Rundfunkreform: Was der Entwurf für ZDFheute heißt
FAQ
Reformentwurf der Länder:Gibt es bald weniger News auf ZDFheute?
von Kevin Schubert
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ARD und ZDF sollen ihr Textangebot im Internet einschränken. Das sieht ein Reformentwurf vor, über den die Länder aktuell beraten. Was heißt das für dieses Angebot? Ein Überblick.
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Die Bundesländer arbeiten aktuell an einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Dabei geht es den Ministerpräsidenten vor allem darum, dass ARD und ZDF effizienter werden und Kosten sparen. Daneben behandelt der Reformentwurf aber auch die Frage, wie viel und welche Texte öffentlich-rechtliche Sender veröffentlichen dürfen. Was das für Nachrichtenangebote wie ZDFheute bedeuten würde - ein Überblick.
Was sieht der Reformentwurf vor?
Schon heute dürfen Texte bei Nachrichtenangeboten wie ZDFheute oder tagesschau.de "nicht im Vordergrund" stehen. Um eine "Presseähnlichkeit" zu vermeiden, haben die digitalen Angebote deshalb einen sogenannten audiovisuellen Schwerpunkt, das heißt, sie übermitteln Informationen nach Möglichkeit über Videos, Grafiken oder Audios.
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Texte liefern in erster Linie kompakte Zusammenfassungen der Ereignisse oder Hintergrundinformationen, die es nicht in eine Nachrichtensendung im Fernsehen oder im Radio schaffen. Texte informieren aber auch niedrigschwellig und schnell, wenn noch keine Bilder vorliegen - etwa bei Eilmeldungen.
Der von der Rundfunkkommission der Länder vorgelegte Entwurf verschärft die bestehenden Regeln nun noch einmal. Demnach dürften nur noch "sendungsbegleitende Texte" veröffentlicht werden. ZDFheute und tagesschau.de müssten demnach warten, bis ein Thema beispielsweise in einer TV-Sendung gelaufen ist - und könnten erst im Anschluss darüber berichten.
Auf Seite 32 des Entwurfs der Rundfunkkomission für einen "Staatsvertrag zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Rundfunkstaatsvertrag)" heißt es:
"Die eigenen Portale sowie Telemedien auf Drittplattformen dürfen jeweils nicht presseähnlich sein. Sie sind im Schwerpunkt mittels Bewegtbild oder Ton zu gestalten, sendungsbegleitende Texte im Sinne des Satz 3 sowie Angebotsübersichten, Schlagzeilen zu aktuellen Ereignissen, Informationen über die jeweilige Rundfunkanstalt, Maßnahmen zum Zweck der Barrierefreiheit und nach der Anlage zu diesem Staatsvertrag zulässige Chats und Foren sind zulässig.
Sendungsbegleitende Texte sind Sendungstranskripte, Zusammenfassungen von Sendungen sowie solche, die der nachträglichen Aufbereitung von Inhalten aus einer konkreten eigenen, nicht länger als zwei Wochen zurückliegenden Sendung einschließlich Hintergrundinformationen dienen, soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wird und diese Angebote thematisch und inhaltlich die Sendung unterstützen, begleiten und aktualisieren, wobei der zeitliche und inhaltliche Bezug zu einer bestimmten Sendung im jeweiligen Portal ausgewiesen werden muss.
Auch bei sendungsbegleitenden Texten nach Satz 3 soll nach Möglichkeit eine Einbindung von Bewegtbild oder Ton erfolgen. Zur Anwendung der Sätze 1 bis 4 soll von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Spitzenverbänden der Presse eine Schlichtungsstelle eingerichtet werden."
Wie würde sich das auf die Angebote von ZDFheute auswirken?
Die Folgen für die digitalen Ausspielwege von ARD und ZDF wären massiv.
Zunächst könnten Plattformen wie tagesschau.de und ZDFheute nicht mehr in der gewohnten Schnelligkeit informieren. Eine Eilmeldung dürfte zwar als Schlagzeile vermeldet werden. Hintergründe könnten aber unter Umständen erst Stunden später nachgereicht werden - zumal die Produktion von Videos und Audios mehr Zeit erfordert als Text, der zeitnah und barrierearm publiziert werden kann.
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Gleichzeitig würde die Themenvielfalt der öffentlich-rechtlichen Internetangebote eingeschränkt werden. Die Nachrichtensendungen in TV und Radio können durch ihre zeitliche Beschränkung deutlich weniger Themen aufgreifen als die digitalen Ausspielwege von ARD und ZDF.
Eine weitere Herausforderung: Beispielsweise über ihre Instagram-Kanäle erreichen die tagesschau und ZDFheute Millionen junge Menschen. Dort berichten die öffentlich-rechtlichen Angebote immer wieder über Themen, die vor allem junge Menschen beschäftigen, die es bislang nicht in Sendungen schaffen. Je nach Auslegung des Begriffs "sendebegleitend" müssten ARD und ZDF auf die Aufbereitung relevanter Themen für Millionen Menschen verzichten.
Was genau heißt "sendebegleitend"?
Eine Verschärfung des Kriteriums, dass Texte "sendebegleitend" sein sollen, wäre die stärkste Einschränkung für die Online-Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Laut Reformentwurf gelten solche Texte als "sendebegleitend", die beispielsweise den Inhalt einer konkreten Sendung aufbereiten, zusammenfassen oder Hintergrundinformationen dazu bieten.
