jahre her, da gab es etwas Ähnliches schon einmal. Konzertierte Aktion hieß die Veranstaltung, zu der Scholz BDA-Präsident Dulger und DGB-Chefin Yasmin Fahimi eingeladen hatte. Damals standen alle unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs, der steigenden Energiekosten und hoher Inflation. Eine "historische Herausforderung" sei das, sagte damals Scholz.
    Das damalige Ziel, dass "alle gut durch diese Zeit kommen", ist auch irgendwie das neue.

    Weitere Hintergründe