Reichsbürgerprozess: Der "Rat" auf der Anklagebank
Reichsbürgerprozess in Frankfurt:Der "Rat" auf der Anklagebank
von Jan Henrich
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Sie sollen einen Umsturz in Deutschland geplant haben. Im zweiten Verfahren gegen die Gruppe um Heinrich Prinz Reuß steht nun die mutmaßliche Führungsriege vor Gericht.
In Frankfurt hat heute der zweite Prozess gegen die „Reichsbürger“- Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß begonnen. Die Gruppe soll eine Machtübernahme geplant haben. 21.05.2024 | 1:44 min
Es ist ein Mammutverfahren, das heute in Frankfurt beginnt. Das Oberlandesgericht hatte eigens dafür eine Halle errichten lassen. Die mutmaßliche Führungsriege der Reichsbürgergruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß muss sich in dem Prozess verantworten.
Die Vorwürfe gegen die neun Angeklagten, die derzeit in Untersuchungshaft sitzen, lauten unter anderem auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. Das Gericht muss nun klären: Wie gefährlich war die Gruppe wirklich?
Gegen neun mutmaßliche Mitglieder der Reichsbürger-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß beginnt der Prozess. Rechtsextremismus-Experte Speit analysiert die Struktur des Netzwerks. 21.05.2024 | 27:00 min
Umsturzpläne, verschleppte Kinder und Verbindungen nach Russland
Über 600 Seiten umfasst die vollständige Anklage. Die Reichsbürgergruppe habe den Staat abgelehnt und sei einem Konglomerat aus unterschiedlichen Verschwörungsmythen gefolgt, heißt es von Seiten der Bundesanwaltschaft.
Von abstrusen Vorstellungen ist die Rede. Deutschland sei fremdgesteuert und Eliten würden Kinder in unterirdischen Höhlen gefangen halten. Die Gruppe soll auch immer wieder versucht haben Verbindungen nach Russland aufzubauen, um Hilfe für ihr Vorhaben zu erhalten.
Zentrales Organ der Gruppe sei demnach ein "Rat" gewesen, mit einer Aufgabenteilung ähnlich einer Regierung. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass die Gruppe ab August 2021 geplant hat, gewaltsam einen Systemumsturz herbeizuführen, unter anderem durch einen Angriff auf den Bundestag.
In Stuttgart startet der Prozess gegen neun Angeklagte der Reichsbürgergruppe um Prinz Reuß. Ihnen wird vorgeworfen, als terroristische Vereinigung einen Umsturz geplant zu haben.29.04.2024 | 3:05 min
380 Schusswaffen, Nachtsichtgeräte und Handfesseln
Anhaltspunkte, wie konkret und gefährlich die Vorbereitungen gewesen sind, gibt es nach Ansicht der Ermittler genug: Rekrutierung von militärischem Personal, die Beschaffung von Ausrüstung und die Durchführung eines Schießtrainings. Insgesamt wurden rund 380 Schusswaffen, knapp 350 Hieb- und Stichwaffen sowie Nachtsichtgeräte und Satellitentelefone gefunden.
Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass den Mitgliedern der Gruppe bewusst war, dass die geplante Machtübernahme mit der Tötung von Menschen verbunden gewesen wäre. Es ist juristisch die Grundlage für den Vorwurf als terroristische Vereinigung.
Verteidiger: "Außer Fantasie bleibt nicht viel übrig"
Diesem Vorwurf widersprechen Verteidiger der Angeklagten. Rechtsanwalt Roman von Alvensleben vertritt Heinrich Prinz Reuß in dem Prozess. Er sieht keine Anhaltspunkte für Terrorismus.
Außer Fantasien sei nicht viel übriggeblieben. Es habe zwar Veranstaltungen im Jagdschloss Waidmannsheil von Heinrich Prinz Reuß gegeben, räumt der Verteidiger ein. Daraus ließen sich jedoch keine Umsturzpläne ableiten. Es seien Vorträge gehalten worden. Von Alvensleben bezweifelt bereits, dass die Beteiligten sich als Gruppe verstanden hätten.
