Reichsbürgerprozess: Der "Rat" auf der Anklagebank

    Reichsbürgerprozess in Frankfurt:Der "Rat" auf der Anklagebank

    von Jan Henrich
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    Sie sollen einen Umsturz in Deutschland geplant haben. Im zweiten Verfahren gegen die Gruppe um Heinrich Prinz Reuß steht nun die mutmaßliche Führungsriege vor Gericht.

    21.05.2024, Hessen, Frankfurt/Main: Zum Prozessauftakt gegen die mutmaßliche "Reichsbürger"-Gruppe wird der Hauptangeklagte Heinrich XIII. Prinz Reuß in den Verhandlungssaal in der Außenstelle Sossenheim vom Oberlandesgericht Frankfurt gebracht.
    In Frankfurt hat heute der zweite Prozess gegen die „Reichsbürger“- Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß begonnen. Die Gruppe soll eine Machtübernahme geplant haben. 21.05.2024 | 1:44 min
    Es ist ein Mammutverfahren, das heute in Frankfurt beginnt. Das Oberlandesgericht hatte eigens dafür eine Halle errichten lassen. Die mutmaßliche Führungsriege der Reichsbürgergruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß muss sich in dem Prozess verantworten.
    Die Vorwürfe gegen die neun Angeklagten, die derzeit in Untersuchungshaft sitzen, lauten unter anderem auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. Das Gericht muss nun klären: Wie gefährlich war die Gruppe wirklich?
    Heinrich XIII. Prinz Reuß bei seiner Verhaftung im Dezember 2022 ist vor dem Reichstagsgebäude als Hintergrund abgebildetet.
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    Umsturzpläne, verschleppte Kinder und Verbindungen nach Russland

    Über 600 Seiten umfasst die vollständige Anklage. Die Reichsbürgergruppe habe den Staat abgelehnt und sei einem Konglomerat aus unterschiedlichen Verschwörungsmythen gefolgt, heißt es von Seiten der Bundesanwaltschaft.
    Von abstrusen Vorstellungen ist die Rede. Deutschland sei fremdgesteuert und Eliten würden Kinder in unterirdischen Höhlen gefangen halten. Die Gruppe soll auch immer wieder versucht haben Verbindungen nach Russland aufzubauen, um Hilfe für ihr Vorhaben zu erhalten.
    Zentrales Organ der Gruppe sei demnach ein "Rat" gewesen, mit einer Aufgabenteilung ähnlich einer Regierung. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass die Gruppe ab August 2021 geplant hat, gewaltsam einen Systemumsturz herbeizuführen, unter anderem durch einen Angriff auf den Bundestag.
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    380 Schusswaffen, Nachtsichtgeräte und Handfesseln

    Anhaltspunkte, wie konkret und gefährlich die Vorbereitungen gewesen sind, gibt es nach Ansicht der Ermittler genug: Rekrutierung von militärischem Personal, die Beschaffung von Ausrüstung und die Durchführung eines Schießtrainings. Insgesamt wurden rund 380 Schusswaffen, knapp 350 Hieb- und Stichwaffen sowie Nachtsichtgeräte und Satellitentelefone gefunden.
    Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass den Mitgliedern der Gruppe bewusst war, dass die geplante Machtübernahme mit der Tötung von Menschen verbunden gewesen wäre. Es ist juristisch die Grundlage für den Vorwurf als terroristische Vereinigung.

    Verteidiger: "Außer Fantasie bleibt nicht viel übrig"

    Diesem Vorwurf widersprechen Verteidiger der Angeklagten. Rechtsanwalt Roman von Alvensleben vertritt Heinrich Prinz Reuß in dem Prozess. Er sieht keine Anhaltspunkte für Terrorismus.

    Ich halte die Gruppe insgesamt nicht für gefährlich, weil sie auch keine Struktur hatte oder keinen inneren Verbund, weil immer wieder andere und unterschiedliche Personen miteinander geredet haben.

    Roman von Alvensleben, Strafverteidiger von Heinrich XIII. Prinz Reuß

    Außer Fantasien sei nicht viel übriggeblieben. Es habe zwar Veranstaltungen im Jagdschloss Waidmannsheil von Heinrich Prinz Reuß gegeben, räumt der Verteidiger ein. Daraus ließen sich jedoch keine Umsturzpläne ableiten. Es seien Vorträge gehalten worden. Von Alvensleben bezweifelt bereits, dass die Beteiligten sich als Gruppe verstanden hätten.
    Die Angeklagten im Frankfurter Reichsbürger-Prozess:










    Eigenes Prozessgebäude für Mammutverfahren

    Es wird die Kernfrage des Verfahrens in Frankfurt sein. Wie konkret waren die Pläne der Gruppe, welche Gefahr bestand wirklich, dass Menschen getötet werden? Das Gericht wird sich Zeit lassen, den Komplex aufzuklären.
    Es ist ein Mammutverfahren. Bereits jetzt sind über 40 Verhandlungstage angesetzt, wahrscheinlich werden es noch deutlich mehr. Rund 250 Zeugen sollen gehört werden. Über 800 Stehordner umfasst das zum Prozess gehörige Aktenmaterial.

    Es ist ein Verfahren in einer Größenordnung, die wir bislang nicht verhandelt haben.

    Gundula Fehns-Böer, Pressesprecherin Oberlandesgericht Frankfurt

    Die Angeklagten werden von insgesamt 25 Verteidigern vertreten. Für den Prozess hat das Oberlandesgericht deshalb eigens eine Leichtbau-Halle errichten lassen. Nur so habe man für alle Beteiligten genügend Plätze anbieten können.

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