Dabei sind allerdings nicht nur TV- oder Radio-Sendungen gemeint. Der Medienstaatsvertrag selbst definiert darunter einen zusammenhängenden "Einzelbestandteil eines Sendeplans oder Katalogs". Heißt: Auch Videoclips oder Inhalte der Mediathek zählen als Sendung.
Was verbirgt sich hinter "Presseähnlichkeit"?
Die Frage der Presseähnlichkeit öffentlich-rechtlicher Angebote hatte bereits mehrfach Gerichte beschäftigt. Der Streit stammt noch aus einer Zeit, in der Printmedien und Rundfunk stärker getrennt waren.
In einem Urteil von 2015 zur Tagesschau-App hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass ein Angebot dann als presseähnlich gilt, wenn der Text deutlich im Vordergrund steht, also von "stehender" Schrift und Bildern geprägt ist. Um eine Presseähnlichkeit zu vermeiden, müsste demnach ein Online-Angebot zumindest überwiegend aus Video- oder Tonbeiträgen bestehen.
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Warum gibt es diese Regeln?
Die privaten Zeitungsverleger setzen sich seit Jahren dafür ein, dass die Textangebote von ARD und ZDF im Internet beschränkt werden. Ihre These: Öffentlich-rechtliche Textangebote, die durch den Rundfunkbeitrag finanziert werden, beeinträchtigen die Vielfalt und Finanzierung der Zeitungsverlage.
Eine Simulation für den österreichischen Markt aus diesem Jahr widerspricht dieser These. Untersucht wurde, wie sich eine Abschaltung von ORF.at auf die digitalen Bezahlangebote privater Anbieter auswirken würde. Das Ergebnis: Es wären nur geringe Zugewinne zu erwarten.
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Auch im internationalen Vergleich zeige sich, dass es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Stärke öffentlich-rechtlicher Nachrichtenangebote und den Markterlösen der privaten Anbieter gebe, schreiben die Studien-Autoren. Die größeren Konkurrenten in Bezug auf Werbeeinnahmen seien große US-Konzerne wie Meta, Google oder Amazon.
Für öffentlich-rechtliche Nachrichtenangebote wie tagesschau.de und ZDFheute gilt der Grundsatz der Werbefreiheit.
Das ZDF hat in einer Stellungnahme zum Rundfunkreformstaatsvertrag der Argumentation der Verleger widersprochen.
"Wäre die These der Zeitungsverleger zutreffend, müssten Zuschauer, die sich den Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verschließen, in signifikant größerem Umfang Zeitung lesen. Dies kann aber gerade nicht belegt werden", heißt es in der Stellungnahme.
"Damit schwächen die jetzt vorgeschlagenenen Verschärfungen des Verbots presseähnlicher Angebote ohne sachlichen Grund die journalistischen Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit die Informationsvielfalt. Sie sind damit auch mit der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 GG jedenfalls in dieser Form nicht vereinbar."
Die Einschränkung von Text auf sendungsbegleitende Inhalte wäre "ein schwerwiegender Einschnitt", schreibt das ZDF weiter. "Die damit faktisch verbundene zwingende Ausweisung eines Sendungsbezugs führt zu einem erheblichen bürokratischen und personalintensiven Aufwand, ohne dass damit ein für die Verleger messbarer Vorteil verbunden wäre." Auch eine von Ländern und Gremien gewünschte Verstärkung der Informationsangebote werde abgeschnitten, "vielmehr müsste das Nachrichtenangebot des ZDF zurückgefahren werden (...)."
"Die vorgeschlagene Verschärfung des Sendungsbezugs reduziert damit das Informationsangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und schwächt gleichzeitig die Akzeptanz des öffenlich-rechtlichen Rundfunks und seiner Informationsangebote, die damit drohen, zu nicht aktuellen Nachrichtenarchiven zu verkommen."
Das ZDF schlägt in der Stellungnahme erstens vor, gegebenenfalls "Kooperationen zwischen Rundfunkanstalten und Verlegern zusätzlich dadurch zu befördern, dass die Rundfunkanstalten verpflichtet werden, mit Verlegern auf Verlangen Verträge über die Übernahme bzw. Integration von ausgewählten Telemedien durch den Verleger zu angemessenen Bedingungen zu schließen (...)."
Zudem könne geregelt werden, dass ARD und ZDF in ihren Nachrichtenangeboten auf vertiefende Artikel der Online-Angebote der Verleger verlinken. "Damit entsteht - auch im Sinne der beabsichtigten Anpassung der Negativliste - für die Presseverlage die Möglichkeit, durch die Reichweite der öffentlich-rechtlichen Angebote zusätzliche Leser zu gewinnen."
Wie geht es jetzt weiter?
Die Ministerpräsidenten beraten noch bis Freitag über die Reform des Rundfunkstaatsvertrags. Möglich sind mehrere Szenarien - von einer Einigung auf den Entwurf über Planänderungen bis hin zum Scheitern der Gespräche.
Laut früheren Plänen der Bundesländer könnte die Reform im Sommer 2025 in Kraft treten.
Worum geht es noch bei der Rundfunkreform?
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