Die Angeklagten im Frankfurter Reichsbürger-Prozess:
Der Frankfurter Unternehmer soll nach Ansicht der Bundesanwaltschaft gemeinsam mit Rüdiger von P. einer der beiden Rädelsführer der Gruppe gewesen sein. Ihm wird vorgeworfen, den "Rat" geleitet zu haben. Außerdem habe die Gruppe vorgehabt, ihn nach dem Umsturz als provisorisches Staatsoberhaupt einzusetzen.
Dem ehemaligen Kommandanten eines Fallschirmjägerbataillons der Bundeswehr wird vorgeworfen, den militärischen Arm der Gruppe geleitet zu haben. In dieser Funktion sei er zugleich Mitglied des "Rates" gewesen. Er soll auf diversen Veranstaltungen um neue Mitglieder für die Gruppe geworben haben.
Der ehemalige Bundeswehr-Oberst soll Teil des militärischen Arms der Gruppe gewesen sein. Er soll zudem versucht haben, Bundeswehrsoldaten für die Gruppe anzuwerben. Eder war zuvor unter anderem bei Corona-Protesten öffentlich aufgetreten und hatte dort gefordert, man müsse mal "das KSK nach Berlin schicken". Er wurde um Mai 2024 in einem anderen Verfahren unter anderem wegen Trunkenheit am Steuer zu einer Haftstrafe verurteilt.
Die ehemalige Richterin und AfD-Politikerin war von 2017 bis 2021 Mitglied des Deutschen Bundestags. Sie soll im "Rat" für das Ressort "Justiz" verantwortlich gewesen sein. Außerdem wirft ihr die Bundesanwaltschaft vor, andere Mitglieder der Gruppe in den Bundestag eingeschleust zu haben, um das Gebäude auszukundschaften.
Im "Rat" soll er für das Ressort "Inneres" zuständig gewesen sein. Er soll zudem mit anderen Mitgliedern der Gruppe mehrere Bundeswehrkasernen ausgekundschaftet haben. Der Ex-Polizist war zuvor häufig bei Corona-Prosteten aufgetreten und verbreitete in sozialen Medien Verschwörungstheorien.
Der ehemalige Kommandosoldat des KSK hatte zuletzt als Survival-Trainer gearbeitet. Er soll Teil des militärischen Arms der Gruppe gewesen sein und Bundestagsgebäude ausgekundschaftet haben.
Die russische Staatsbürgerin soll Heinrich Prinz Reuß den Kontakt zum russischen Generalkonsulat in Leipzig vermittelt und ihn dorthin begleitet haben. Ihr wird Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.
2021 war sie im Wahlkreis Bodensee für die Partei "Die Basis" als Bundestagskandidatin angetreten. Sie soll eine Person aus ihrem Familienkreis dazu veranlasst haben, der Gruppe 150.000 Euro zukommen zu lassen.
Auch er gilt als einer der mutmaßlichen Geldgeber der Gruppe. Der Finanzberater aus dem Landkreis Harburg soll der Vereinigung mehr als 160.000 Euro gespendet haben.
Eigenes Prozessgebäude für Mammutverfahren
Es wird die Kernfrage des Verfahrens in Frankfurt sein. Wie konkret waren die Pläne der Gruppe, welche Gefahr bestand wirklich, dass Menschen getötet werden? Das Gericht wird sich Zeit lassen, den Komplex aufzuklären.
Es ist ein Mammutverfahren. Bereits jetzt sind über 40 Verhandlungstage angesetzt, wahrscheinlich werden es noch deutlich mehr. Rund 250 Zeugen sollen gehört werden. Über 800 Stehordner umfasst das zum Prozess gehörige Aktenmaterial.
Die Angeklagten werden von insgesamt 25 Verteidigern vertreten. Für den Prozess hat das Oberlandesgericht deshalb eigens eine Leichtbau-Halle errichten lassen. Nur so habe man für alle Beteiligten genügend Plätze anbieten können.